Geburtsfotografie vs. Social-Media-Zensur

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Geburtsfotografie vs. Social-Media-Zensur

Wir haben uns mit der Geburtsfotografin Angela Gallo über ihre Probleme in einer Online-Welt unterhalten, in der so etwas Natürliches wie eine Geburt als anstößig oder gar pornografisch empfunden wird.

Wenn man sich die Richtlinien vieler Social-Media-Netzwerke anschaut, dann stellt man fest, dass ein Baby, das durch die Vagina der Mutter auf die Welt kommt, als unanständiger oder gar pornografischer Inhalt gilt. Die australische Geburtsfotografin und -begleiterin Angela Gallo kennt dieses Problem nur allzu gut: Immer wenn sie Fotos von Geburten hochlädt, werden diese gleich wieder gelöscht.

Wenn Gallo noch einmal gegen die Facebook-Richtlinien verstößt, wird ihr Account komplett gesperrt—ein Schicksal, das ihr Instagram-Profil mit mehr als 8000 Followern bereits erlitten hat. Das Ganze ist gleich doppelt frustrierend, wenn man bedenkt, dass es Gallo bei ihrer Arbeit auch darum geht, der Welt zu zeigen, wie natürlich und wunderschön eine Geburt eigentlich ist.

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Wir haben uns mit der Fotografin über Stigma, Schönheit und eingefügte Zensurflecken unterhalten.

VICE: Worin liegt deiner Meinung nach das größte Problem, wenn die sozialen Netzwerke deine Bilder löschen?
Angela Gallo: Mir ist schon klar, dass nicht jeder User Brüste und Vaginen in seiner Timeline angezeigt bekommen will, aber es gibt ja auch andere Wege, so etwas nicht zu sehen, und man muss Kompromisse finden können. Selbst Kaiserschnittfotos werden inzwischen gelöscht, weil man sie als explizite Gewaltdarstellungen auslegt. Diese Zensur ist im Grunde symptomatisch für ein System, über das wir allgemein diskutieren müssen, weil es Pornos als etwas Normaleres als die Geburt ansieht—und Geburten werden wiederum als Pornografie eingestuft.

Würde eine andere Einstellung in Bezug auf die Geburt auch die ganze Erfahrung einer Geburt verändern?
In der Mainstream-Kultur wird die Geburt immer noch als ein total kaltes, steriles und dramatisches Ereignis dargestellt. Diese Bild zieht sich dann ein Leben lang durch das Unterbewusstsein der Frauen. Mein Ziel ist es, mithilfe meiner Fotos die Vorstellung dieser Frauen vom Natürlichen zu verändern und das Ganze in einem positiven Licht darstellen zu können. Wenn ich das schaffe, dann verschwinden hoffentlich auch die Angst und die Aufregung, die man mit der Geburt verbindet.

Wie reagiert man in den sozialen Netzwerken auf deine Arbeiten?
Das ist ziemlich interessant, weil ich ja weiß, dass meine Fotos durchaus extrem und vielleicht etwas anstößig anmuten können. Ich habe aber auch schon unglaublich tolle Reaktionen gesehen, die mich richtig stolz machen. So schrieben mir manche Frauen Sachen wie etwa: „Ich habe bei der Geburt einen Orgasmus bekommen, aber weil ich mich aufgrund meines Körpers und mir selbst so sehr geschämt habe, machte ich daraus zehn Jahre lang ein Geheimnis. Durch deine Bilder fühle ich mich jedoch wieder normal."

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Natürlich gibt es auch ein paar unschöne Kommentare, die sich vor allem gegen den Vorgang der Geburt an sich richten—so nach dem Motto „Nicht der Scheiß schon wieder, Frauen mischen sich überall ein." Wir machen das jetzt schon seit Anbeginn der Zeit, das ist also Bullshit.

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Hat die digitale Welt dabei geholfen, gewisse Stereotype abzuschaffen?
Auf jeden Fall. Vor 40 Jahren durften sich Männer zum Beispiel noch nicht im Geburtszimmer aufhalten und Frauen bekamen ihre Plazenta nicht zu Gesicht. Im Grunde war die Geburt eine Sache, die sich komplett hinter verschlossenen Türen abspielte. Das alles hat sich langsam aber sicher geändert und es wird sicher auch noch weitere Veränderungen geben.

Wie umgehst du die Vorgaben der sozialen Netzwerke?
Ich modifiziere meine Bilder mit hellen Flecken auf anstößig erscheinenden Körperteilen. Ich finde es echt witzig, dass es weniger explizit sein soll, wenn man nun ganz klar erkennt, dass es sich um Brüste handelt. Um den Intimbereich schreibe ich außerdem „Respect your mother, stop censoring birth". Damit will ich sagen, dass wir alle aus unserer Mutter kommen und ich es sehr respektlos finde, wie wir unsere Mütter beschämen.

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Und wie willst du langfristig gesehen gegen diese Zensur vorgehen?
Ich habe ein Fotobuch veröffentlicht und eine Online-Kampagne gestartet. Im Grunde will ich visuelle Medien als eine Art Plattform nutzen, aber die sozialen Netzwerke legen mir dabei sehr große Steine in den Weg. Ich kann meine Pläne einfach nicht umsetzen, wenn jedes meiner Bilder gemeldet wird. So kann ich keine natürliche Dokumentation der Geburt erschaffen.

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Ich will meine Accounts allerdings auch nicht verlieren, da sie es mir ermöglichen, mit anderen Leuten zu diskutieren. Leider muss ich bei Instagram und Facebook jedoch anders agieren und meinem langfristigen Ziel komme ich so nicht näher.

Hier findest du weitere Informationen zu Gallos Arbeiten.

Das Interview wurde von Laura Rodriguez Castro geführt.