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I​st ein Lokalverbot für Hofer-Wähler die Lösung des Problems?

Spoiler: Eher Nein.

Seitdem am vergangenen Sonntag Norbert Hofer die erste Runde der Bundespräsidentenwahl mit knapp über 35 Prozent klar für sich entschieden hat, müssen wir nicht nur damit leben, dass uns die heute-show ein Hakenkreuz-Schnitzel widmet (ein Tiroler Student und ehemaliger FPÖler hat deswegen sogar Anzeige erstattet), sondern auch damit, dass ein beträchtlicher Teil der Österreicher aktiv einen Mann gewählt hat, der Ehrenmitglied einer Burschenschaft ist und parlamentarische Anfragen zu Chemtrails stellt.

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Die Tatsache, dass man mit politischen Meinungen, die nicht der eigenen entsprechen, nicht gerne lebt und ihnen oftmals jede Daseinsberechtigung abspricht, ist dabei wahrscheinlich so alt wie die Menschheit selbst. Darum schimpfen empörte Linke nun wahlweise auf die "dummen FPÖ-Wähler", stempeln sie als minderbemittelte Schäfchen ab und schmeißen mit Bertolt-Brecht-Zitaten um sich. Die wiederum anderen—darunter beispielsweise Autor Thomas Glavinic—fragen sich, was in den Köpfen eben dieser Menschen vor sich geht. Und die vermeintlichen Blau-Wähler beschweren sich über die verblendeten Gutmenschen, die schon noch ihr blaues Wunder erleben werden.

Eine andere Reaktion auf das Wahlergebnis stammt von der Wiener Gastronomin, die das Fett+Zucker im zweiten Wiener Gemeindebezirk betreibt. Sie hat vor ihrem Lokal ein Schild mit der Aufschrift „Wenn du bei diesen 35 Prozent dabei bist, geh doch BITTE einfach weiter. #rightwingNOTwelcome" aufgestellt und anschließend ein Bild davon auf der Facebook-Page des Lokals gepostet. Mittlerweile ist die Page offline und Kamerateams tummeln sich vor dem Lokal.

Mehreren Medienberichten zufolge wird die Betreiberin des Lokals seit ihrer Aktion nun bedroht und fürchtet um ihr Leben, da sie zahlreiche Hasskommentare und Nachrichten erhalten hat. Am Dienstag soll ein Gast im Lokal randaliert, herumgeschrien und zuvor die Toilette mit Klopapier verstopft haben. Auch die FPÖ selbst reagiert auf das Schild und will laut einer Aussendung nun Anzeige wegen Verdachts auf Verletzung der Menschenwürde erstatten. Sie erkennt darin laut eigener Aussage "faschistoide Methoden" und will diese "demokratiepolitische Hygiene" nicht salonfähig werden lassen—und schließt ihr Statement sogar mit "Kein Fußbreit den Faschisten" ab. Das ist auch deswegen verwunderlich, weil die FPÖ in ihrem „Handbuch freiheitlicher Politik" dafür plädiert, dass Geschäftsleute bei der Auswahl ihrer Kunden sehr wohl anhand von Kriterien wie Weltanschauung, Alter oder Geschlecht entscheiden dürfen.

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Mittlerweile bereut die Gastronomin ihre Aktion sogar und beteuert dies öffentlich. In den sozialen Medien sprechen manche davon, dass die Rechten nun gewonnen hätten und es somit 1:0 steht. Aber es geht hier nicht nur um ein Politikum—bei persönlichen Drohungen und randalierenden Gästen kann man es schon mal mit der Angst zu tun bekommen. Hinzu kommt, dass sie nicht ihre Meinung geändert hat, sondern nur die Form dieser Meinung noch einmal überdacht hat—was beim Ausmaß, das Hasspostings auf Facebook annehmen können, niemanden verwundern sollte. Für ein Statement war die Betreiberin bis zur Veröffentlichung dieses Artikels nicht zu erreichen.

In den letzten Monaten kommt es immer wieder zu Vorfällen, die dem aktuellen sehr ähneln. Nachdem bei einer Demo der Identitären in Spielfeld Autos von Antifaschisten beschädigt worden sein sollen, hat ein Mechaniker explizit dazu aufgerufen, dass diese mit ihren Schäden zu ihm kommen und linke Bürger seine Werkstatt bitte meiden sollen. Im Gegensatz dazu hat sich im November vergangenen Jahres ein Wiener Tattoostudio geweigert, eine Frau zu tätowieren, nachdem sie auf deren Facebook-Seite herausgefunden hatten, dass sie ein Fan von FPÖ-Obmann Strache ist.

Wie so oft ist man versucht, es super zu finden, wenn solche Aktionen der eigenen Meinung entsprechen. Auch ich kann mir Schöneres vorstellen, als mit einem Hofer-Wähler einen veganen Brownie zu essen. Das ändert aber nichts daran, dass sie da sind, 35 Prozent der wahlberechtigten Bevölkerung ausmachen und einen wesentlichen, demokratiepolitisch relevanten Teil unserer Gesellschaft bilden.

Viele plädieren in den letzten Tagen dafür, Blauwähler nicht länger als dumme Proleten abzustempeln, sondern sie ernst und in den Dialog zu nehmen—auf Augenhöhe. Ein neuer, notwendiger Ansatz, nachdem uns die Bundespräsidentschaftswahl gezeigt hat, dass die FPÖ längst nicht mehr nur von einer radikalen Minderheit gewählt wird.

Wenn man andere Menschen aufgrund ihrer politischen Gesinnung ausgrenzt—egal, ob links oder rechts—, gibt man ihnen am Ende genau die Polarisierung, die sie wollen. Eine neue Bestätigung für eine der Annahmen, die zum Beispiel die FPÖ bei ihren Wählern nur allzu gern kultiviert. Nämlich die Vorstellung, dass sie diejenigen sind, die auf der Strecke bleiben und alle, die anders denken als sie, die Augen vor der "Wahrheit" verschließen. Genau das tun wir leider wirklich, wenn wir FPÖ-Wähler aus unserem Alltag, aus Kaffeehäusern und Tattoostudios ausschließen. Wir wollen es gemütlich in der Filterblase. Allein die Aussendung der FPÖ zur Causa zeigt, dass sie ihre Opferrolle wieder einmal perfekt nutzt und sich als mutigen Außenseiter inszeniert. Menschen durch Ausgrenzung läutern und hin zu einer weltoffenen, liberalen Weltsicht bewegen zu wollen, zeugt nicht gerade von Weitsicht.

Momentan stellt sich für all diejenigen, die ein Zeichen gegen Hofer setzen wollen, die Frage, wie sie dies anstellen können, ohne ihm direkt in die Hände zu spielen. Auch die Offensive gegen Rechts geriet in Kritik, weil sie eine Demo gegen Hofer ankündigte und nicht etwa für Van der Bellen und Zusammenhalt: Damit erfülle man nur wieder das gängige Klischee vom randalierenden, linken Mob, der gegen eine demokratisch zustande gekommene Wahl auf die Straße geht und nicht mit anderen Meinungen leben will und kann. Klar ist jedenfalls, dass man Hass nicht mit Hass bekämpfen kann und Ausgrenzung genauso wenig mit Ausgrenzung.

Verena auf Twitter: @verenabgnr