Trotz weißem Schal und Föhnfrisur kann auch Jogi Löw seine Primatenherkunft nicht verstecken. Erst letzten Sonntag ist es wieder passiert, dass der scheinbar so wohlerzogene Trainer unserer Nationalmannschaft sich nicht nur öffentlich in die Hose gefasst hat, sondern anschließend auch noch seine Hand genüsslich beschnupperte. Er bleibt seiner Tradition des Popel-Essens und Afterschnüffelns somit auch bei internationalen Turnieren treu.
Nun schlug sich Lukas Podolski auf einer Pressekonferenz auf die Seite des Trainers und verteidigte ihn mit einer klaren Beteuerung: „Ich denke, 80 Prozent von euch, und ich auch, kraulen sich auch mal an den Eiern. Daher ist alles gut!” Und tatsächlich: Wenn Poldi das sagt, dann muss es stimmen.
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Das beweist nicht nur eine ausführliche Diskussion auf Reddit mit dem schönen Titel „Why do guys enjoy rubbing their balls and then smelling their fingers afterwards?”— sondern all die zahlreichen Ergebnisse, die eine spontane Google-Suche ergibt (abzüglich der Top-Trends zu Jogi Löw).
Besonders Männer fröhnen der Leidenschaft des Genitalgeruchs. In den verschiedensten Online-Diskussionen werden neben den Geständnissen für die ungewöhnliche Schnüffellust auch immer wieder persönliche Erklärungsversuche für das mysteriöse Verhalten angeführt: Ich kratze mich am Sack, rieche dran und dann weiß ich ob ich duschen muss, sagen die einen, ich mag einfach den Geruch, gestehen andere. Eine weitere beliebte Erklärung: Man wolle nachprüfen, ob noch alles in Ordnung ist.
Tatsächlich ist das Thema in der Wissenschaft bisher sträflich vernachlässigt worden. Erstaunlicherweise hat bisher kaum ein Forscher die Frage, warum wir an unserem eigenen Körper und unseren Genitalien riechen für untersuchenswert gehalten, denn Studien zu dem Thema sind rar gesät. Es dauert viele Telefonate mit verschiedenen deutschen Biologen, Zoologen und Psychologen, bis es mir nach zwei Stunden gelingt, einen Wissenschaftler ans Telefon zu bekommen, der fundierte Erklärungsansätze parat hat.
„Menschen riechen sehr viel an ihren eigenen Händen und merken das oftmals gar nicht. Wir fummeln und ständig im Gesicht herum und das in der Regel mit der linken Hand”, erklärt mir der Zoologe Konrad Lehmann von der Friedrich Schiller Universität Jena das unterbewusst gesteuerte Gebaren. Als ich einwende, „Ich mache das nicht”, ernte ich nur ein wissenschaftlich trockenes: „Sind Sie da sicher?”
„Eine Studie fand sogar heraus, dass Menschen nach dem Händeschütteln mit einer gleichgeschlechtlichen Person an ihrer rechten und beim Händeschütteln mit einer Person des anderen Geschlechts an ihrer linken Hand riechen”, führt Lehmann weiter aus. Der biologische Zweck dieser Geste ist noch nicht geklärt, doch vermutlich besteht das Riechen an der unberührten Hand nach einem Händedruck mit dem anderen Geschlecht darin, dass wir eine Vergleichsgröße heranziehen wollen—die Studie der Neurowissenschaftler Idan Frumin und Noam Sobel vom Weizmann-Institut in Israel interpretiert die Geste dann auch als eine Art Selbstvergewisserung. Der Schnüffeltest an der berührten Hand ließe sich laut Forschern so interpretieren, dass Frauen und Männer ihre Geschlechtsgenossen olfaktorisch untersuchen wollen.
Ein anderer Erklärungsansatz kann dagegen ausgeschlossen werden: Um eine Verlegenheitsgeste handelt es sich bei dem Griff der Hand an die Nase in den meisten Fällen nicht, das wurde wissenschaftlich bereits belegt. Es wird geschnüffelt und das mit voller biologischer Absicht. Die Hand an der Nase dient wahrscheinlich viel eher zur Eigenwahrnehmung des Menschen. Er nimmt sich selbst als Abgleich für kommende Situationen und Begegnungen. Der Griff ans Geschlecht dient dabei vermutlich schlicht der Verstärkung des Duftempfindens, weil sich an den Genitalien, wie auch unter den Achseln, die meisten Duftdrüsen befinden. Im Schritt riecht der Mensch also besonders intensiv nach sich selbst, so Lehmann gegenüber Motherboard.
Aus Sicht der Evolutionsbiologie gibt es noch eine andere These: „Bei Primaten geht es darum, die Verwandschaftsverhältnisse zu prüfen. Der eigene Geruch dient dabei als Muster für den Vergleich”, so Peter Kappeler, Sozialbiologe und Anthropologe am Deutschen Primatenzentrum in Göttingen. „Wer seinen eigenen Geruch im Kopf hat, kann somit den Verwandschaftsgrad zu anderen Primaten einschätzen.” Ob dieser Ansatz wirklich auf Menschen übertragbar ist, kann Kappeler jedoch nicht gesichert sagen.
Der Mensch hat im Vergleich zu vielen Tierarten allerdings keinen besonders ausgeprägten Geruchssinn, andererseits hat der Geruch jedoch einen erstaunlich großen Einfluss auf uns. Der Duft von Frauentränen ist beispielsweise ein sexueller Abturner für Männer und das ist nur ein kleines Beispiel aus dem unbewussten, geruchsgesteuerten Verhalten unserer Spezies.
Warum Jogi während der bangen Minuten des deutschen Auftaktspiels jedoch die genitalstreichelnde Hand zur Nase geführt hat, weiß er wohl selbst am wenigsten. Es ist wahrscheinlich eine alte Angewohnheit aus Primatenzeiten.