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Rettet dieser Mann Böhmermann?

Merkel wollte es aussitzen—aber der Justizminister von NRW will den Paragrafen zu Majestätbeleidigung schon in ein paar Wochen kippen.

Blasse Männer müssen zusammenhalten. NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) | Foto: imago | Rainer Unkel

Es gibt Hoffnung für Böhmermann! Sie heißt Thomas Kutschaty und ist Justizminister in Nordrhein-Westfalen. Der SPD-Mann hat heute angekündigt, dass er den Paragrafen zur Majestätsbeleidigung abschaffen will—über den Bundesrat und noch vor der Sommerpause.

Für Böhmermann hieße das: Sollte es ein Gerichtsverfahren geben, dann nur noch wegen einfacher Beleidigung. Für die bekommt man bis zu einem Jahr Haft. Wer aber seine Majestät Herrn Erdogan beleidigt, dem drohen nach Paragrafen 103 bis zu fünf Jahre.

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Ganz glücklich waren sie alle nicht in der SPD, dass die Kanzlerin in der Böhmermann-Causa eingeknickt ist. Ihre Entscheidung hörte sich dementsprechend schizophren an, eben wie ein Kompromiss in einer zerstrittenen Koalition: Erdogan darf Böhmermann zwar nach dem Paragrafen 103 verklagen, aber Deutschland schafft die Majestätsbeleidigung ab. Nur eben erst 2018.

Kutschaty hält sich nicht an den Deal. Er will dem Satiriker „eine mögliche Bestrafung wegen dieser Vorschrift ersparen". Für sein Ministerium gehört der Paragraf dem Mittelalter an. „Der Straftatbestand der Majestätsbeleidigung gehört abgeschafft, da es gerade dem zugemutet werden kann, sich einer Kritik zu stellen, der viel Macht ausübt", heißt es von dort. Das Ministerium betont, wie wichtig es ist, dass der Paragraf schnell abgeschafft wird. Das hätte „unmittelbare Wirkung auf die Rechtslage" und würde „damit auch im Fall Böhmermann der Majestätsbeleidigung als Straftatbestand die Grundlage entziehen".

Jetzt kommt alles auf den Zeitplan an. Geht es nach Kutschaty, soll schon am 27. April der Rechtsausschuss des Bundesrats dazu beraten, am 13. Mai die Länderkammer. Dann kommt alles auf den Bundestag an: Dort muss das Begehren des Bundesrates aufgenommen und verhandelt werden. Ein Satz in einem aktuellen Gesetzesvorhaben würde genügen, und der Paragraf wäre gestrichen. Laut NRW-Justizministerium hat Thomas Oppermann, der SPD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, der Kanzlerin schon vorgeschlagen, das Thema gleich auf der nächsten Sitzung des Bundestags zu besprechen. Eine Antwort stehe noch aus.

„Der Plan ist ehrgeizig—aber er kann funktionieren", sagt Professor Alexander Thiele. Der Experte für Verfassungsrecht beobachtet den Fall Böhmermann sehr genau. Nach seiner Einschätzung werden zumindest die Termine im Bundesrat klappen. Schließlich haben die SPD-geführten Länder dort zusammen mit den Grünen und der Linken eine große Mehrheit. Allerdings müssen sie sich beeilen: Die Union wird aufholen, sobald Baden-Württemberg seine neue Regierung gebildet hat. Denn die ist schwarz-grün.

Das größte Problem ist aber der Bundestag. Denn dort muss der Vorstoß erst einmal auf die Tagesordnung. „Das kann zwei Wochen oder auch zwei Monate dauern", sagt Thiele. „Und dann haben wir schon Sommerpause." Dabei halte eigentlich selbst die CDU den Paragrafen für überflüssig. „Die sind da aber eher emotionslos", meint der Experte. Aber selbst wenn der Plan scheitert, sei er nicht umsonst—für die Debatte und vor allem für die SPD. Er könnte die Regierung dazu zwingen, sich noch einmal zu positionieren. Und die Stimmung in der Bevölkerung ist derzeit eher Pro-Böhmi.