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Kim Kardashians Handyspiel hat mein Leben verändert

Durch „Kim Kardashian: Hollywood" habe ich etwas wichtiges gelernt: Das schlimmste am berühmt sein sind die Leute, die es nicht sind.

Letztens hat mir ein Kumpel von einem Smartphone-Spiel erzählt, das ich unbedingt ausprobieren muss. Er sagte, dass es mehr als nur ein Spiel sei—nämlich gleichzeitig Sucht und Offenbarung. Er erklärte mir, dass man von der App erwarte, dass sie bis Ende des Jahres knapp 150 Millionen Euro Umsatz macht.

Trotzdem bin ich normalerweise kein wirklich großer Fan von Smartphone-Spielen. Angry Birds und Candy Crush sind komplett an mir vorbei gegangen. Damals habe ich Snake auf meinem Nokia 3310 geliebt, und ich erinnere mich noch daran, wie ich das alte Blackberry von meinem Vater geschnappt habe, um Brick Breaker zu spielen. Zu mehr habe ich es in meiner Handyspiel-Karriere nie gebracht. Aber jetzt habe ich ein Spiel gefunden, das meine Zeit auch wirklich wert ist und das mir zeigt, wie ich mein Leben besser machen kann. Natürlich ist hier die Rede von Kim Kardashian: Hollywood.

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Ich bin ein 25-jähriger Freiberufler, der in San Francisco kaum über die Runden kommt. Anders gesagt, ich bin arm. Mein Style reicht von Jeans und T-Shirt bis hin zu Jeans und Sweatshirt und ich erzähle die Geschichte von meinem zufälligen Treffen mit „E" von Entourage auf einer Toilette in Las Vegas (inklusive missglücktem Händeschütteln) zu oft, um mich selbst als Typen zu sehen, der mit den A-Promis per Du ist. Ich hatte also viel von Kim zu lernen und mit ihrer App spielt sie zum Glück freiwillig den Sherpa, der mich bis zur Spitze der Promi-Welt bringt.

Ich stehe nicht auf überflüssige Apps. Ich glaube, dass mich mein Smartphone im besten Fall zu einem effizienteren und effektiveren Menschen machen kann. Dank Google Maps verlaufe ich mich nicht mehr. Dank Yelp esse ich nur noch in guten Restaurants. Und jetzt garantiert mir meine Kim-App, dass ich mich nicht mehr falsch kleide und die Kasse klingelt. Da lag was Großes in der Luft—Flappy Bird-groß.

Ich „kimdividualisierte" meinen Spiel-Charakter, damit er so aussah wie ich, bloß mit breiterem Kiefer. Mir wurde ziemlich schnell klar, dass sich das Falschschreiben von Wörtern, damit sie irgendwie an Kim Kardashian erinnern, wie ein roter Faden durchs Spiel ziehen würde. Ich war entzückt und beeindruckt. Es dauerte etwas, den voreingestellten Kinnbart zu entfernen, den mein Avatar trug, aber als ich auch das geschafft hatte, war es an der Zeit, die Leiter der Gesellschaft hochzuklettern. Jeder mit einer eckigen Kinnbehaarung kann berühmt werden—ich musste es auf meine Art schaffen.

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Im Spiel arbeitete ich in einem Modeladen und mein Boss war ein kecker Schwarzer mit Fliege, großer Schiebermütze und Tattoos auf dem Unterarm, was alles ganz gut passte. Zuerst gefiel mir seine Körpersprache nicht, aber als er erklärte, dass er für eine Wohnungsbesichtigung in Beverly Hills schon spät dran sei, fühlte ich mit ihm. Mein echtes Ich war ständig damit beschäftigt, nach Wohnungen in Oakland zu suchen, also konnte ich mir schon vorstellen, wie umkämpft ein schickes Apartment in Beverly Hills ist.

Als er ging, wurde mir kurz bange, weil ich nicht wusste, was zu tun war. Zum Glück erschienen über jeder zu erledigenden Aufgabe grüne Pfeile und wenn ich diese antippte, fielen ganze Bündel an Geldscheinen auf den Boden. Wenn alle Stricke reißen sollten, dann schien ein Job in diesem Modeladen keine schlechte Alternative zu sein. Aber halt, genau diese fehlende Zielstrebigkeit hat mich doch erst hierher gebracht. Was würde Kim tun? Sie würde sich mit allen Mitteln bis an die Spitze hocharbeiten. Ich schloss den Laden ab und machte mich weiter an den Aufstieg.

Draußen traf ich dann direkt auf Kim Kardashian. So läuft das also in Los Angeles! Sie fragte mich, ob ich den Laden noch mal aufmachen könne, denn sie brauche noch ein Outfit. Das wird meinem Boss wahrscheinlich nicht gefallen, aber wen interessierts? Kim hat höchste Priorität. Ich half ihr dabei, ein Kleid auszusuchen. Als sie nach dem Preis fragte, sagte ich, dass es aufs Haus gehe. Dabei fühlte ich mich nicht wohl, aber ich konnte nichts anderes auswählen. Als sie sagte, dass sie das nicht annehmen könne, war ich richtig erleichtert. Ich mochte Kim und sie war wahrscheinlich berühmt genug, um kostenloses Zeug zu bekommen, aber ich wollte auch nicht direkt an meinem ersten Tag gefeuert werden.

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Leider konnte ich nur damit antworten, dass ich drauf bestehe. Ich hatte wegen dem teuren Kleid ein schlechtes Gewissen, aber mir gefiel, dass Kim das kostenlose Outfit nur mit Widerwillen akzeptierte. Sie hätte wirklich dafür bezahlt und das zeigte mir, dass sie ein guter Mensch ist. Sie freute sich sogar so sehr über das Geschenk, dass sie mich zu einem Fotoshooting im Gebäude des Metropolitan Magazines einlud. Das fühlte sich wie der erste große Hinweis an, der für mein echtes Leben bestimmt war: Loser-Bosse sind egal—wenn du es zu etwas bringen willst, dann schenke allen Prominenten irgendwelchen Scheiß.

Ich musste zurück in mein Apartment und mich für das Shooting fertig machen—plötzlich bekam ich aber Selbstzweifel bezüglich meines Looks. Leute wie ich werden nicht zum Modeln eingeladen—was habe ich mir bloß dabei gedacht, meinen Avatar wie einen freiberuflichen Reporter aussehen zu lassen? Ich gelte mir meine Haare vorne nach oben und zog ein Denim-Hemd und pinke Schuhe an. Die Leute tragen doch so was. Vielleicht sollte ich im echten Leben auch mal bunte Schuhe ausprobieren—ich machte mir gleich eine Notiz, am nächsten Tag einen Vans-Laden aufzusuchen. Ich unterstrich das Wort „Vans"—Kim stand auf Vans. Ich sah komplett anders aus, aber es fühlte sich richtig an. Ich verließ meine Wohnung und musste den Bus nach Beverly Hills nehmen. Normalerweise mag ich Bus fahren—dabei fühle ich mich wie ein Teil der Stadt. Die Szenerie, die ich durch das große, verkratzte Fenster sehen kann, kommt wie ein sich bewegendes Gemälde daher. Aber in der App fühlte es sich nicht richtig an.

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Bei der Ankunft fragte mich der Fotograf nach meinem Namen. Der voreingestellte Name in der Sprechblase war „Nathaniel". Ich wollte so sehr Nathaniel heißen, aber ich wusste, dass das nicht ich bin. Ich tippte „Joe" ein, löschte es aber wieder. Ich tippte „Joey" ein, löschte das dann aber auch wieder. Ich entschied mich letztendlich für „Joseph". Das war jetzt nicht Nathaniel, aber zumindest würde sich Kim nicht dafür schämen.

Kim sah in dem roten Kleid, das ich für sie ausgesucht hatte, echt gut aus. Und ihr Fotografen-Kumpel wollte Fotos von mir machen. Ich machte ein paar Posen und er sagte, dass ich Model werden solle. Das war ganz groß— meine Entscheidung, mich komplett anders als sonst zu kleiden, zahlte sich aus. Nach dem Shooting lud mich Kim auf eine Party im Brew Palms ein. Das hatte ich mir meiner Meinung nach auch verdient. Mit meinen langweiligen Klamotten wäre das alles nicht passiert. Aber ich trug ja ein Denim-Hemd mit den Ärmeln zu den Ellenbogen hochgekrempelt und ich hab mir mit meiner Frisur Mühe gegeben. Diese Party mit Kim war der verdiente Lohn dafür.

Bei der Bushaltestelle fragte mich ein gut aussehender Typ in weißem Jackett und Camo-Hosen nach der Party im Brew Palms. Ich sagte ihm, dass er eh nicht reinkommen würde und bereute meine Unhöflichkeit sofort. Aber er kannte Kim ja schließlich nicht so, wie ich Kim kenne. Und es wäre ziemlich peinlich für mich, wenn er dann auftaucht und Kim mich fragt, warum er da ist. Ich müsste dann erklären, dass ich ihn beim Warten auf den Bus traf, er ganz nett schien und ich nicht wusste, dass das Event im Brew Palms ein exklusives Ding ist. Ich habe das Richtige getan, es war besser, ihm die Party gar nicht erst schmackhaft zu machen.

Trotzdem wurde ich den Gedanken nicht los, dass Kim das jeden Tag durchmachen muss. Mir wurde klar, wie hart es für Kim sein muss, diese ganzen Anhänger mit ihren freundlichen Gesichtern und schlechten Absichten abzuweisen. Mir wurde auch klar, dass sie wirklich ein Engel ist, weil sie dieses Spiel gemacht hat und ihr ganzes Wissen mit so Leuten wie mir teilt. Ich machte die App schnell zu, um Kim die Fünf-Sterne-Bewertung zu geben, die sie verdient hat. 40.000 andere Leute hatten schon vor mir den gleichen Gedanken und sie wussten, was ich wusste: Es ist schwer, ganz nach oben zu kommen, aber es ist noch schwerer, dort angekommen an die ganzen kleinen Leute mit schlechtem Style zu denken.

Ich weiß nicht, ob man sich als Person wirklich komplett verändern kann. Ich weiß auch nicht, ob wir das sind, was wir sind, oder ob wir das sind, was wir aus uns machen. Und selbst mit den neu gewonnenen Erkenntnissen werde ich nie wie Kim sein, denn ich wurde nicht mit diesem gewissen Etwas gesegnet. Trotzdem fühle ich mich jetzt weiser. Und ich werde mir diese pinken Vans kaufen, denn es wäre falsch, das nicht zu tun. Das ist das, was mein besseres Ich tun würde.

Joseph Bien-Kahn ist ein freiberuflicher Reporter, Teilzeit-Barista und umherziehender Praktikant in San Francisco. Seine Artikel wurden schon in Magazinen wie The Rumpus oder The Believer veröffentlicht und er schreibt eine HipHop-Kolumne für BAMM.tv. Er ist auch der Chefredakteur des Online-Literatur-Magazins OTHERWHERES. Folge ihm auf Twitter.