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Sex

​Die Geschichte des 'ÖKM' und von sexueller Befreiung Österreichs

Herausgeber Peter Janisch ist so etwas wie der österreichische Larry Flynt. In den 70ern hat er erstmalig Sexhefte und Kontaktanzeigen ins Alpenland gebracht.

Ich kann mich noch daran erinnern, wie ich als präpubertärer Zwerg auf einem Pfadfinderlager das erste Sexheft meines Lebens in den Händen gehalten habe. Wir wurden natürlich erwischt, und weil es die späten 80er waren, haben wir wegen ein paar nackten Frauen auf Papier ziemlichen Ärger bekommen—aber das war es wert. Wahrscheinlich hat jeder von uns eine ähnliche Geschichte über die ersten Erfahrungen mit Heftchen, Videokassetten, rotbeleuchteten Shops—oder auch pixeligen Pornos, falls ihr zu den Jüngeren gehört. In meiner Generation waren es jedenfalls Magazine und davon gab es in Österreich nur genau eins, das auf lokaler Ebene mit Penthouse, Playboy oder Hustler mithalten konnte—das Österreichische Kontaktmagazin, kurz ÖKM.

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Das ÖKM hat—einerseits als Magazin, andererseits als gleichnamiger Verlag—ziemlich klein angefangen und sich über 35 Jahre hinweg zu einer international und intermedial breit vertretenen Marke hochgearbeitet. Die essentielle Innovation des Magazins war die Verbindung von Sex-Content mit Kontaktanzeigen, die Österreich aus seinem prüden Winterschlaf der 70er und 80er gerissen und gewissermaßen in die sexuelle Neuzeit katapultiert hat.

Foto von Stefanie Katzinger

In den Zeiten lange vor Chatrooms, Live-Cams und Online-Dating fanden Menschen hier eine Plattform, um sexuelle Freiheit auszuleben. Für diesen Artikel haben wir uns direkt mit Peter Janisch, dem Gründer des ÖKM, über das prüde Österreich, Pornografie und seinen Werdegang unterhalten.

Außerdem verdanken wir ziemlich viele Hintergrundinfos den akademischen Arbeiten Der ÖKM-Verlag: Erotik, Sex und Pornografie in Österreich ab den 70er Jahren von Johann Heinrich, Pornografie in der Mediengesellschaft von Miriam Freudenberg und einem Vortrag zur Pornografiegesetzgebung in Österreich.

Österreichs Porno-Konservativismus

Pornografische Publikationen oder „Herrenmagazine" gibt es in Europa schon seit dem 19. Jahrhundert. In Deutschland brachte der Verleger F. W. Koebner im Jahr 1923 das erste Magazin heraus, das hauptsächlich nackte Frauen abbildete. Anfang der 1950er trat in Österreich das Pornografiegesetz in Kraft, das reaktionäre gesellschaftliche Moralvorstellungen stärker forcierte, zum Teil noch Paragrafen aus der Zeit Maria Theresias datierte und sich zwei Dinge auf die Fahne geschrieben hatte: „Die Bekämpfung unzüchtiger Veröffentlichungen und den Schutz der Jugend gegen sittliche Gefährdung."

Die Regierung hatte Angst, dass der Krieg die Menschen verroht hätte und versuchte, vielleicht nicht ganz durchdacht, mit Repression dagegen anzukämpfen. Jede auch noch so kleine Reizung der Lüsternheit—oder „Irreführung" des Geschlechtstriebs—wurde strafbar gemacht und die Gesetzeslage letztlich sogar gegenüber der vorangehenden verschärft.

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Die Grundtatbestände der österreichischen Rechtsvorschriften aus 1950 bestehen bis heute und das trotz vieler Anpassungen und Umformulierungen über die Jahrzehnte hinweg, meistens aufgrund gesetzlicher Widersprüchlichkeiten—und schwammiger Definitionen von „Pornografie" und „Unzüchtigkeit", deren Auslegung immer im willkürlichen Ermessen der einzelnen Richter lag.

Genau in diesen frisch zugeknöpften Jahren wuchs der 1942 geborene Peter Janisch auf. In seinen Teenager-Jahren wurde er Zeitzeuge der ersten täglich nur halbstündig programmierten Fernsehsendungen Österreichs—während in Amerika der frisch gebackene Playboy mit seinen Bunnys, qualitativ anspruchsvollen Autoren wie Stephen King, Jack Kerouac oder Ernest Hemingway und Werbeanzeigen von großen Markennamen berühmt wurde.

Wie in jeder guten Biopic-Geschichte musste sich Janisch mit Jobs wie Kofferträger, Kohlenschaufler oder Hilfsportier herumschlagen—gerade nach seiner Fotografenlehre in Wien und einer Anstellung in der Filmkopieranstalt Listo. Aus familiären Gründen hatte es ihn nämlich nach Linz verschlagen, wo es für einen Mann aus dem Filmbusiness nichts zu tun gab. Schreiberisches Talent brachte Janisch dann zum Oberösterreichischen Wochenblatt, für die er seine ersten Geschichten schrieb.

Peter Janisch, nach seiner Rückkehr von der Berichterstattung in Tschechien, während des Prager Frühlings, 1968

Damit startete Janisch seine Karriere im Verlagsgeschäft. Es folgten freie Beiträge für die Boulevardzeitung Echo der Heimat—damals ein lokales Pendant zur Bild-Zeitung—, diverse andere Magazine und schließlich für den damals neu gegründeten oberösterreichischen Ableger der Kronen Zeitung.

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Eine Ausgabe des deutschen Herrenmagazins St. Pauli Nachrichten machte Janisch auf eine riesige Marktlücke in Österreich aufmerksam. So fiel seine finanziell weitsichtige Entscheidung, selbst so ein Format herauszubringen. Diese hatte aber erstaunlich wenig mit Sex selbst zu tun und erstaunlich viel mit Janischs Geschäftssinn. „Wenn ich damals der Meinung gewesen wäre, eine Schrebergarten-Zeitung könnte der große Renner sein, aus welchen Gründen auch immer, dann hätte ich eine Schrebergarten-Zeitung gemacht", sagt Janisch selbst.

Der Nacht-Bote erschien erstmals im November 1970. Janischs Heft gab es für 10 Schilling zu kaufen. Da der frisch gebackene Verleger seine Identität im Impressum relativ schlecht als „Felix Janisch" getarnt hatte, wurde er bei der Krone kurz darauf fristlos entlassen.

Das vom Pech verfolgte Prequel des ÖKM

Der Nacht-Bote war die erste rein österreichische Sex-Zeitung. Mit einer Auflage von 5.000 Stück und 32 Seiten kam Janischs Erstlingsheft drei Jahre vor Hustler auf den Markt, Sexhefte, der in der Handhabung des Business einige Ähnlichkeiten aufwies.

Das amerikanische Magazin Hustler von Larry Flynt bildete im Gegensatz zu den jungen, dem Schönheitsideal entsprechenden Models der Konkurrenz Frauen nahezu jeden Alters, jeder Ethnizität und jedes Körpertyps ab. Hustler blieb dabei—auch imververe Unterschied zu Penthouse und Playboy—komplett unpolitisch.

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In dieser Zeit entstand auch der Ausdruck des „Spread Beaver", die geöffneten Schamlippen des Fotomodels, was die davor herrschenden sogenannten „pubic wars" ziemlich ad absurdum führte. Die Schamhaar-Empörungen wurden 1971 vom Penthouse losgetreten—dem ersten Männermagazin, dessen Fotos die Intimfrisur eines Models abbildeten.

Nur so viel zum Klischee des „prüden Amerikas": In Österreich wurde Janisch zur exakt gleichen Zeit von „Pornojäger" Martin Humer mit Anzeigen und Dienstaufsichtsbeschwerden überschwemmt—wegen der fehlenden Sittsamkeit der Publikation. Janischs Verlag musste ständig mit den damaligen Zuständen kämpfen: „Also das war die absolute Steinzeit, das kann heute keiner mehr glauben", sagt Janisch.

Pornojäger Martin Humer schuldete nach etlichen Anzeigen Prozesskosten. Bei der Einforderung des Gelds wurde er handgreiflich gegenüber den Waizenkirchener Gendarmen.

47 Mal wurde der Nacht-Bote beschlagnahmt, woran auch die bereits erwähnte schwammige Gesetzeslage schuld war. Insgesamt 15 Vorstrafen fuhr Janisch bis 1974 ein, zum Großteil wegen Humers Kreuzzug gegen Sexhefte. Die katholische Kirche Österreichs hat sich interessanterweise nie mit Humer solidarisiert und bis heute nicht ein einziges Mal versucht, etwas gegen Janischs Publikationen zu unternehmen, wie er in unserem Interview unterstreicht.

Lest auf Seite 2, wie erschreckend lange homophobe Gesetzeslagen in Österreich vorherrschten und wie das ÖKM eigentlich aus Trotz gegenüber Humer entstand.

Pornografie-Fälle unterlagen in Österreich damals noch dem Wiener Jugendgerichtshof, vor dem Janisch als erwachsener Mann mehr als nur einmal sein Magazin verteidigen musste. Er erzählt uns, dass er auf eine Anfrage und Bitte nach konkreten Gesetzesrichtlinien für seine Sexzeitung die richterliche, offensichtlich planlose Antwort bekam: „Herr Janisch, ich weiß es selber nicht. Aber prozessieren Sie einen Präzedenzfall bis zum Obersten Gericht, dann gibt es endlich auch für uns klare Richtlinien." Nacktheit in Print wurde damals fast ausnahmslos zur Anzeige geführt. Es war auch strafbar, zwei Frauen—geschweige denn zwei Männer—unbekleidet oder in verfänglicher Situation miteinander abzubilden.

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Allgemein bestand in Österreich bis 1971 ein Totalverbot männlicher und weiblicher homosexueller Beziehungen. Drei Jahre darauf wurde das Pornografiegesetz aktualisiert, aber auch mit neuen, deutlich in die Gegenrichtung gehenden Sonderstrafbestimmungen für Homosexualität, wie dem Verbot der „Werbung für Unzucht mit Personen des gleichen Geschlechts oder mit Tieren (§ 220 StGB 1974)".

Also das war die absolute Steinzeit damals, das kann heute keiner mehr glauben

Die Darstellung von Homosexualität wurde bis 1997 (!) mit Kinderpornografie und Sex mit Tieren gleichgesetzt, weshalb man bis kurz vor dem Ende des Jahrtausends in österreichischen Medien keine Darstellungen findet, die auch nur als homosexuell interpretiert werden könnten.

Fotos von Penetration, Masturbation oder lesbischer Sexualität veröffentlichte Penthouse ebenso wie Hustler auch erst ab dem Jahr 1998. Die globale Gesetzeslage der Pornografie in Medien hat sich in den Jahren darauf komplett und exponentiell schnell verändert.

Peter Janisch hatte wie Larry Flynt keine redaktionelle Richtlinie in Bezug auf seine Fotomodelle. Er erzählt, dass die Frauen, die sich für Der Nacht-Bote fotografieren ließen, aus allen Bevölkerungsschichten stammten, Ärztinnen, Bedienstete am Landesgericht, quer durch die Demographie. Es gab auch keine professionellen Models wie heute—und gerade darin lag der Reiz, meint Janisch: „Die Fotos waren lebensnaher. Ich wollte einfach einen Spiegel der sittlichen Einstellung und der Lüsternheit der Bevölkerung schaffen."

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Janischs selbstbenannter „Kampf für die Intimfreiheit" beinhaltete auch eine starke Befürwortung von besserer Aufklärung in Österreich. Verhütung sei das Wichtigste und Schwangerschaftsabbruch, so Janisch, natürlich immer nur die allerletzte Notlösung.

Ein sexuell aufklärerischer Beitrag einer Medizinerin im Nacht-Bote wurde dann von den Gerichten einfach umgedeutet; ihrer Meinung nach konnte der Leserkreis einer billigen Sexzeitung nur aus der ungebildeten Unterschicht stammen, weshalb sexualwissenschaftliche Inhalte dort vom ÖKM-Verlag nur als Pornografie missbraucht würden. Peter Janisch meint in unserem Gespräch empört: „Da wurde der Durchschnittsösterreicher zum Depp herabqualifiziert."

Weil die Leser in den Augen der Justiz sowieso dumm sein mussten, mutmaßte man also auch gleich über das Kalkül der Redaktion. Intelligenz wurde in einem gedanklichen Kurzschluss mit Kaufkraft und sozialem Status gleichgestellt.

Der aufklärerische Beitrag einer deutschen Medizinerin in ,Der Nacht-Bote', der von den Gerichten zur Pornografie umgedeutet wurde.

Abos und Eigenerhebungen des Verlags zeigen aber, dass der Leseranteil an akademisch gebildeten Leuten beziehungsweise aus dem bürgerlichen Milieu—schon in Zeiten von Der Nacht-Bote und verstärkt beim ÖKM—sehr hoch war. Diese Erhebung war damals möglich, da die Redaktion einen direkten und engen Kontakt zu den Verkaufsstellen pflegte. Mit anonym gehaltenen Befragungen wurde sich über die Käuferschicht informiert.

Mitte der 70er wurde Janischs Nacht-Bote verbreitungsbeschränkt und war damit in manchen Bundesländern unterschiedlich oder teilweise auch gar nicht erhältlich. Also wandte der für Österreich äußerst wandlungsfähige und flexible Jungverlag einen Trick an und entwickelte „Mutationen" mit den gleichen Inhalten, aber anderen Namen: Es gab Freier Nacht-Bote nur für Oberösterreich, dann auch Internationaler Nacht-Bote, Der Abendbote und so weiter.

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In dieser Zeit entstand auch der kleine „Ilse's Sex Shop" samt einem halblegalen, geheimen Pornokino in Linz. Benannt war der Laden nach Ilse Janisch, der Frau und Geschäftspartnerin von Peter Janisch, die 2011 nach 48 Jahren Ehe an Krebs verstarb.

Martin Humers Aktionen haben mich so sehr geärgert, dass ich entschied, eine neue Sexzeitung zu machen. Ganz Österreich fällt vor diesem Pornojäger auf die Knie, das darf nicht sein. Da habe ich das ÖKM gemacht!

Der bemerkenswerte Wendepunkt für Janischs Verlagslaufbahn kam kurz nach dem frustrierten Entschluss, das Geschäft mit den Sexzeitungen hinzuschmeißen. Österreich sei verbrannte Erde für Sexmedien, gerade mit fanatischen Feinden wie Martin Humer.

Trotz der erwähnten Konkretisierung der Pornografierichtlinien Mitte der 70er setzte Humer weiter alle Leute im Sex-Business unter Druck. Janisch sah sich buchstäblich aus Trotz gezwungen, das ÖKM zu gründen: „Martin Humers Aktionen haben mich so sehr geärgert, dass ich entschied, eine neue Sexzeitung zu machen. Ganz Österreich fällt vor diesem Pornojäger auf die Knie, das darf nicht sein. Wir wussten ja nun genau, was rechtlich erlaubt ist und da habe ich das ÖKM gemacht!"

Lest auf Seite 3, wie das ÖKM als sexuelles Ventil für die österreichische Bevölkerung explodierte/-pandierte und, dass man in einer Annonce besser nicht nur über die Genitalien schreiben sollte.

Die Geburt einer österreichischen Institution

Das Österreichische Kontaktmagazin wurde 1981 gegründet und setzte von Anfang an einen redaktionellen Schwerpunkt auf Sex-Geschichten mit Lokalkolorit. (Der Nacht-Bote hatte zwar auch schon solche Annoncen, aber deren Wichtigkeit wurde damals noch unterschätzt.)

So entstand eine geniale Vernetzung für sexuell liberale und experimentierfreudige Privatpersonen und Pärchen—zwei Jahrzehnte vor dem Internet. Es war ein später Schritt in Richtung sexuelle Befreiung für das Alpenland. Janisch erzählt mir: „Wir haben den Leuten die Möglichkeiten geboten, auf kurzem Wege zu ihnen passende Partner zu finden. Ich hatte schon das Gefühl, dass unser Magazin für die Österreicher eine Befreiung, ein Ventil darstellt."

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Und auch, wenn diese Vorreiter des ÖKMs nicht wie der Playboy prestigeträchtige Interviews mit Yoko Ono und John Lennon—kurz vor dessen Ermordung—boten, fielen Janischs Hefte immer durch redaktionellen Witz und Professionalität auf. In unserem Gespräch meint Peter Janisch: „Bei mir gab es zu unseren Bildern und Fotostrecken immer auch eine Story. Und zwar eine authentische, bei denen die Identität der Personen freilich geschützt war."

Es ist besser, wenn einer nicht nur seine Genitalien beschreibt, sondern auch sich selbst.

Ohne Budgets für Werbung oder PR war der Start des Österreichischen Kontaktmagazins etwas träge. Trotzdem musste die Auflage bald wegen der unzähligen eingesandten Kontaktanzeigen erhöht werden. Das Geschäft wurde lukrativ. Mit den Einnahmen betrieb das Magazin bald ein eigenes Motorrad-Rennteam, das in verschiedenen Klassen Europa- und sogar Weltmeisterschaften abstauben konnte. Anfang der 1990er wurde auf 64 Seiten pro Ausgabe aufgestockt und ein 14-tägiges Erscheinen samt der Kurzversion des Titels ÖKM eingeführt.

Alle zwei Wochen wurden nun 1.200 bis 1.500 Kontaktannoncen veröffentlicht—„ohne auch nur eine erfundene reinnehmen zu müssen", wie Peter Janisch stolz anmerkt. Ilse Janisch schätzte in einem Interview die Kunst der Kontaktanzeigen so ein: „Man sieht gleich am Text, ob ein Inserat Erfolg haben wird oder nicht. Wenn einer schreibt: ,Mittelgroßer 30-Jähriger mit Penisgröße 19 Zentimeter sucht Frau zum Ficken' wird er nur eine, vielleicht gar keine Zuschrift erhalten. Es ist besser, wenn einer nicht nur seine Genitalien beschreibt, sondern auch sich selbst, seine Hobbys und dass es ihm nicht nur ums Schnackseln geht—halt über die Bettkante hinaus."

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Bei den redaktionellen Sex-Geschichten kam der damals typische Pornosprech zum Einsatz: „Er mochte schon als kleiner Bub nie seine Suppe aufessen, dafür machte er mit seiner Nudel alle Mädels satt!" Zudem entstanden herrlich blöde Heftrubriken wie „Chronik der fickenden Ereignisse" oder „Lokal, Regional, Geni(t)al".

Thomas Janisch, Peter Janischs Sohn, brach für das Geschäft sogar sein Jus-Studium ab und eröffnete 1990—zeitnah nach dem Mauerfall—eine Verlagsniederlassung des ÖKM in Ungarn mit eigener Lokalausgabe. Wie eine Franchise erschien das Heft erstmals auch in weiteren Ländern wie Griechenland, Frankreich, Spanien, Tschechien, der Schweiz und der Slowakei. Bis zur Übergabe des gesamten ÖKM-Business an Thomas 2003 blieb Peter Janisch immer ausschließlich für den Print-Sektor des Mediums zuständig.

Die 1990er brachten viele andere Versuche, in neue Märkte vorzudringen. ÖKM entwickelte ein eigenes Telefonerotiknetzwerk. Diese so genannten Mehrwertnummern—also die tariflich teureren Sex-Hotlines—haben sich als Hauptbestandteil des Verlagsgeschäfts etabliert, so wie für viele Medien im Erotiksektor.

Links: Peter Heller, Regisseur von ,Der Pornojäger' aus 1987, eine lebensgroße Nachbildung von Martin Humer aus Pappe und ein vom ,ÖKM' „beigestelltes Strapsgirl".

Auch ÖKM-Videos in Eigenproduktion wurden zum Thema. Sie bestanden großteils aus zusammengeschnittenem Material von Sexmessen, Porno-Sets und Swinger-Clubs. Da Frankreich, Deutschland und natürlich Amerika die Marktspitzen der Pornofilme darstellen, hatten die ÖKM-Produktionen eine einzigartige Ausnahmestellung. Diese Filme bewiesen sich aber als wenig rentabel und die fehlende Professionalität der Akteure sowie der Produktionsteams als sehr ermüdend für das Unternehmen.

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Der ÖKM-Verlag bewies auch Mitte der 1990er Flexibilität und vor allem Neugierde an modernen Medien. Das unterstreicht der frühe Vertrieb von Porno-CD-ROMs, die dann auch wieder schnell von DVDs abgelöst wurden. Bereits zur Jahrtausendwende stieg ÖKM ins Internetgeschäft ein und mischte auch hier seine gewohnt verspielte XXX-Sprache mit leicht absurd gestalteter, sexualisierter Berichterstattung, wie zum Beispiel der Infobeitrag Huren für Hillary zeigt. Es folgten Ableger-Seiten, wie zum Beispiel voyeurworld.tv oder gaycentre.net mit ausschließlich homosexuellem Content.

Das ist deshalb erwähnenswert, da erst am 1. März 1997 die Tatbestände der „Werbung" für Homosexualität und der „Verbindungen zur Begünstigung gleichgeschlechtlicher Unzucht" (§ 221 StGB) der österreichischen Gesetzgebung aufgehoben wurden. ÖKM stieg genau wie viele internationale Sexmedien sofort auf die neue Gleichstellung von Schwulen- und Lesbenpornografie ein.

Obwohl ich mich in meiner Vergangenheit als Pornograf bezeichnet habe, kann ich die Auswüchse des heutigen Internet-Pornos absolut nicht tolerieren.

Peter Janisch reagiert im Gespräch auf die heutige Pornoflut im Internet überraschend kritisch: „Obwohl ich mich in meiner Vergangenheit als Pornograf bezeichnet habe, kann ich die Auswüchse des heutigen Internet-Porno absolut nicht tolerieren. Ich hatte so etwas bei meinem ,Kampf für die Intimfreiheit' nie und nimmer vorausgeahnt: Fäkalien-, Brutal-, Tier- und Kindersex, die man per Knopfdruck ins Wohnzimmer holen kann."

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Das ÖKM war immer experimentierfreudig, aber Ausflüge in die Gefilde des Darknet (oder Fake-Spielarten von Rape-, Snuff- oder hartem SM-Porn) gab es nie. Im Interview mit dem Kurier erklärte Thomas Janisch, der Erbe des ÖKM-Imperiums, klar, dass die Zeiten der ÖKM-Shops vorbei wären und die kostenpflichtigen Angebote des Verlags im Internet nicht wirklich optimal laufen würden.

Aber da Österreichs erstes und größtes Pornomedium schon irre Pornojäger, Verbreitungsbeschränkungen, willkürliche Gerichtsurteile, unprofessionelle Videoproduktionen und eine sich ständig verändernde Medienlandschaft überlebt hat, muss man sich wohl keine zu großen Sorgen machen.

Bild mit Erlaubnis von Peter Janisch von seiner Facebook-Fan-Page entnommen

Peter Janisch, seit 2009 auch schon mit dem Titel „Lord of Roscommon" in Irland ausgestattet, ist mittlerweile lange vom Pornografengeschäft pensioniert. Den Trieb des Herausgebers kann er aber trotzdem nicht abschütteln. Von seiner Bad Ischler Redaktion aus vertrieb er das Magazin JA - Journal Aktuell, eine Zeitschrift für Senioren—ganz ohne Sex.

Als Erzfeind „Pornojäger" Marin Humer vor vier Jahren verstarb, nahm Peter Janisch am Begräbnis des Mannes teil, der ihn über fast 40 Jahre hinweg insgesamt 324 Mal angezeigt hatte. Er erklärte einem der Trauergäste, dass der Tod alles Trennende begräbt und er bei Humers letztem Weg dabei sein wollte. Janisch erzählt uns, dass ihm die Aktion sogar Respekt bei den fanatischen Moralaposteln eingebracht habe.

Und weil Janisch den Anschluss an neue Medien aufgrund seiner Berufskonditionierung nie verpassen will, gibt es inzwischen auch eine wunderschön verrückte Facebook-Page des Herausgebers, wo man einiges an verstörenden Gallerys, verwirrenden Boulevardeindrücken und unbeschreibbaren Fotomontagen bekommt.

Wenn mein Gespräch mit dem ÖKM-Gründer und seine sozialmediale Präsenz irgendein Indikator ist, dann dürfte Janisch ein extrem spannendes, integres und abgedrehtes Leben gelebt haben. Zurzeit kann man sich außerdem seine gesammelten Geschichten übers Wildern zulegen—auch, wenn sie für die meisten wohl kaum zur Masturbation zu gebrauchen sein werden.

Folgt Josef und seinen sexualwissenschaftlichen Anwandlungen auf Twitter: theZeffo


Das gesamte Bildmaterial wurde uns (wenn nicht anders angegeben) von Peter Janisch mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt