FYI.

This story is over 5 years old.

News

Die Barbie-Traumhaus-Erlebniswelt ist der schrecklichste Ort der Welt

Nicht nur in Berlin, auch in Florida gibt es jetzt ein Barbie-Dreamhouse. Da wir in Berlin bis heute keinen Termin bekommen haben (die wollen uns anscheinend aus irgendeinem Grund nicht haben), möchten wir euch nicht die Erfahrung unseres Kollegen...

Foto von Marc Serota/Mattel

Nicht nur in Berlin, auch in Florida gibt es jetzt ein Barbie-Dreamhouse. Da wir in Berlin bis heute keinen Termin bekommen haben (die wollen uns anscheind aus irgendeinem Grund nicht haben), möchten wir euch nicht die Erfahrung unseres US-Kollegen Mitchell Sunderland aus dem Barbie-Dreamhouse vorenthalten: Der ist nämlich rein gekommen. 

In der Mail wurde die lebensgroße Replik des Barbie-Hauses als „3 Kilometer großes pinkes Paradies“ beschrieben. Aber für meine Freunde in Florida klang das Barbie-Traumhaus nur wie ein weiteres grausames Mahnmal dafür, wie es ist, im Paradies von jemand anderem aufzuwachsen.

Anzeige

„Das ist Barbies Traumhaus?“ fragte mein Freund Alex, der immer noch in Florida lebt. „Ja, F. Scott Fitzgerald hat wahrscheinlich an genau so ein Fake-Haus mitten in einem Alligator-förmigen Einkaufszentrum gedacht, als er The Great Gatsby geschrieben hat. Das ist der beschissene amerikanische Traum.“

Ich wollte trotzdem etwas Gutes im Barbie-Traumhaus finden. Es fällt mir nämlich schwer zu glauben, dass die Menschheit tatsächlich etwas bauen könnte, das absolut keine erlösende Wirkung hat. Selbst wenn es sich um ein Einkaufszentrum mit Endlosschleifen aus künstlichem Vogelgezwitscher handelt.

Letzte Woche, als ich in Fort Lauderdale meine Mutter besuchte, kehrte ich also zum Sawgrass-Einkaufszentrum zurück, um das Traumhaus selbst zu erleben.

Ich hatte geplant, alleine hinzugehen. Aber meine Freundin Melanie, die immer noch in Florida lebt, bestand darauf, mich zu begleiten. „Barbies Traumhaus klingt beängstigender als ein chemischer Drogentrip in Amsterdam“, sagte sie. „Du kannst einfach nicht alleine da hin.“ Deshalb rief ich Barbies PR-Typen an und fragte nach zwei Tickets. Er wollte nur Karten rausrücken, wenn wir uns bereiterklärten, keine Fotos oder Videos zu machen und sagte mir, ein Marketing-Dude namens Yarni würde uns beim Eingang erwarten.

Zwei Stunden später betraten Melanie und ich die Szene durch einen rosafarbenen Geschenkeshop, wo Mädchen Puppen und Puppenhäuser verkauften. Verzaubert von rosafarbenem Deckenlicht und den künstlichen Kronleuchtern über uns, vergaßen wir Yarni. Ich fühlte mich wie in einem Song von Olivia Newton John. Alles fühlte sich nach verdammter Magie an.

Anzeige

Yarni und ein Mädchen in einem aquamarinfarbenen Shirt traten durch den rosa Nebel, in dem ich gefangen war. „Ich bin Leila“, sagte das Mädchen. „Ich bin euer Tour-Guide.“

Yarni erinnerte uns, dass Barbie alle Gäste—inklusive Nichtmedienvertreter—dazu anhielt, keine Fotos zu machen. Dann führte uns Leila in einen winzigen rosa Raum, der von rosanen und blauen Lichtern erleuchtet wurde. An der Wand begann sich ein Foto von Barbie plötzlich zu bewegen. Barbie erklärte, dass sie nicht aus der Stadt war und ihren „Glitzer“ verloren hatte (Floridas Stripper-Code für: „Ich habe mein Koks verloren“) und nun unsere Hilfe bräuchte um ihren „Glitzer wiederzufinden“.

Foto von Marc Serota/Mattel

„Das ist wie im Geisterhaus“, sagte Melanie.

„Ähm, nein ist es nicht“, erwiderte Leila. „Geisterhäuser sind nämlich nicht rosa.“

Melanie warf mir einen ängstlichen Blick zu. Dann öffnete sich die Wand und gab den Blick auf einen gigantischen, ebenfalls rosafarbenden, Raum frei. „Die Küche!“, schrie Leila.

Sie rannte rüber in den großen Raum und sagte uns, wir sollten Cupcakes machen. Nirgendwo waren Lebensmittel zu sehen. Ich öffnete die Laden und fand Löffel und Gabeln in durchsichtigen Plastikboxen. Als ich versuchte, sie zu öffnen, bemerkte ich, dass sie fest verschlossen waren. Leila zeigte mir einen Bildschirm auf der Arbeitsfläche—mit Cupcakes machen meinte sie: den Touchscreen antippen und digitale Backwaren erstellen.

Anzeige

Als nächstes brachte sie Melanie und mich in einen gigantischen Kühlschrank. Drinnen fanden wir tatsächlich einige Cupcakes, allerdings hinter Glas. Außerdem einen massiven Schlitten für Fotogmöglichkeiten mit 15 Barbie-Puppen darauf und einen riesigen Flatscreen, der einige Barbie-Webisodes zeigte.

Hier in diesem Riesenkühlschrank befanden sich kein Gemüse, kein Fleisch und auch keine Reste vom Vortag. Es befand sich gar kein Essen darin. Ich weiß nicht genau, welche Botschaft das an kleine Mädchen senden soll, aber für mich sah es aus, als sollte Leila bald eine Intervention wegen Barbies Essstörung starten.

Aber Leila hatte keine Zeit, um sich an investigativem Journalismus zu beteiligen—sie war von einem PR-Typen auf eine Mission geschickt worden, um uns das Wohnzimmer von Barbie zu zeigen, wo sie uns auf ein Regal voller Barbie-Puppen und namenloser rosa Bücher aufmerksam machte.

„Das hier ist die Versace-Puppe“, sagte Leila.

„Haben die Bücher denn auch Titel?“ fragte ich.

„Nein“, sagte Leila lachend. „Das sind nur Barbie-Bücher.“ Dann zeigte sie uns Barbies weiße Couch und ihre Familienportraits die, wie schon der im Kühlschrank, eigentlich aus Flatscreens bestanden, auf denen wieder Webisoden rund um Barbies Nachwuchs und ihre Spielzeug-Delfine liefen. Leila sagt, Mädchen lieben diese Webisoden.

„Die Mädchen wissen bereits, wo sich Barbies Glitzer befindet, wenn sie hierher kommen, weil sie jede einzelne Webisode gesehen haben“, sagte Leila. „Die Webisoden sind wirklich gut. Ich habe begonnen, sie in der Arbeit zu schauen und dann habe ich zuhause weitergeschaut, weil ich einfach wissen musste, wie es ausgeht!“

Anzeige

In den nächsten Räumen, Barbies Balkon und Schlafzimmer, zeigte uns Leila noch mehr davon, was für mich einfach wie eine endlose Parade aus Rosa aussah. Der Badetuch-Kasten war voller Puppen und noch ein paar mehr zierten die Schlafzimmerwände. Barbies Bett war ein harter Block, den irgendjemand rosa angemalt hatte.

„Gibt es irgendwelche Kissen?“ fragte ich, als wir zu dritt im Bett lagen.

„Sie sind doch hier“, sagte Leila und zeigte auf die aufgemalten Polster auf der Bettoberfläche.

„Oh Gott!“ schrie Melanie. „Ich hatte genau dasselbe Bettzeug als Kind. Das sind genau die Laken aus meinem Barbie-Traumhaus.“

„Oder?“ sagte Leila. „Wo war das hier alles, als wir Kinder waren?“

„Was machst du normalerweise in diesem Zimmer, wenn du die Tour normalen Kindern gibst?“ fragte ich.

Foto von Marc Serota/Mattel

„Wir spielen Barbie, Ken, Sparkle“, sagte sie. Sie erklärte uns kurz das Spiel, das darin bestand, dass Kinder ihre Muskeln anspannen, wenn Leila „Ken“ sagt, während sie bei „Barbie“ eine x-beliebige Pose einnehmen und bei „Sparkle“ etwas machen, das Leila den „Spirit Finger“ nannte. Ich gab mir Mühe, nicht zu lachen; Melanie grinste und fragte, wie sie sich für einen Job im Traumhaus bewerben konnte. Danach folgte sie Leila zum Glittifikator, einer riesigen, lebensgroßen Puppenschachtel

„Wofür ist das gut?“ fragte ich, bevor ich in den Glittifikator stieg.

„Barbie betritt ihn jedem Morgen, um sich zu glittifizieren“, antwortete Leila. Aha. Ich öffnete die Schachtel und betrat sie gemeinsam mit Melanie, in der Erwartung, dass sich gleich Glitzer über uns ergießen würde, aber nichts geschah.

Anzeige

„Wo ist der Glitzer?“ fragte ich.

„Es ist eine Fotomöglichkeit für die Kinder, die das Traumhaus besuchen“, erklärte Leila. Mir dämmerte langsam, dass man mich belogen hatte—Besucher konnten sehr wohl Fotos machen. Aber Barbies PR-Berater hatte uns ausgetrickst und uns um ein Pressefoto gebracht.

Melanie fiel nichts davon auf—oder es war ihr egal. Sie folgte Leila in Barbies Badezimmer, wo ihr Spielzeug-Delfin Flippy den Kopf aus der Toilette streckte, und danach auch aus Barbies Wandschrank. Ich erwartete vom Schrank eine lebensgroße Nachbildung des begehbaren Kleiderschranks von Maria Carey, wie ich ihn bei MTV Cribs gesehen hatte. Nur mit der Ausnahme von einigen Ballerina-Outfits, die bestenfalls Babys gepasst hätten (und die es vermutlich bei Toys R Us zu kaufen gibt), waren hier auch nur Puppen und Puppenzubehör zu finden.

Barbies Innenarchitekt hat am Ende der beiden Wände Spiegel einbauen lassen, um den Kleiderschrank unendlich wirken zu lassen—vermutlich eine Metapher darauf, wie all dieser rosa Glamour am Ende auch ein kleines Business-Wunder war, dachte ich.

Melanie fiel trotzdem darauf herein. Gemeinsam mit Leila stand sie vor den Spiegeln und spielte ein interaktives Spiel, bei dem dir virtuelle Kleidung an den Körper angepasst wird. Es entlockte beiden ein Lächeln, so dass man fast glauben konnte, es wäre ihr eigener und nicht Mattels Traum, der hier wahr wurde.

Ich folgte den beiden in das Barbie-Flugzeug, einen weißen Raum, der wie ein jahrzehntealter Furz roch und einen weiteren Flatscreen sowie zwei Fake-Flugzeugfenster an den Wänden hatte.

Anzeige

Auf dem Bildschirm erzählte uns Barbie, dass wir jetzt nach „Entertainment Island“ fliegen würden, ihrer Privatinsel, von wo aus sie sich um ihre Jobs kümmert. Ich dachte, damit wären die zirka 1.000 Jobs gemeint, die Barbie in ihren über 50 Jahren Berufsleben schon erlernen musste. Die weiße Wand öffnete sich und gab den Blick auf Barbies größte Erfolge frei, wie zum Beispiel ihre Karriere als Rock-Star (1986) und als Präsidentin der Vereinigten Staaten (2000).

„Was tun die Mädchen hier?“ fragte ich Leila.

„Hier lernen sie zu modeln!“ Leila führte uns in einen rosa Raum mit schwarzen Vorhängen, hinter denen eine Gruppe von 6-Jährigen gerade lernte, wie man richtig über den Laufsteg stolpert. „Die Mädchen dürfen sich sogar ihr eigenes Make-up aussuchen“, sagte sie und deutete auf eine andere Mitarbeiterin, die gerade Kinder-Make-up auf die Gesichter der Grundschulmädchen schmierte. Kinder-Make-up. Das war definitiv furchteinflößender, als es jedes Geisterhaus sein könnte. Leila drehte sich vom Vorhang weg und führte uns zum Ausgang durch den Geschenkeshop.

Ich würde gerne sagen, dass Barbies Traumhaus-Erlebniswelt eine feministische Inspiration war und dass sich hinter all dem Rosa ein Kern innerer Schönheit offenbarte. Aber es war einfach nur ein interaktiver Werbespot für Internet-Videos und Souvenirs—wie eine Kaffeefahrt für Unter-60-Jährige. Es war noch nicht mal Popkultur. Es war einfach nur Pop—eine rosa Plastik-Promotion für Plastikpuppen, die Mädchen beibrachten, wie sie selbst zu Plastik werden konnten.

Als wir zurück zum BMW meiner Mutter gingen, wunderte sich Melanie laut, warum in aller Welt sie nach einer Bewerbungsmöglichkeit gefragt hatte. „Ich würde niemals dort arbeiten“, sagte sie. „Was hab ich mir nur gedacht? Diese rosanen und blauen Lichter waren so träumerisch. Du weißt schon, wie diese Lichter in Strip-Clubs.“

Weitere Geschichten zu dem Thema:

Ein offener Brief an das beschissenste Wachsfigurenmuseum der USA

Venice Beach ist ein Paradies

Warum L.A. der schlimmste Ort der Welt ist