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Popkultur

'Blockbustaz' ist wie ein richtig schlimmer Autounfall

Man schaut hin und will wieder wegsehen. Warum die neue Serie mit Ferris MC, Eko Fresh und Joyce Ilg die reinste Katastrophe ist.

Glaube mir, es macht keinen Spaß, über Dinge kritisch abzukotzen. Und schon gar nicht über Menschen—selbst wenn es FPÖ-Politiker sind, die etwas sehr Dummes getan haben; ja selbst dann fühlt man sich wie ein Arschlochkind, das den großen Bruder bei den Eltern verpetzt, weil er die gesamte Schokoladenration heimlich aufgefressen hat. Aber manchmal lassen die Menschen oder ihre Werke einem einfach keine andere Wahl.

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Besonders unangenehm wird es, wenn man sich Filme oder, wie im Falle von Blockbustaz, ganze Serien vornehmen muss, denn dann trifft es nicht nur einen einzelnen Musiker und seine Platte oder einen einzigen Schriftsteller und sein Buch, sondern ein ganzes Team von Personen, die über Monate hinweg an ihrem Baby gearbeitet haben. Und doch: Wenn die gestern in der ZDF-Mediathek angelaufene und heute im Fernsehen anlaufende Serie Blockbustaz ein menschlicher Körper wäre und all die daran arbeitenden Schauspieler, Drehbuchautoren, Produzenten und Regisseure dessen Organe, dann haben wir es hier mit einem Fall von Multiorganversagen zu tun, es liegt eine Leiche vor.

Dagegen wird es schon schwieriger festzustellen, was für eine Spezies wir eigentlich vor uns auf dem Seziertisch liegen haben. Was will Blockbustaz überhaupt sein, mit was für Absichten sind die Macher an den Start gegangen?

In der Selbstbeschreibung auf der eigenen Homepage heißt es: „Blockbustaz ist eine skurrile Sitcom, die einen besonderen Mikrokosmos erzählt: einen Plattenbau in einem Kölner ‚Problemviertel'." Aha. Ein antibürgerliches Milieu also, „humorvoll und kurzweilig" erzählt. Ernst wird gepaart mit einem ihn brechenden Humor? Mit geißelndem Witz Kritik an bestehenden Verhältnissen üben? Mit Ironie Missstände anfahren—will Blockbustaz Satire sein? Dafür ist die gesamte Serie leider zu dumm, ihr fehlt nicht nur ein doppelter Boden, über weite Strecken hat sie gar keinen. Null Tiefe.

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Die Sitcom dreht sich um Sol, gespielt von Ekrem Bora a.k.a. Eko Fresh. Im Block aufgewachsen, Ausbildung abgebrochen, mit 30 von der Mutter vor die Tür gesetzt lebt er nun ein paar Stockwerke unter ihr mit seiner Freunden Jessica zusammen, gespielt von Joyce Ilg, deren Figur die Mutterrolle zukommt, nachdem ihre eigene Mutter früh verstorben ist und sie sich als die Älteste von drei Kindern um den Rest der Familie kümmern muss—inklusive dem Alkoholikervater, der lieber die Schulbücher der Tochter und den etwa zweijährigen Sohn für Bier und ein paar Münzen zum Spielautomaten beim Wirt verpfändet. Der Wirt (Ferris MC), gleichzeitig auch der beste Freund von Sol, akzeptiert die Pfandwährung, aber nicht ohne vorher nochmal in die Runde zu fragen, was so ein Kind eigentlich wert ist. Anscheinend genug. Dann kommt es rein in den Keller und Vatti kann am Automaten weiter Bier trinken und zocken.

Soll das witzig sein? Denn das ist es nicht. Soll sich da eine ironische Brechung vollziehen? Denn auch das passiert nicht; und selbst wenn, worauf soll da gebrochen werden? Machen das Alkoholiker so? Verpfänden sie ihre Kinder für eine Runde Book of Rah und zwei Runden Herrengedeck? Was ein Haufen Scheiße. Diese Darstellung—ob mit oder ohne den Anspruch, humoristisch zu sein—ist eine Beleidigung für jeden realen Bewohner einer Wohnblocksiedlung.

Sol ist natürlich arbeitslos bzw. sieht es als Arbeit an, dem Arbeitsmarktservice eine angebliche Asthma-Erkrankung vorzuspielen und auf diese Weise Berufsunfähigkeitsgeld zu beziehen. Ach ja, und er träumt davon, Rapper zu werden. Wie platt die ganze Serie konzipiert ist, zeigt sich allein schon an der Szene im Jobcenter, als Sols Sachbearbeiterin ihm auf die Schliche kommt, dass er raucht:

„Sie haben angegeben, dass Sie auf Grund von Asthma keiner geregelten Arbeit nachgehen können? Aber zum Rauchen reicht es, oder?"
„Ach so nee, das war Mentholzigarrette. Die sind ja eher erfrischend. Ist alles mit den Ärzten abgestimmt."

Eine brillante Milieuschilderung, chapeau. So sind wir Kanacken, Polacken und Russen: Amt bescheißen, aber immer noch einen flotten Spruch auf Lager. Die übrigen Figuren sind derart scherenschnittartig gezeichnet, dass sie selbst die Bezeichnung ‚Stereotyp' nicht wirklich verdienen, … Schablonenmenschen vielleicht. Natürlich sitz der Alki-Vater irgendwann ohne Hose lallend auf einer Parkbank, schwach gespielt übrigens von Andreas Hoppe, der auch schon im Ludwigsburger Tatort Emotionalität mit Lautstärke verwechselt—ein Grund, weshalb das Kommisarenduo um Lena Odenthal und Mario Kopper auf dem heimischen Fernseher so schwer zu ertragen ist: Es wird mehr geschrien als gespielt. Doch weiter im ZDFneo-Programm.

Die wirklich, wirklich beste Szene kommt bei Minute 15, als sich Sol bei seinem Buddy, dem Wirt und Pizzabäcker Ferris MC, über seinen ersten Arbeitstag als Hausmeister beschwert und ihm dann noch vor Augen hält, dass er diesen „ausbeuterischen" Job mit „nur einer halben Stunde Mittagspause" noch ganze 14 Tage durchhalten muss. Der Teig knetende Schankmeister reagiert auf das Wehklagen mit einer Weisheit, die mir in ihrer Absurdität dann endgültig einen mittelleichten Herzkasper bescherte: „Ein Frosch ohne Humor ist auch nur ein kleiner grüner Haufen." Auf diese sagenhafte Sentenz reagiert sogar Sol einmal angebracht: „Was?!" Darauf führt Zen-Meister Ferris weiter aus: „Ja Mann, hat dieser, hier, dieser andere Frosch aus der MuffinShow gesagt. World keeps turning, Alter!" Alles klar, reicht, keine weiteren Fragen, Euer Ehren.

Das Traurige an diesem „Dialog" ist, dass er von zwei wirklich talentierten Rappern gesprochen wird, die mit ihren Werken maßgeblich zur Sprachkultur der Jugend beigetragen haben. Ihnen muss doch aufgefallen sein, dass kein Mensch auf dieser Erde so spricht und wie kann eine Person wie Ferris MC, die als Teil von Deichkind immer noch den Coolness-Puls der Zeit wenigsten noch ein bisschen mitbefeuert, solche Zeilen über seine Lippen bringen, ohne dass ihm die Kiefermuskeln krampfen?

Einziger schauspielerischer Lichtblick ist Kida Ramadan, auch bekannt aus seiner guten Performance in UMMAH - Unter Freunden; ihm schaut man wirklich gerne zu, aber auch er kann nur im Rahmen eines ihm auferlegten Charakters spielen, der begrenzter ist, als es das eingezäunte Sachsen-Anhalt unter der Rechten wäre.

Was bleibt ist die Frage nach dem Warum? Warum glaubt das Zweite Deutsche Fernsehen, dass das, was Blockbustaz auf die Waage legt, in irgendeiner Form Substanz haben könnte? Denn davon müssen die Programmchef-Etagen doch ausgehen, ansonsten hätten sie davor zurückgeschreckt, das hauseigene Neo Magazin Royale vor den Karren der Crosspromotion zu spannen. Stattdessen wurde in der aktuellen Folge vom 17.03. so offensichtlich und bestimmt die Werbetrommel für Blockbustaz befeuert, dass es selbst Böhmermann peinlich wurde, als er Teile der eigenen Sendezeit für die Inszenierung der beiden Hauptfiguren hergeben musste.

Jetzt mag sich der ein oder andere Leser fragen: „Junge, was los mit dir? Beruhig dich, ist nicht gut für deinen Blutdruck, das ist doch nur eine Serie, komm runter, du musst es ja nicht anschauen." Nein, ich muss es nicht anschauen und ich will auch nicht wie ein verbitterter Rentner mit dem Argument um die Ecke gekrochen kommen, dass für so einen Unfall meine Rundfunkgebühren in Deutschland verbraten werden, denn auf die gefühlten 0,00000000000000001 Cent, die ich zu dieser Serie beigetragen habe, ist geschissen—und ohnehin bezahle ich die Gebühren gern. Film, Musik, Radio und Fernsehen ermöglichen und erhalten Kunst und Kultur, wir brauchen das.

Wütend stimmt mich dagegen die Entscheidung der Programmchefs, die zur Verfügung stehenden Gelder wieder für ein Konzept herzugeben, bei dem man ein dahingerotztes Drehbuch und unterirdisches Schauspiel für den Preis von ein paar großen Namen und flachen Gags kauft. Die Devise: Eko Fresh als Aushängeschild gepaart mit Gastauftritten von Moritz Bleibtreu, Jürgen Drews und Frederick Lau (fehlt nur noch Til Schweiger) werden es quotentechnisch schon richten. Es stimmt mich wütend, weil hier antiquierten Konzepten der Vorzug gegenüber jungen, hungrigen, talentierten Drehbuchautoren, Schauspielern, Kameraleuten und Regisseuren gegeben wird, die in ihren Startlöchern hocken, aber nicht die Mittel dazu bekommen, aus ihnen heraus und uns ins Bewusstsein zu schießen.

Filme wie jüngst Viktoria zeigen, dass das Kino hierzulande so einiges kann, das Gleiche gälte auch für das Fernsehen, wenn man nur fähige Leute ranließe—und die muss es da draußen geben, denn ich weigere mich zu glauben, dass Blockbustaz die beste Wahl aus den zum Angebot stehenden Möglichkeiten war, das darf einfach nicht sein, denn dann würden wir entgegen aller leibnizscher Wunschvorstellungen in der schlechtesten aller möglichen Welten leben. Und da hab' ich kein' Bock auf.

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