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​Meine Ehe wurde arrangiert, trotzdem bin ich Feministin

Meine Ehemann ist für mich so etwas wie eine breitschultrige, stoppelige Version von Beyonce. Er ist überzeugter Feminist und hat einen traumhaft knackigen Hintern.
Foto: ​Zainubrazvi | ​Wikimedia Commons

Ich habe mich in meinen Ehemann verliebt, nachdem ich ihn geheiratet habe.

Wir wurden einander von einem gemeinsamen Freund der Familie vorgestellt und haben uns nur zweimal getroffen, bevor wir geheiratet haben. Keiner von uns hatte vorher eine Beziehung und wir haben vorher auch nicht zusammen gewohnt. Obwohl die Chancen gegen uns standen, sind wir nun seit fast fünf Jahren glücklich verheiratet. Das war die schnellste und beste Entscheidung, die ich je getroffen habe.

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Es ist auch eine Entscheidung, für die ich mich bis an mein Lebensende werde rechtfertigen müssen. Es ist eine Entscheidung, die Fremde automatisch dazu bringt, mich zu verurteilen. Eine Entscheidung, die meine Freunde—die ihren eigenen Eltern niemals erlauben würden, ihnen einen Partner auszusuchen—als „vorprogrammierte Katastrophe" bezeichnet haben. So, als ob ich Thunfisch, die Flüssigkeit vom Boden eines Mülleimers und Mehl mit Backpulver mischen und zum Mittagessen essen wollte.

Es ist schwer für manche Menschen zu akzeptieren, dass eine Frau wie ich sich Feministin nennt. Ich bin aber zweifelsfrei eine Feministin. Ich habe eine Vagina und ich weigere mich zuzulassen, dass mich das weniger machtvoll, ehrgeizig oder erfolgreich machen sollte als jemanden ohne Vagina. So einfach ist das.

Wie konnte ich das also tun? Wie konnte ich zulassen, dass meine Familie in so einem bedeutenden Teil meines Lebens vermittelt? Nun, ich denke, dass arrangierte Ehen wohlbedacht werden. Es handelt sich nicht um eine ​Zwangsheirat, die verabscheuungswürdig, unterdrückend und eindeutig nicht islamisch ist. Eine arrangierte Ehe, eine, der sowohl die Braut als auch der Bräutigam liebend gern zustimmen, kann tatsächlich richtig süß sein.

Meine Eltern, Großeltern, Tanten und Onkel sind alle arrangierte Ehen eingegangen. Viele dieser Ehe waren glücklich, viele endeten mit Scheidungen, genauso wie „normale" Ehen auch. Als meine eigene Heirat arrangiert wurde, dachten meine Freunde, dass ich verrückt geworden sei. Jedes Mal, wenn ich die Heirat erwähnte, sahen sie ratlos und angeekelt aus, als ob ich mir Kot ins Gesicht geschmiert hätte und den jetzt ablecken würde, während ich „Oh, lecker" sagte.

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Meiner Meinung nach sah ich die Ehe aber einfach mit anderen Augen als sie. Schließlich ging es um dasselbe: ein Versprechen, Ehrlichkeit, Freundschaft, Unterstützung, alles, was dazugehört. Nur, dass ich es anders interpretierte.

Für mich stellt die Ehe eine Reise in Richtung Liebe dar, sie ist kein greifbares Kennzeichen ihrer Präsenz. Es geht um Sicherheit, Freundschaft und ein Abenteuer mit einem Menschen, der meine Werte teilt und von Anfang an mit dabei ist.

Meine Eltern sind ein großartiges Beispiel für eine erfolgreiche arrangierte Ehe und dasselbe habe ich mir für mich gewünscht. Mein Vater macht meiner Mutter immer noch jeden Morgen das Frühstück. Meine Mutter schimpft ihn immer noch aus, wenn er Doughnuts mit Cremefüllung isst, färbt ihm die Haare und betet für seine Gesundheit. Vor mir behauptet er immer, dass sie ständig nörgele, aber er sagt ihr bei jeder Gelegenheit, dass er sie liebt. Wenn sie schlafen, schnarchen sie synchron. Sie sind ein keuchendes, nächtliches Orchester aus Schnief- und Grunzlauten. Genauso so etwas wünschte ich mir für mich selbst.

Einen Partner für mich zu finden, war nichts, was meine Eltern auf die leichte Schulter genommen hätten. Ihre Herangehensweise war durchdacht und rational, wie im Falle vieler anderer Eltern auch, die dasselbe für ihre Kinder tun. Es hatte nichts mit glücklichem Zufall, Romantik oder körperlicher Anziehung zu tun. Sie wollten einen netten, bescheidenen jungen Mann finden, der mich respektieren und gut behandeln würde.

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Meine Mutter recherchierte zu jedem Mann, der in Frage kam, überprüfte die Angaben zu seiner Ausbildung, seinem Beruf, seinem Alter und seiner Größe und sprach mit seinen Bekannten, um sicher zu gehen, dass es sich nicht um einen Psychopathen handelte. Sie war keine Expertin darin, aber sie wurschtelte sich irgendwie durch, wie ein kleiner, kurviger Inspektor Gadget, und tratschte mit anderen muslimischen Müttern in unserem familiären Netzwerk und darüber hinaus.

In den meisten Fällen erhielt sie eine E-Mail mit Angaben zum Lebenslauf und einem Foto von den Eltern des Mannes, einem gemeinsamen Mittelsmann oder einem Heiratsvermittler. Diese Art von Heirat ist quasi die Luxusversion von Ok Cupid, nur dass die Familie sich um das Matching kümmert und nicht irgendeine Internetsoftware.

Wenn das Profil des Mannes nicht gerade auf dem „Durchgefallen"-Haufen landete, wurde ein Treffen verabredet, fast wie ein Blinddate, nur das ein Elternteil als Aufsichtsperson dabei war und man sich am Ende des Gruppen-Rendezvous nicht küsste. Die meisten Treffen finden bei der zukünftigen Ehefrau zu Hause statt. Ich aber habe meinen zukünftigen Ehemann das erste Mal in einem Travelodge-Café getroffen. Ja, das stimmt. Wahrscheinlich bin ich die erste Person, die sagt, dass kleine Süßstoffpäckchen, klebrige Teelöffel und billiges, angeschlagenes Geschirr ein Wegbereiter für die große Liebe sein können.

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Heutzutage registrieren sich junge Menschen auf islamischen Dating-Seiten, wenn sie niemanden über ihren Freundeskreis finden können. Im Islam ist vorehelicher Sex verboten, weshalb eine Ehe die einzige Möglichkeit für ein bisschen Action im Schlafzimmer ist.

Meine Eltern wollen den Mann und seine Familie zuerst treffen, bevor sie ihn mit ihrer Tochter sprechen lassen, um sicher zu gehen, dass sie niemandem auf den Leim gegangen sind. Das alles sollte mit der Zustimmung der zukünftigen Eheleute geschehen. Niemand wird gezwungen, sich mit jemandem zu treffen oder eine Ehe einzugehen, nur weil die Eltern den Bewerber mögen. Das ist ein Mythos. Es ist stattdessen eher ein entspanntes Treffen, währenddessen man sich unterhalten und herausfinden kann, ob der Funke überspringt. Trotzdem ist es natürlich ein Glücksspiel, egal, wie viel man vorher recherchiert hat. Wir reden hier davon, zwei Menschen auf eine Reise in das Abenteuer einer Beziehung zu schicken. Das ist selbstverständlich ein Risiko.

Vor der Hochzeit können sich die Familien so häufig treffen, wie sie wollen, aber normalerweise wird die Entscheidung sehr schnell getroffen. Die Eltern des Mannes halten um die Hand der Frau an, wozu die Frau nein sagen darf. Sie ist nicht dazu verpflichtet, ja zu sagen. Allein sie trifft am Ende die Entscheidung.

Für mich war die Sache schon sehr früh klar. Meine Eltern waren zufrieden mit ihren Rechercheergebnissen und als wir uns trafen, begegnete mir mein „Verehrer" mit authentischer Liebenswürdigkeit. Er war zudem der attraktivste Mann, den ich je gesehen hatte, und da ich den Großteil meiner prägenden Jahre als großes, übergewichtiges Mädchen mit Damenschnurrbart und Doppelkinn verbracht hatte, war ich sofort damit einverstanden, mich mit so einem Schnuckelchen zu verloben. Ehrlich gesagt fühlte es sich an, als ob ich bei „Wer wird Millionär" gewonnen hätte.

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Andere Frauen mögen den Verlauf meiner Ehe verurteilen, aber meine Entscheidung für eine arrangierte Ehe war absolut feministisch.

Ich hatte alle Trümpfe in der Hand. Ich konnte jederzeit nein sagen. Ich hatte immer das Gefühl, dass ich die Kontrolle habe. Meine Rechte wurde geachtet und ich wurde zu keiner Zeit dazu überredet, eine Entscheidung zu treffen, mit der ich mich nicht wohlfühlte. Von daher bin ich immer perplex, wenn andere mich fragen, wie man eine arrangierte Ehe führen und dennoch Feministin sein kann. Der Islam und der Feminismus schließen sich meiner Meinung nicht aus und die muslimischen Frauen—und Männer—in meinem Leben sind alle überzeugte Feministen, die bewusst partnerschaftliche, erfolgreiche Beziehungen zueinander aufbauen.

Außerdem musste ich mir nie Sorgen darüber machen, dass ich allein bleiben würde. Das mag jetzt vielleicht sehr nach Bridget Jones klingen, doch die Angst davor, als alte Jungfer zu enden, treibt viele Frauen um, die ich kenne. Ich würde nicht allein bleiben, Sporen bilden und nach muffigen Fürzen riechen. Die Ehe—oder auch eine lange, erfüllende Beziehung mit einem liebenswürdigen, lustigen, unterstützenden Menschen—war nichts mehr, weswegen ich mich verrückt machen musste. ich konnte mich auf meine Ausbildung und meine Karriere konzentrieren, ohne mich mit dem permanenten Druck auseinandersetzen zu müssen, meinen Seelenverwandten finden zu müssen. Tatsächlich gibt es den Ausdruck „Seelenverwandter" im Wortschatz meiner Familie gar nicht. Mir wurde beigebracht, dass man sich Mühe geben musste, wenn eine Ehe funktionieren soll, dass man Kompromisse eingehen und auch mal zurückstecken muss, dass man einander Respekt entgegenbringen muss, um eine Freundschaft in Liebe zu verwandeln.

Mein Ehemann ist für mich so etwas wie eine breitschultrige, stoppelige Version von Beyonce. Er ist überzeugter Feminist und hat einen traumhaft knackigen Hintern. Er unterstützt mich bei jedem meiner Unterfangen. Ich habe ihn nicht von Anfang an geliebt, doch seine Liebenswürdigkeit umschloss mich mit der Zeit wie ein Burggraben und schon bald konnte ich ihm nicht mehr widerstehen. Am Anfang unsere Ehe betankte er das Auto meines Vaters und hörte sich dieselben Fragen meiner vergesslichen Großmutter immer und immer wieder an, ohne dabei gelangweilt auszusehen. Er wurde zu meiner Wohlfühlzone. Es fällt mir schwer einzusehen, weshalb es eine Rolle spielen soll, auf welche Weise wir an dem Punkt angekommen sind, an dem wir in unserer Ehe jetzt sind.

Jede Beziehung hat ihre Höhen und Tiefen, egal ob man verheiratet ist oder nicht. Manche überdauern, andere nicht. Ich hatte mit meiner Liebesgeschichte, die mit der Hochzeit begann und sich von Freundschaft zu Liebe entwickelte, sehr viel Glück. In meinen Augen sind arrangierte Ehen alles andere als rückständig.

Foto: Zainubrazvi | Wikimedia Commons