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Sex

Nerd Meets VICE

Eine Zeit wird kommen, in der wir die schnöde Welt der sexuellen Stofflichkeit mit all ihren unhygienischen Facetten aus Spucke, Schweiß, Sperma und Sekret hinter uns lassen.

Die Digitalisierung unserer „schönen neuen Welt“ schreitet mit ausladenden Schritten ungehindert voran: Google digitalisiert Bücher, Apple digitalisiert die Religion, dass auch der Krieg digitalisiert wird, zeigte der Angriff auf die iranische Energie-Infrastruktur im September letzten Jahres durch den Stuxnet-Wurm. Diese unausweichliche Entwicklung lässt auch die erste und durchgängig in allen Zeitaltern beliebteste Freizeitbeschäftigung des Menschen nicht außen vor und unterwirft auch sie dem digitalen Dekret. Dass der Mensch pseudoreale Surrogate für Sex sucht, liegt in seiner animalischen Natur, so ist es wenig verwunderlich, dass auch in der Rasterwelt aus Pixeln der Sex höher, schneller und weiter hinaus will. Die Zielgruppe ist hierbei überraschenderweise fast ausschließlich männlich. Die endgültige Digitalisierung von Sex und die Abschaffung des gefährlichen und unnötigen realen Austauschs von Körperflüssigkeiten ist eine unausweichliche Notwendigkeit. Sie wird das peinliche Gespräch am nächsten Morgen mit einem Menschen, den du kaum kennst, zu etwas machen, über das unsere Kinder nur den Kopf schütteln können–falls Körpersprache noch existieren sollte. Während es nie wirklich einen Nude-Code gab, damit Lara Croft im ersten Teil von Tomb Raider die Hüllen fallen lässt, wäre dies bei der damaligen Polygongrafik ungefähr so spannend gewesen, wie die Barbie oder Ken auszuziehen, um nachzuschauen, wie Lebensecht sie wirklich sind. Seit damals hat sich viel getan. Deshalb folgt hier nun der Zeitstrahl meiner Highlights, die sich als Pioniere in die sexuell anstößigen Gefilden der digitalen „Final Frontier“ gewagt haben. Mit all den schmutzigen Details, die du in deinem überflüssigen, analogen Liebesleben bisher immer vermisst hast.

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1981 – Softporn Adventure

In Retrospektive wirkt ein Textadventure über Sex ungefähr so aufregend, wie mit einem Mädchen erotische SMS zu schreiben, das einen Purity-Ring trägt und es überraschenderweise auch ernst meint. Der einzige Unterschied: In Softporn Adventure antwortet dir dein Apple II Computer und es dauert mindesten 30 Minuten Spielzeit, bis man überhaupt mit einer Frau ins Gespräch kommt. Der Grad des sexuellen Inhaltes des Spiels wird nicht durch die Leistungsfähigkeit deiner Grafikkarte bestimmt, sondern durch deine Vorstellungskraft. Dennoch bleibt dieses Spiel von Sierra On-Line erwähnenswert, als das erste Computerspiel, was wegen seines sexuellen Inhalts nur an Erwachsene verkauft wurde. Wenn du nicht zufällig einen Fetisch für grüne Neon-Schrift auf schwarzem Grund hast, ist das Stimulierendste an Softporn Adventure das Coverfoto. Da aber in den Anfängen der Computerspielindustrie alles low-budget produziert wurde, zeigte es keine heißen, halbnackten Models, sondern einfach nur die Frauen der Programmierer in einem Whirlpool. Das Spiel hat so viel Erotik, wie heimlich Zork während dem Informatikunterricht zu spielen, aber find es doch einfach selbst heraus. Um es zum Laufen zu bringen, musst du einen Emulator in einem Emulator laufen lassen, der dann wiederum das Spiel emuliert—so alt ist das Teil. Wenn dir das zu viel Arbeit für das echte Apple-II-Nostalgie-Feeling ist, kannst du es auch einfach hier direkt im Browser spielen. Aber damit verliert das Spiel selbst die Retro-Ausrede und ich kann dich einfach nur bemitleiden, wenn du es wirklich spielst.

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1982 – Custer’s Revenge

Custer’s Revenge, später neu rausgebracht unter dem Titel The White Man Came, ist nicht nur eine Affront gegen die Ureinwohner Amerikas, sondern auch noch das erste Videospiel, in dem sexueller Missbrauch von Frauen verherrlicht wird. Man könnte darüber streiten, was genau in dem Spiel eigentlich abgeht. Bei 128 Farben und 160x192 Pixeln kann man sich jede Menge obszöne Scheiße herbeifantasieren, wenn man den ganzen Tag daheim im Kämmerlein verbringt. Aber für mich ist das ganze eindeutig: Die Aufgabe des Protagonisten, General Armstrong Custer (Ähnlichkeit mit lebenden oder toten Personen rein zufällig), ist es, eine an einen Kaktus gebundene Indianerschönheit zu missbrauchen. So unschuldig wie beim Faschingshit Komm, hol das Lasso raus geht es hier nicht zu. Besonders abwechslungsreich ist das Spiel auch nicht. Erst versuchst du, von links nach rechts zu laufen, ohne vom „Regen“(?) getroffen zu werden, dann nimmst du Rache an einer vollbusigen Indianerbraut für all das Leid, das die Ureinwohner den amerikanischen Siedlern angetan haben—solange du willst, oder bis dir auffällt, wie bescheuert es ist.

1987 – Leisure Suit Larry

Ein Videospiel, für das man sich zwar immer noch schämen muss, aber dafür mit einer selbstironischen Prämisse. In diesem Adventure spielst du Larry Laffer, einen Mittvierziger, der an einem Freitagabend versucht, zwanzigjährige Babes aufzureißen. Dass sich dieser Aufhänger nicht besonders erfolgsversprechend anhört, war selbst dem Erfinder Al Lowe klar. Seinem kranken Hirn und seinem schmutzigen Humor ist es zu verdanken, dass Leisure Suit Larry noch heute zu den Klassikern gehört. Logischerweise ist deine „Suche nach Liebe“ ein desaströses Unterfangen und keine Aufreißergeschichte, sondern vielmehr eine Abhandlung davon, wie du dich von Frauen nach Strich und Faden verarschen lässt. Nach den Angaben von Al Lowe soll Leisure Suit Larry deshalb mehr von Frauen als von Männern gekauft worden sein—ich halte das aber für einen Marketing-Gag. Es ist auch das erste Computerspiel, das aktiv Werbung für Safer Sex macht: Solltest du beim Sex mit der Nutte vergessen, ein Kondom zu benutzen, explodiert dein Penis kurz darauf. Lass dir das eine Warnung fürs echte Leben sein. Die Serie war so erfolgreich, dass sie es bis zu einem siebten Teil brachte: Love for Sail! und dann eingestellt wurde, als die Produktionsfirma verkauft wurde. Nach acht Jahren Pause folgten dann 2004 und 2009 zwei weitere Teile, welche, abgesehen vom Namen, nichts mehr mit dem Original zu tun hatten. Seinen kruden Witz verlor das Spiel, als unser Loser Larry durch einen Aufreißer Anfang zwanzig ersetzt wurde, der ein Hottie nach dem anderen abschleppt. Vor Kurzem sammelte Al Lowe erfolgreich auf kickstarter.com Geld dafür, den ersten Teil der Serie neu aufzulegen. Ob man heute im Facebook-Zeitalter, noch ein Spiel braucht, das simuliert, wie man digital bei Frauen abblitzt, erscheint mir nicht gesichert.

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2001 – Conker’s Bad Fur Day

Nintendo und Sex? Du dachtest wahrscheinlich, dass wäre ein Paradoxon. Conker’s Bad Fur Day für den Nintendo 64 wurde eigentlich von Rare produziert, aber Nintendo hätte da sicher den Finger drauf halten können. Vielleicht lag es daran, dass dieses Spiel erst als kinderfreundliches 3D-Adventure angekündigt wurde, ganz im Stil von Super Mario 64 oder Banjo Kazooie, dann aber kurz vor dem Release nochmal komplett umgemodelt wurde. Vielleicht ist es da einfach unter Nintendos Argusaugen durchgerutscht oder es war sowieso egal, weil es einer der letzten Titel war, die für die bereits auslaufende Nintendo 64-Konsole produziert wurde. Der ganze Inhalt von Conker’s Bad Fur Day richtet sich an Erwachsene: Das Intro des Spiels beginnt mit exakt derselben Einstellung und Titelmelodie wie Uhrwerk Orange. Das Verhalten von Conker ist ähnlich egoistisch und gewaltverherrlichend wie Alex. Conker, das rote Eichhörnchen, wacht nach einer durchzechten Nacht auf, dann prügelt und pöbelt es sich im klassischen Action-Adventure-Stil durch einzelne Gebiete und muss Rätsel lösen. Ich bin mir nicht sicher, ob der Sexualhumor des Spiels mehr zu lächerlich oder kindisch tendiert, ich persönlich aber finde es affig, wenn man ein anthropomorphisches Zahnrad, das um Hilfe schreit, auf eine Stange montieren muss, um einen Blowjob zu simulieren. Selbst Conker ist im Spiel schockiert, nachdem er den Bienen dabei hilft, eine Sonnenblume mit Megabrüsten zu „bestäuben“, obszönes Gestöhne all inclusive. Nachdem sie vom Bienenkönig, der ein Stoner ist, hart rangenommen wurde, ist die Sonnenblume so dankbar, dass sie dich auf ihren Brüsten rumhüpfen lässt. Muss ich sonst noch irgendwas sagen? Danke, Nintendo! Nächstes Mal bitte besser hinschauen bei Second-Party-Entwicklern.

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2004 – Grand Theft Auto: San Andreas (Hot Coffee mod)

Dass man in Grand Theft Auto jede Menge Anstößiges tut, ist eigentlich aller Welt bekannt. Autos stehlen, für die Mafia arbeiten und Sex mit Nutten, alles Alltag in diesem Spiel. Aber das erfolgreichste Spiel für die Playstation hatte in seiner PC-Version den anstößigsten Inhalt. Tief im Code des Spiels versteckte sich der Hot Coffee mod: Dieses eigentlich deaktivierte Minigame modifizierte das Spiel nur leicht. Wenn du deine Freundin endlich soweit hast, dass sie dich auf einen „Kaffee“ nach drinnen bittet, ist das in der eigentlich veröffentlichen Version des Spiels nur mäßig spektakulär. Tatsächlich besitzt das Spiel ein ausgefeiltes mit ausgeliefertes Sex-Minigame, das durch den Hot Coffee mod aktiviert werden kann. In Amerika reichte bereits die Möglichkeit, ein Videospiel illegal zu modifizieren, dazu, das Rating von San Andreas von 17+ auf „Nur für Volljährige“ anzuheben, was dazu führte, dass es in vielen Läden nur noch hinter der Theke verkauft wurde.

2006 – RapeLay

Natürlich kommt das erste Spiel, in dem man in voller 3D-Grafik interaktiv Frauen vergewaltigen kann, aus Japan. Alles andere hätte mich ja auch gewundert. Du spielst jemanden, der eine Mutter und ihre zwei Kinder stalkt und anschließend vergewaltigt. Nach deutschem Recht wird Vergewaltigung mit zwei bis fünfzehn Jahren bestraft, Mord mit lebenslänglich. Warum es also jede Menge Spiele gibt, die Mordlust und Gewalt verherrlichen und die weniger kontrovers diskutiert werden, möchte ich lieber nicht erörtern. Da gerät man leicht aufs Glatteis. In Australien oder Argentinien wurde das Spiel verboten. Außerdem ist es aufgrund der Kritik an seinem kontroversen Inhalt mittlerweile weder in den USA noch in Deutschland leicht zu kriegen, weil es von den Zwischenhändlern boykottiert wird. In Japan, wo es her kommt, ist Erogē sogar ein eigenes Videospiel-Genre, weshalb sich dort fast niemand schockiert zeigte. Manchmal hat man mit den Frauen in diesen Games Sex auf freiwilliger Basis, oft muss man sie aber auch erst „brechen“. Ich breche auch gleich.

2010 – 3D Sex-Sim für Kinect

Gleich zu Anfang gab es ein Spiel für den Kinect von Microsoft, bei dem man Tiger streicheln darf. Da war es nur eine Frage der Zeit, bis eines folgen würde, bei dem man Brüste streicheln darf. 3D SexVilla 2 von ThriXXX ist vom Spielprinzip dasselbe wie RapeLay, nur eben ohne Rape. Ende 2010 wurde eine Version mit Kinect Motion Control namens 3D Sex-Sim angekündigt. Bisher gibt es davon leider nur ein Trailer-Video und auf meine E-Mail-Anfragen, wann ich es endlich bestellen könne, reagiert die Firma mit Schweigen. Dafür unterstützt das Spiel immerhin mittlerweile den VStroker, das ist kurzgesagt eine Taschenmuschi mit USB-Anschluss. Für 129,95 € ist dieses Gerät der erste Schritt in die richtige Richtung, um deinen Sex endgültig zu digitalisieren. „Die Bewegung deiner ‚Taschenlampe‘ kontrolliert, was auf dem Bildschirm passiert”, heißt es im Demovideo auf der Herstellerseite. Wenn das Teil so funktioniert wie beschrieben, ist dieses Gerät wohl der erste Controller für ein Videospiel, den man mit dem Schwanz bedient.

Diese Spiele sind Zeichen des Siegeszuges des digitalen Zeitalters. Eine Zeit wird kommen, in der wir die schnöde Welt der sexuellen Stofflichkeit mit all ihren unhygienischen Facetten aus Spucke, Schweiß, Sperma und Sekret hinter uns lassen und sie gegen die klinische Sauberkeit des digital gerenderten Schönheitsideals tauschen. Unsere Wollust wird in Nullen und Einsen darstellbar sein, unser Verlangen auf Knopfdruck stillbar sein. Traditionelle Spiele wurden bereits durch den Multiplayer-Modus revolutioniert. Da dieser heute den zentralen Bestandteil eines Videospieles ausmacht, wird diese Revolution auch bei den Sexvideospielen kommen. Der Tag, an dem mich meine Freunde bemitleidenswert anschauen, wenn ich ihnen von meiner Internetfreundin aus Japan erzähle, sind gezählt. Entfernung wird kein Hindernis für unsere digitale Liebe sein, wenn selbst das Körperliche durch die entsprechende Hardware ersetzbar wird. Die einzige Frage, die sich mir jetzt noch stellt: „Wie erkenne ich, dass mich eigentlich nur ein nackenbärtiger Fettwanst trollt?“