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Cop Watch

​Rassismus bei der Polizei gibt es auch in Deutschland

Von "Lust, mit der MP in die Moschee zu stürmen" bis "krimineller Migratiosnmob" – Wir haben die schlimmsten Fälle gesammelt.
Foto: Jermain Raffington

Die Polizei in den USA hat ein Rassismus-Problem, das hat mittlerweile sogar Präsident Obama klargemacht. Spätestens seit ein Schwarzer in Dallas fünf Polizisten erschossen hat, um "Rache" zu üben für die jüngsten Fälle von tödlicher Polizeigewalt gegen Schwarze, bewegt das Thema die USA.

Auch in Deutschland schütteln wir gerne den Kopf über die Zustände, die da drüben herrschen. "USA ist und bleibt der wilde Westen" schreibt jemand unter eine Spiegel Online-Artikel zum Thema, ein anderer beklagt den "tiefen Rassismus in den USA". Aber auch wenn deutsche Polizisten viel seltener zur Waffe greifen als ihre US-amerikanischen Kollegen, heißt das nicht, dass es hier kein Rassismus-Problem gibt. Das WDR-Magazin monitor widmet dem Thema "Rassismus und Gewalt" heute Abend um 21:45 Uhr eine ganze Sendung. Aber wie ernst ist die Situation wirklich? Wir haben uns die schlimmsten Fälle der jüngeren Vergangenheit angeschaut, in denen Polizisten rassistisch motiviert gehandelt haben:

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"Gequiekt wie ein Schwein" – Die Bundespolizisten in Hannover

„Hab den weggeschlagen. 'Nen Afghanen. Mit Einreiseverbot. Hab dem meine Finger in die Nase gesteckt. Und gewürgt. War witzig." So prahlte ein Hannoveraner Bundespolizist 2014 über seinen Umgang mit einem Verhafteten, den er dann noch "an den Fußfesseln" durch die Wache geschleift haben will. In einem anderen Fall verschickte der Beamte das Foto eines am Boden liegenden Mannes und gab damit an, den jungen Marokkaner dazu gezwungen zu haben, kriechend Reste von gammeligem Schweinefleisch vom Boden zu essen. Sein Opfer habe dabei "gequiekt wie ein Schwein", freute sich der Beamte.

Der Fall hat Wellen geschlagen, nachdem der NDR ihn im Mai 2015 aufgedeckt hat. Tatsächlich wurde der Beamte aber nie wegen Körperverletzung oder Folter zur Rechenschaft gezogen. "Wir haben keine Hinweise für Übergriffe gefunden", erklärte der Oberstaatsanwalt. Offenbar ging man davon aus, dass der Mann sich alles nur ausgedacht hatte, um anzugeben. Auch wenn es daran erhebliche Zweifel gibt—eine zutiefst rassistische Einstellung offenbart es in jedem Fall.

Straflos Schwarze durch den Park jagen – Berlin

Liam G. wurde von 2 betrunkenen Polizisten angegriffen, als er — rbb Abendschau (@rbbabendschau)2. September 2014

Im September 2013 beobachtete Liam G., wie zwei Männer einen Schwarzen im Görlitzer Park jagten und immer wieder schlugen und traten. Die beiden wirkten betrunken und brüllten unverständliches Zeug, also schritt der ebenfalls schwarze Liam G. ein und versuchte, den Streit zu schlichten. Statt sich zu beruhigen, griffen die beiden ihn an, schlugen ihn zu Boden, beleidigten ihn rassistisch und malträtierten ihn so heftig, dass Umstehende schließlich die Polizei riefen. Wie sich herausstellte, waren die beiden Männer selbst Polizisten—nur halt in Zivil, und sturzbetrunken. Die beiden Beamten wurden 2014 wegen Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt. Ein rassistisches Motiv erkannte die Richterin aber nicht—obwohl die beiden laut Liam G. Affengeräusche gemacht hatten, während sie ihn schlugen.

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Racial Profiling in ganz Deutschland

"Racial Profiling" nennt man es, wenn Polizisten verstärkt Menschen kontrollieren, die nicht so weiß sind wie der Großteil der Bevölkerung. Racial Profiling ist in Deutschland zwar offiziell verboten, gehört nach Berichten von Vereinen, Studien und Betroffenen aber trotzdem zum Alltag. In einer Studie der EU-Agentur für Grundrechte gaben 79 Prozent der Bundespolizisten am Frankfurter Flughafen an, sie hielten "ethnische Merkmale" für besonders hilfreich, um Ausländern ohne Papiere auf die Spur zu kommen.

Das Problem ist in diesem Fall aber nicht so sehr das Verhalten einzelner Polizisten, sondern eher, dass es Gesetze wie die Residenzpflicht für Flüchtlinge gibt, die praktisch garantieren, dass man als Nicht-Weißer in ganz Deutschland eigentlich immer kontrolliert werden kann. "Rassistische Denkmuster in der Polizei und der deutschen Gesellschaft werden auf diese Weise genährt und potenziert", schreiben die Autoren des Buches Spiegelblicke dazu auf VICE.

Schläge bei der Verkehrskontrolle

Wenn es nach der Polizei ginge, wäre dieses Video nie vor Gericht gezeigt worden, geschweige denn an die Öffentlichkeit gelangt. Es brachte nämlich die entscheidende Wende im Prozess, der klären sollte, ob Hüseyin Ercan bei einer Verkehrskontrolle 2014 zwei Polizisten angriff, wie diese behaupteten—oder ob es nicht doch eher andersrum war.

Die Bochumer Staatsanwaltschaft griff das Verfahren aufgrund des Videos neu auf, jetzt werden den Polizisten Körperverletzung und Verfolgung Unschuldiger vorgeworfen. Im Verfahren erklärte der beschuldigte Polizist, er sehe sich trotzdem im Recht—er habe den Speditionskaufmann Ercan für einen "nach seinen Kenntnissen angeblich verdächtigen Drogendealer und Gewalttäter" gehalten, der "Straftaten vertuschen wollte". Indem er ruhig an seinem Auto stand, offenbar.

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"Mit der MP in die Moschee" – Die Polizeischüler in Eutin

Ende 2014 wandten sich mehrere Polizeischülerinnen der Landespolizeischule Eutin an ihre Vorgesetzten, weil sie sich von einigen Mitschülern massiv gemobbt und sexuell belästigt fühlten. Tatsächlich kam bei den anschließenden Vernehmungen heraus, dass einige der Polizeischüler die Frauen ihres Jahrgangs routinemäßig mit dummen Sprüchen und sexuellen Übergriffen zermürbten. Bei der Untersuchung dieser Fälle stießen die Ermittler auf interne Whatsapp-Gruppen. Darin Bilder von NPD-Plakaten und Chats, in denen einzelne wiederholt klarmachten, dass sie "Kanacken" nicht auf der Dienststelle haben wollen oder sie "am Ortsrand sofort aussetzen" würden. Einer der Schüler erklärte, er hätte schon Lust, "mit der MP auch mal in eine Moschee reinzustürmen". Die Konsequenzen? Das eingeleitet Disziplinarverfahren wurde fallengelassen, ein Ermittlungsverfahren 2015 ebenfalls eingestellt, und die Polizeischüler gehen offenbar seit Anfang dieses Monats ganz regulär auf Streife.

"Armes Deutschland" – Hannover, die Zweite

Im Juni 2015 kam heraus, dass erneut in Hannover mehrere Bundespolizisten auf Facebook ihren Gewaltfantasien und ihrem Rassismus freien Lauf gelassen hatten.

Zum Beispiel postete einer der Beamten ein Bild einer Frau, die in Burka schwimmt, zusammen mit der Beschreibung: "Soll sie doch in Istanbul schwimmen gehen!" Anderswo geriet ein Kollege in Rage: "[…] Armes Deutschland! Ich hoffe das man sich irgendwann mal besinnt und diesem kriminellen Migrationsmob zeigt wo es langgeht!!" (sic!) Normale Rhetorik für einen Wutbürger. Wenn man überlegt, dass ein bewaffneter Polizist sich dazu berufen fühlen könnte, den Migranten mal den Weg zu zeigen, wird es beängstigend.

Fazit

Die hier aufgeführten Fälle sind—bis auf das Racial Profiling—in Deutschland nicht alltäglich. Trotzdem ist es albern, wenn Polizeigewerkschaftler immer wieder behaupten, Rassismus in der Polizei gebe es überhaupt nicht. Polizisten rekrutieren sich vor allem aus der deutschen Mittelschicht, und viele bringen deutsche Mittelschichtsvorurteile mit sich. Diese Einzelfälle sind die Blüten, die eine Kultur treibt, die nicht Biodeutsche potentiell für verdächtig hält.

Zustände wie in den USA herrschen bei uns noch lange nicht. Aber jeder rassistische Vorfall ist einer zu viel. Experten fordern schon lange eine unabhängige Kommission, die solche Zweifelsfälle klären könnte. Warum sich die Polizei und ihre Gewerkschaften immer noch mit Händen und Füßen dagegen wehren, bleibt ihr Geheimnis.