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Der Papst "mag" Schwule (Sex bleibt Sünde)

Alle jubeln über die Aussagen des Papstes über Homosexualität. Doch eigentlich übt er sich in einer nett daherkommenden, aber umso gefährlicheren Formen der Diskriminierung. David Berger, Chefredakteur von 'Männer', Deutschlands größtem Schwulenmagazin...

David Berger war vor seinem Outing einer der wichtigsten deutschen Theologen aus dem erzkonservativen Lager. Seitdem wurde ihm die Lehrbefugnis entzogen und er ist auch nicht mehr der Herausgeber von Theologisches, einer Zeitschrift für konservative Theologie, die er jahrelang geleitet hatte. Dafür ist er jetzt der Chefredakteur von Männer, Deutschlands größtem Schwulenmagazin, und schreibt ab und zu für uns. „Wer bin ich, über sie zu richten?“ Mit dieser rhetorischen Frage antwortete Papst Franziskus den vom Vatikan ausgesuchten Journalisten, die ihn auf seinem Rückflug von Lateinamerika im Flugzeug begleiten und auch nach dem päpstlichen Verhältnis zu Homosexuellen befragen durften.

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Homosexuelle an und für sich seien schon ganz OK, man müsse sie in die Gesellschaft integrieren, und die Kirche verbiete sogar deren Diskriminierung. Worte, die bei den Journalisten, aber auch bei einigen Schwulenaktivisten aus katholischen Ländern, fast so viel Begeisterung auslösten wie das „Bona sera“, das der Papst bei seiner Vorstellung auf der Loggia des Petersdoms statt des traditionellen „Laudetur Jesus Christus“ gebrauchte.

So sehr haben wir uns unter dem Papst aus Deutschland an einen neurotischen Schwulenhass aus kirchlichem Munde gewöhnt, dass uns solche Worte wie eine Revolution aufgeklärten Denkens und fairer Menschlichkeit erscheinen. So sehr, dass dann auch nicht mehr wirklich wichtig schien, dass Franziskus sofort ein großes „Aber“ nachschob: Das Praktizieren der Homosexualität sei selbstverständlich nach wie vor als schwer sündhaft zu verurteilen. Und dass sich Homosexuelle auch noch politisch organisierten, ja gar Lobbys bildeten, sei ohnehin unerträglich.

Solch einer Unterscheidung zwischen Veranlagung und Praxis liegt zunächst ein schwerer Denkfehler zugrunde: Ich kann nicht ganz toll finden, dass zum Beispiel ein Mensch die Fähigkeiten eines perfekten Pianisten hat, es aber dann als schwer verwerflich verurteilen, wenn er sich ans Piano setzt und das Spielen beginnt. Logisches und konsequentes Denken, das den Alt-Papst Benedikt auszeichnete, gehört halt nachweislich nicht zu den Stärken von Franziskus. Insofern wäre das noch verzeihlich, auch wenn man sich fragen kann, ob sein neuer Job geeignet für ihn ist. Zudem exerzierte der Papst mit seinen Aussagen aber auch in Perfektion jenen Mechanismus, der typisch ist für die nett daherkommenden, eher subtilen, daher aber umso gefährlicheren Formen der Diskriminierung.

Von den Stammtischen, die als Oasen rustikalen Denkens inmitten einer Umwelt vornehmer Political Correctness dienen, bis hin zu den Herrenabenden reaktionärer Studentenverbindungen kristallisiert sich solche Diskriminierung monoton in dem Satz: „Ich habe ja nichts gegen …, aber dass sie …, geht ja mal gar nicht!“ So auch Franziskus, der sinngemäß nichts anderes von sich gab: „Ich habe ja nichts gegen Homosexuelle an und für sich, dass sie aber auch homosexuell leben wollen oder sich gar erlauben, politisch tätig zu sein, und für ihre Rechte kämpfen, geht gar nicht.“

Auch wenn der Vergleich hinkt, da man im Unterschied zur sexuellen Veranlagung über die Konfession frei entscheiden kann, setze ich hier mal statt „Homosexuellen“ „Katholiken“ ein. Und frage den Papst, was er von solch einer Devise hält, nach der er seinen Laden umgehend schließen, zurücktreten und jeden Gottesdienst unterlassen müsste. Als Katholik, der von seinem Schöpfer sein Schwulsein als Geschenk und Aufgabe dankbar empfangen hat und der daher das Nicht-Ausleben dieser Sexualität mindestens als Unhöflichkeit seinem Schöpfer gegenüber betrachtet, frage ich Franziskus: „Ja, wer bist du, dass du über mich richtest?“