Jimi Blues Weinmarke beweist, wie früh Ende-20-Jährige vergreisen

​Jimi Blue Ochsenknecht mit Wein

Es ist das wohl langweiligste Featuring der Welt: Jimi Blue Ochsenknecht x Weingut Schwedhelm. Die Flaschen, auf denen das steht, gibt es auf der Seite geileweine.de zu kaufen – “geile Weine”, das sind zwei Wörter, die in etwa so gut zusammenpassen wie “beängstigende Babykatzen“. Weine können sicher lecker sein oder edel oder teuer. Aber geil?

Jimi Blue Ochsenknecht ist 27, und damit nur zwei Jahre älter als ich. Aber es kommt mir vor, als wäre er auf einmal sehr plötzlich sehr, sehr alt geworden. Letztes Jahr hat er bei Let’s Dance mitgemacht, einer Show, die meine Oma guckt. Dann hat er ein Kochbuch herausgebracht. Und jetzt seinen eigenen Wein.

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Wein ist das erwachsenste Getränk der Welt. Wein macht müde und behäbig. Wer Wein trinkt, redet auch völlig unironisch über Foucault und Proust. Wer eine eigene Weinmarke haben will, sollte mindestens die Hälfte seines Lebens hinter sich haben. Der sollte auf seinem Weingut in Südfrankreich sitzen, mit grau melierten Haaren und einer viel zu jungen, viel zu schönen Frau im Arm – oder als elegante Grande Dame mit einem heißen Toyboy. Wie auch immer: Mit 27 ist man viel zu jung für einen eigenen Wein.

Dass niemand Jimi Blues neues Hobby infrage stellt, hat einen Grund: die Frühvergreisung meiner Generation. Die fängt nach meiner Beobachtung ungefähr mit 26 an: In meinem Freundeskreis gibt es inzwischen Menschen, die sich über Filterkaffee unterhalten, als wäre das ein Thema, über das man sich unterhalten kann. Sie hören mit dem Rauchen auf. Sie kaufen sich Winterjacken für sehr viel Geld und sagen dazu den Satz: “Die trägt man ja auch ein paar Jahre!”

Ich mag Filterkaffee, Wein auch. Aber wenn ich Jimi Blues Gesicht sehe, spielt in meinem Kopf immer noch “Hey Jimmi hey what’s up, can you make my body rock”. Als der Song erschien, war Jimi 15 und ich 13 Jahre alt. Ein 15-Jähriger, der einen bescheuerten Text rapt, in dem er sich vorstellt, Sex zu haben: Da passten Alter und Produkt sehr gut zusammen.

Die Frühvergreisung ist eine Rebellion gegen die Unsicherheit

Jimi Blue probiert Wein
Jimi Blue degustiert auf seinem Feature-Weingut | Promofoto von Geile Weine

Zwölf Jahre später: Ich scrolle durch die Bilder auf Jimi Blues Facebookseite. Er schaut kritisch in ein Weinglas, als würde er gleich so etwas sagen wie “Katzenpisse im Abgang”. Mit seinen 27 Jahren hat er sich äußerlich bereits in einen dieser Männer Mitte 30 verwandelt – ich kenne diese Männer aus Berliner Clubs, weil sie dort mit Pick-up-Lines wie “Bist du nicht eher der Kater-Blau-Typ?” versuchen, 20-Jährige aufzureißen.

Woher kommt dieser Wunsch, sich möglichst schnell möglichst reif und alt zu geben? Bei meinen Freunden kann ich ihn ein bisschen verstehen: Früher wurdest du erwachsen, indem du dir ein Eigenheim gekauft, oder noch besser: gebaut hast, für Haustiere und Kinder, für die du dann Sparbücher angelegt hast. Keiner meiner Freunde wird sich heute jemals eine Eigentumswohnung leisten können. Finanziell ist maximal ein sehr kleiner Hund für die sehr kleine Mietwohnung drin. Der Trend zum Rentnerdasein mit Ende 20, zu Filterkaffeegesprächen, Proust-Lektüre und dunklen Sakkos kommt wahrscheinlich genau daher: Es ist eine Rebellion gegen die Unsicherheit. Wenn ich schon nicht fürs Alter vorsorgen kann, dann kann ich mich wenigstens sehr früh sehr alt verhalten.

Mit 25 schreit der eigene Körper plötzlich laut “YOLO” – aber nicht als Aufforderung zur Eskalation, sondern als Warnung: Pass auf dich auf, trink lieber einen guten Wein als einen 4,90 Euro-Happy-Hour-Cocktail in dem Laden, der nebenbei noch Döner verkauft.

Dazu beginnt mit 25 bei Menschen der Verfall: Körperfett, Kopfweh, Krampfadern. Der eigene Körper schreit plötzlich laut “YOLO” – aber nicht als Aufforderung zur Eskalation, sondern als Warnung: Pass auf dich auf, trink lieber einen guten Wein als einen 4,90 Euro-Happy-Hour-Cocktail in dem Laden, der nebenbei noch Döner verkauft.

Trotzdem – einen eigenen Wein zu haben, der dann auch noch “Horizont” heißt, das ist übertrieben. Horizont, das klingt, als habe Jimi Blue mit dem Leben sowieso schon abgeschlossen. Alles was ihm bleibt sind ein paar Sonnenuntergänge. Wovon soll man noch träumen, wenn man mit 27 schon seinen Namen auf einen Rosé geklebt hat? Günther Jauch hat sein persönliches Weingut erst mit 54 gekauft – ein völlig angemessenes Weinkenner-Alter also. Die nächsten Stationen für Jimi Blue sind logischerweise: eine eigene Whiskymarke mit 35 (“Single Malt, extra torfig”), eine Kampagne für Haftcremes mit 48. Für die Rente bleibt ihm dann nur noch Rückschritt in die verpasste Jugend: eine Kooperation mit V+Cola mit 65, und eine eigene Sneaker-Kollektion mit 80.

Vielleicht bin ich auch nur neidisch. Auf die Selbstsicherheit, mit der Jimi Blue im Gala-Interview erzählt, dass er zu Weihnachten einen Weinkühlschrank bekommen hat. Ich weiß nicht einmal, was einen Weinkühlschrank von einem normalen Kühlschrank unterscheidet. Aber ich habe ja auch noch ein paar Monate Zeit, bis ich 26 werde.

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