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The Up in Flames Issue

Die Dschihad-Schule

Wie die al-Nusra-Front syrische Jungs zu Gotteskriegern erzieht.

Aus der Up in Flames Issue

Diesen August bekam VICE-News-Filmemacher Medyan Dairieh exklusiven Zugang zum syrischen Zweig von al-Qaida, der Al-Nusra-Front, einer Dschihadisten-Gruppe, die gegen Präsident Baschar al-Assads Truppen und den Islamischen Staat kämpft.

Dairieh verbrachte mehr als einen Monat bei al-Nusra, wobei er ihr stetig wachsendes Gebiet erkundete und die hochrangigsten Mitglieder kennenlernte, die erstmals ihre Identitäten enthüllten und über ihre Militärdoktrin sprachen.

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Al-Nusra hat al-Qaida vor zwei Jahren die Treue geschworen und erweist sich nun in Syrien als mächtiger Gegenspieler des IS. Mehrere strategisch wichtige Städte in der nordwestlichen Provinz Idlib wurden bereits erobert. Nicht nur versorgt al-Nusra die Bevölkerung mit Wasser, Strom und Essen, die Organisation betreibt auch eine Schule, die Religionsakademie für Junglöwen in Aleppo. Dort indoktriniert sie kleine Jungen, um sie auf den Dschihad vorzubereiten.

Die meisten Kinder auf der Religionsakademie stammen aus al-Qaida-Familien. Den Jungen wird beigebracht, dass sie Märtyrer sind, wenn sie im Dschihad sterben, und so werden sie vermutlich bald zu Kindersoldaten werden, wie Zehntausende andere, die in Konflikten in aller Welt missbraucht werden.

Abu Anas (links), ein Schüler, der vor Kurzem aus Usbekistan zugezogen ist, lernt noch Arabisch. Er sagte VICE, er vermisse seine Familie und sein Zuhause, doch Usbekistan selbst vermisse er nicht, denn „sie sind gegen den Dschihad und nennen uns Terroristen. Sie haben Angst vor uns. Sie wollen keinen Dschihad. Sie wollen nicht Allahs Gesetze." Später erzählte er auf Nachfrage hin, sein Vater sei „als Märtyrer gestorben", doch er wollte nicht sagen, wo.

Die Kinder singen Lieder mit Texten wie: „Oh, Mutter, sei nicht traurig, ich habe das Land des Dschihad gewählt. / Trockne deine Tränen, ich bin nur ausgezogen, die Juden zu besiegen."

Al-Nusra kontrolliert Gebiete in Aleppo und Idlib. Die Gruppe kämpft aktuell an drei Fronten: gegen das syrische Regime, kurdische Einheiten und den Islamischen Staat.

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„Die Jungen werden ein Kalifat aufbauen. Sie werden der Tradition des Propheten folgen und die Botschaft des Dschihad verbreiten", sagte uns Abu Baser, der Lehrer der Kinder.

Selbst umgeben vom Krieg erleben die Jungen noch Elemente einer normalen Kindheit. Sie treiben Sport. Sie machen Ausflüge zu einem alten Vergnügungspark, wo sie Autoscooter ohne Strom herumschieben. Sie schwimmen im Pool, manche voll Selbstvertrauen, andere mithilfe von Gummiringen.

Viele der Kinder haben schreckliche Gräueltaten mitangesehen. Ein Junge aus Idlib sagte: „Ich habe gesehen, wie Nusairier [Alawiten] die Männer töten und die Frauen und Kinder massakrieren."

„Es gibt viele ohne religiöses Wissen", fuhr er fort. „Ich lade sie ein und lehre sie, aber wenn sie nicht hören wollen, dann verwende ich das Schwert."

Abu Khatab al-Maqdisi, das Mitglied der Nusra-Front, das VICE herumführte, sprach voller Stolz von den Schülern. „Wir hoffen, diese Junglöwen werden, so Gott will, die Nation anführen und der Unterdrückung ein Ende setzen", sagte er. „Hoffentlich werden sie eine mächtige Generation … Die Lehrer tun ihr Bestes mit den verfügbaren Ressourcen, denn diese Kinder sollen zukünftig den Dschihad anführen."

Während einer Fahrt zum Flughafen Abu al-Duhur in Idlib sagte al-Maqdisi, die Religionsakademie für Junglöwen sei ein Grund zur Hoffnung. Er schwärmte: „Wenn man Kinder wie diese sieht, die gottesfürchtig aufwachsen … richtig erzogen und schon bald alt genug, um Trainingslager zu absolvieren und Waffen zu halten … Sie werden die nächste Generation sein, welche die Bürde des Dschihad trägt und die Nation anführt … Dschihad inner- und außerhalb Syriens, so Gott will. Man will wieder Kind sein und zu ihnen gehören."

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Wieder in der Schule sagte Abu Aschak (nicht im Bild), ein Schüler, der aussieht, als sei er etwa zehn Jahre alt, sein Vater und Bruder würden im Qalamun-Gebirge für al-Nusra kämpfen, wo der Islamische Staat und das libanesische Militär sie belagern. Der Junge sagte, er habe seit zwei Jahren nicht mit ihnen gesprochen.

„Mein Vater erinnert mich an Osama bin Laden, der die Amerikaner terrorisiert und bekämpft hat. Eines Tages wird mein Vater wie er sein", fuhr er fort. „Und ich will wie Osamas Sohn sein. Er predigt den Leuten, und er studierte schon in jungen Jahren den Koran, sodass er schon sehr jung zum Scheich wurde. Deshalb ist es wichtig, dass ich heute bereits an meine Zukunft denke."

Abu Aschak sagte, der Besuch der Akademie sei unerlässlich, denn „hier kann ich mich auf den Tag des Jüngsten Gerichts vorbereiten, aber es ist auch wichtig, zur Schule zu gehen, um seine Zukunft zu sichern. Man muss für die Zukunft planen."

Abu Aschaks kleiner Bruder Abu Omayer (rechts), der aussieht, als sei er im Kindergartenalter, sagte hingegen, seine Eltern hätten ihn auf die Akademie geschickt. „Ich will ein Inghamasi [Selbstmordattentäter] für Allah sein", sagte er und lächelte scheu.

Scheich Abdu Salam, ein Al-Nusra-Anführer, der sich zuvor noch nie vor der Kamera gezeigt hat, gab VICE ein exklusives Interview. „Der Unterschied zwischen der ersten und der zweiten Generation von al-Qaida ist, dass die erste heimlich in von Tyrannen kontrollierten Gebieten wie Syrien arbeiten musste", sagte er. „Dann wurde daraus ein direkter Konflikt als Gruppe."

„Diese neue Generation, gepriesen sei Gott, hat das wahre Gesicht von al-Qaida gesehen. Gott hat es ihr leicht gemacht … Die neue Generation weiß, dass dieser Kampf, so Gott will, mit einem Sieg über das Regime und der Gründung unseres eigenen islamischen Staats enden wird."