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Der Prinz gegen das bayrisch(-internationale) Bierkartell auf dem Oktoberfest

Auf der Wiesn gibt es ungefähr 10 Großzelte und ungefähr 30 Kleinzelte—und etwa vier Lieferanten. Wenn das kein Kartell ist.

Auf dem Oktoberfest werden durchschnittlich 58 Millionen Euro jährlich alleine in Bier umgesetzt. Davon profitieren vor allem die alteingesessenen Traditionsbrauereien. Denn seit jeher erhalten auf dem Oktoberfest nur sechs Brauereien eine Ausschankgenehmigung: Augustiner, Hacker-Pschorr, Hofbräuhaus, Löwenbräu, Paulaner und Spaten.

Abgesehen vom Augustiner-Bräu, dessen Anteile sich auf eine gemeinnützige Stiftung und mehrere Privatpersonen verteilen, und dem Hofbräu, der sich in Staatseigentum befindet, sind die anderen Brauereien alle in große Megakonzerne aufgegangen. Nicht nur betrügen die Wiesn-Wirte bei der Ausschankmenge, sondern auch um die Vergabe der Schankerlaubnis hat sich ein regelrechtes Kartell gebildet.

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Doch ein Mann kämpft seit Jahrzehnten gegen diese Ungerechtigkeit: Seine Königliche Hoheit Prinz Luitpold von Bayern.

Als Urenkel des letzten bayrischen Königs, Ludwig III., und als zukünftiger Stammhalter des Hauses Wittelsbach sah er es lange Zeit als seine Pflicht, das größte Kartell der bayrischen Geschichte zu zerschlagen.

Seit 1980 kämpft er immer wieder darum, das Bier seiner eigenen Brauerei, die König Ludwig Schlossbrauerei Kaltenberg, auf die Wiesn zu bringen—scheiterte aber regelmäßig und kläglich an den immer wieder neugefundenen Auflagen der Stadt München. Im Lauf der Jahrzehnte vernichtete er beim Versuch, auf der Wiesn ausschenken zu dürfen, laut eigener Aussage, etwa eine halbe Million Euro seines Vermögens.

Mehr als 30 Jahre lang hat die Stadt München seiner königlichen Hoheit den Knüppel zwischen die Beine geworfen. Sie wollen angeblich verhindern, dass er damit nicht die Fluttore öffnet und Brauereien aus aller Welt auf die Idee kämen, dass auch sie am größten Volksfest der Welt mitverdienen dürfen.

Das seit Jahrzehnten geltende Hoheitsrecht der „bewährten Münchner Traditionsbrauereien“—wie sie lächerlicherweise in den Betriebsvorschriften bezeichnet werden—ist ungebrochen.

In Wahrheit schenken aber schon längst Megakonzerne aus aller Welt Bier auf dem Oktoberfest aus, die sich mit Sicherheit nicht dem bayrischen Brauchtum, sondern der Gewinnmaximierung verschrieben haben. Selbst InBev, der größte Brauereikonzern der Welt, hat seine Finger mit im Spiel. Denen gehört nämlich Spaten-Löwenbräu, das als Wiesn-Traditionsbrauerei gilt. Auch die Traditionsbrauereien Hacker-Pschorr und Paulaner gehören mittlerweile der Schörghuber Unternehmensgruppe und Heineken.

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Doch auch die Schlossbrauerei Kaltenberg von Prinz Luitpold ist seit 2001 eine Tochter des Warsteiner-Konzerns und hat sich somit auch im Kreis der Großbrauereien etabliert. Der Traditionsanspruch auf den Oktoberfest ausschenken zu dürfen ist in allen drei Fällen fragwürdig.

Nach jahrzehntelangen Kämpfen mit der Stadt München ist auch Prinz Luitpold erschöpft, mit 62 fehlt ihm die Zeit und der Wille, die letzte Hürde zu gehen—der Weg zum Europäischen Gerichtshof, um das bayrische Traditionskartell zu durchbrechen. Obwohl sich der Prinz jedes Jahr aufs Neue bewirbt, sind die Rechte der angeblichen „Traditionsbrauereien“ eher gestärkt worden.

Ich habe mich mit seiner Königlichen Hoheit getroffen, um herauszufinden, wie verzweifelt er mittlerweile ist.

Du hast jahrzehntelang versucht, eine Zulassung für den Bierverkauf auf dem Oktoberfest zu bekommen. Wieso war dir das so wichtig?

Die Wiesn war ursprünglich mal das Hochzeitsfest von meinem Ur-Ur-Großvater, König Ludwig I. Ein Pferderennen war der Start fürs Oktoberfest.

In den Anfängen des Oktoberfestes hat deine Familie auch schon gebraut?

Unsere Familie braut schon seit dem Jahr 1260 Bier—seit über 750 Jahren. Das Bayrische Reinheitsgebot stammte von einem Wittelsbacher, Wilhelm IV.

Wann hast du dich das erste Mal auf dem Oktoberfest beworben?

Die erste Anfrage habe ich 1980 gemacht. Damals war ein Jubiläum, die 800-Jahr-Feier—unsere Familie hat seit 1180 Bayern regiert. Die Münchner Brauereien sind natürlich an die Decke gegangen: „Das kommt überhaupt nicht in Frage!“ Und der Stadtrat hat gesagt: „Da könnt ja jeder kommen. Nix gibt's!“

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Wieso konnte man dir das verwehren?

Es gibt auf der Wiesn die sogenannten Betriebsvorschriften. Darin ist geregelt, wie viel Klopapier ein Wirt haben muss pro Gast, und darin ist auch geregelt, welches Bier verkauft werden darf. In diesen Betriebsvorschriften stand drinnen, dass nur Bier von auf der Wiesn zugelassenen Brauereien ausgeschenkt werden darf. Deshalb habe ich mir gedacht, dann bewerbe ich mich eben darum, in die Liste der zugelassenen Brauereien aufgenommen zu werden.

Klingt ja eigentlich ganz einfach.

Daraufhin kam wieder: „Da kann ja jeder kommen. Das dürfen nur Brauereien, die in München sind.“ Das steht aber nicht in den Vorschriften drin, beziehungsweise stand es damals nicht. Die haben wegen mir die Vorschriften zweimal geändert.

Das war also das erste Mal, als sich die Regeln geändert haben.

Daraufhin habe ich gesagt: „OK, wunderbar.“ Dann habe ich eine GmbH in München angemeldet und 1983 eine mobile Hausbrauerei konzipiert. Die Firma sitzt in München, kann Bier brauen und wir machen eine Weißbierbrauerei.

Was bitte ist eine mobile Brauerei?

Eine komplette Brauerei, aber so montiert, dass sie innerhalb einer Woche zusammengeschlossen werden kann. Wir haben das so konzipiert, dass sie eine so hohe Lagerkapazität hatte, dass es für die Wiesn ausgereicht hätte. Die Wiesn-Zelte werden ja normalerweise ein bis zwei Monate vorher aufgestellt. Da hätten wir dann das Zelt aufgestellt, unsere Brauerei reingestellt und das Bier für die Wiesn in München gebraut.

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Das komplette Bier wäre also direkt auf der Theresienwiese gebraut worden?

Weißbier hat relativ schnelle Produktionszeiten. Obergärige Hefe arbeitet sehr schnell, nach zehn Tagen ist das Bier ausschankfähig. Das heißt, wir hätten auf der Wiesn auch noch brauen können, wenn uns am ersten Wochenende das Bier ausgegangen wäre.

Wie hat die Stadt München auf diesen Vorschlag reagiert?

Darauf gab es großes Entsetzen. Denn das ist eine Idee, die könnte Münchner Bürgern weiß Gott gefallen. Also ihre Antwort: „Geht ja überhaupt nicht. Eine bewegliche Brauerei, das hat‘s ja auf der ganzen Welt noch nicht gegeben.“ Inzwischen gibt's sowas. Wir haben das damals konzipiert vor 30 Jahren.

Hast du die komplett bauen lassen?

Ich hab sie komplett gekauft. Die war da. Wir haben die bei uns in die Brauerei gestellt und testgebraut. Das Ding hat funktioniert.

Und München hat sich gewehrt?

Die Stadt München hat gesagt: „Das muss ja erstmal erprobt werden.“ „Gut“, habe ich gesagt, „dann wollen wir in München eine Baugenehmigung.“ Und dann hat die Stadt uns ein Jahr lang mit der Baugenehmigung gequält.

Wir haben dann einen anderen Standort gesucht. Das Bamberger Haus im Luitpold Park (in München-Schwabing).

Da haben sie dann gesagt, die Brauerei wäre zu groß, die dürfe da nicht rein.

Weshalb wir dann eine zweite, kleinere Brauerei gebaut haben. In die Baugenehmigung haben sie uns dann reingeschrieben, dass wir dort kein Bier außer Haus verkaufen dürfen. Das war der nächste Streich der Stadt. Es ist also schon viel böser Wille dabei gewesen.

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Also war der Traum vom eigenen Wiesn-Zelt dahin?

Ich habe dann gesagt, wir bewerben uns trotzdem damit und streben ein Kartellrechtsverfahren an. Denn das Ganze stinkt ja zum Himmel.

Abgedreht wurde das dann, indem sie gesagt haben: „Na ja, da die Brauerei wegen der baurechtlichen Beschränkungen nicht außer Haus liefern darf, brauchen wir das kartellrechtlich nicht näher zu prüfen.“

Aber es gab Hoffnung, oder?

Nein, davor hat die Stadt München die Satzung zum zweiten Mal geändert. Jetzt durfte auf dem Oktoberfest nur noch Bier geliefert werden von „leistungsfähigen und bewährten Münchner Traditionsbrauereien“, und das sind derzeit: Hacker-Pschorr, Paulaner, Hofbräuhaus, Augustiner, Spaten und Löwenbräu. Punkt.

Mit welcher Begründung wurde das gemacht?

Die haben gesagt, wenn da einer von außen reinkäme, dann sei das eine Katastrophe.

Da kämen dann die ganz Großen aus Dortmund.

Ja, Entschuldigung, die InBev-Gruppe ist die größte Brauereigruppe der Welt, mit 400 Millionen Hektoliter. Denen gehört ja Spaten-Löwenbräu.

Ich meine, da brauch ich mich nicht vor irgendwelchen deutschen Kleinbrauereien fürchten. Aber die Stadt München hat da anscheinend eine ganz andere Agenda.

Man müsste sich jetzt fragen, gibt es Verbindungen zwischen der Stadt München und den Brauereien? Die gibt es zweifellos.

Wer mischt da mit?

Es gibt vor allem einen Verein Münchner Brauereien. Ich habe mich da natürlich sofort beworben. Daraufhin haben die gesagt: „Sie können leider nicht Mitglied werden. Weil im Verein Münchner Brauereien können Sie nur Mitglied werden, wenn Sie durchgehend von 1870 bis 1970 Bier gebraut haben.“ Also closed Shop.

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Da kann also nie wieder jemand reinkommen?

Natürlich.

Wirst du es nochmal angehen, gegen die unfaire Vergabepraxis vorzugehen?

Wenn man jetzt ein scharfes Kartellrechtsverfahren durchziehen würde und zur EU gehen würde, dann hätten die keine Chance, das würden sie verlieren. Aber da ist man dann sechs Jahre vor Gericht. Mit allen Künsten vielleicht sogar zehn. Ich habe mir das überlegt, aber ich muss sagen, dass ist schade um die Zeit.

Es gibt also keine Pläne mehr für die Zukunft?

Vor 20 Jahren war die Wiesn noch anders als heute. Sie war auch schön und lustig und voll, aber inzwischen ist es so überfüllt, dass ich mich unwohl fühle. Damals hat man an einem Vormittag auf der Wiesn noch quer durchgehen können und in jedes Zelt rein und raus. Das habe ich früher immer gemacht. Ich hab in jedem Zelt einen Schluck Bier probiert.

Und was hätte man dagegen machen können, dass die Wiesn so geworden ist, wie sie heute ist?

Wir haben uns mal zusammen mit fünf anderen Brauereien aus dem Umfeld von München beworben. Wir haben gesagt: „Auf der Wiesn ist alles nur noch höher, schneller, langweilig und fürchterlich. Und die ganzen alten Traditionen sind weg. Wir wollen gerne ein Bierzelt machen, in dem nur originale Blasmusik spielt und es wie früher zugeht.“

Damit haben wir uns zwei Mal beworben.

Jetzt gibt es die Oide Wiesn. Aber nicht mit den Brauereien aus dem Umland. Die haben aber gesehen, da ist eine Idee, die könnte uns gefährlich werden. Also Zack, nimmt man die Idee, die wir ihnen präsentieren, und macht was anderes daraus.

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Schloß Kaltenberg

Bist du enttäuscht, dass du es nie geschafft hast?

Ob es das jetzt wirklich braucht, dass wir heute auf der Wiesn sind, ist ein ganz anderes Thema. Es geht darum, dass die keine Konkurrenz wollen. Auf der Wiesn gibt es ungefähr 10 Großzelte und ungefähr 30 Kleinzelte—und etwa vier Lieferanten. Wenn das kein Kartell ist.

Würde der Bierpreis da wirklich sinken, wenn andere Brauereien zugelassen wären?

Es hat immer dazu geführt, dass zunehmender Wettbewerb den Preis beeinflusst. Das ist eine alte Weisheit. Auf den Volksfesten in der Region kostet das Bier im Schnitt drei Euro weniger als auf der Wiesn, das hat auch einen Grund.

Das Ganze sieht ziemlich aussichtslos für dich aus.

Ich habe festgestellt, dass es ein Rennen gegen die Wand ist. Es kostet auch jedes Mal Mühen, Anstrengungen und Investitionen, und wenn ich dann Ideen liefere, die die Stadt dann mit Anderen umsetzt, dann sollen sie mich doch … die können was Anderes machen.

Mehr über das Oktoberfest:

Der Verein gegen betrügerisches Einschenken

Der VICE-Guide zum Oktoberfest

Big Bavarian Boobs & Beers