Warum Aubameyang beim Afrika-Cup so überfordert wirkt
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Warum Aubameyang beim Afrika-Cup so überfordert wirkt

In der Bundesliga kennt man Auba als grinsenden Showman ohne Ego-Probleme. Unser Reporter traf ihn beim Africa Cup, wo der der Gabuner verschlossen und nervös wirkt. Kein Wunder, schließt liegt die Hoffnung einer ganzen Nation auf seinen Schultern.

Gabuns First Lady war nicht die einzige Person im Stadion, deren Herz brach, als ihr Lieblingsspieler beim Africa Cup 2012 vom Elfmeterpunkt versagte und so dem Ko-Gastgeber einen Platz im Halbfinale kostete. Mit ihrem Aubameyang-Trikot waren die Kameras natürlich vorrangig auf Sylvia Bongo gerichtet.

Fünf Jahre später richtet Gabun erneut den Africa Cup aus, dieses Mal als alleiniger Gastgeber, und erneut stehen die Bongos im Fokus der Öffentlichkeit. Du hast vielleicht von den letztjährigen politischen Protesten gehört, aber wahrscheinlich nur am Rande. Denn erst in den letzten Tagen—ausgestattet mit speziellen Visa—haben ausländische Journalisten zum ersten Mal so richtig nachforschen können.

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Das Bild wird langsam klarer. Im Jahr 2014, als Staatspräsident Ali Bongo sein OK für die Bewerbung gab, war die Wirtschaft noch am Florieren. „Seitdem ist sie ins Stocken geraten", erklärte Snella Pambot, ein Journalist beim gabunischen TV-Sender TeleAfrica, gegenüber VICE Sports. Einige Jobs wurden im Rahmen des Africa Cups geschaffen—vor allem für Breitband-Ingenieure—, aber eben nicht so viele, wie durch den Einbruch des Ölpreises verloren gegangen sind. Denn Gabuns relativer wirtschaftlicher Wohlstand war stets mit einem hohen Weltpreis für das Schwarze Gold verbunden.

Pikanterweise waren es vor allem die neuen Glasfaserkabel, auf die Präsident Bongo so stolz war, die die Koordination der Proteste just gegen Ali Bongo vorangetrieben haben. Die fanden nach den umstrittenen Wahlen 2016 in der Hauptstadt Libreville statt. „Es liegen keine Beweise vor, dass Menschen bei den Protesten umgebracht wurden, wie das etwa in Europa und den USA berichtet wurde", so Pambot weiter, „aber es stimmt, dass der Internationale Strafgerichtshof in diesem Jahr hierzulande eine Untersuchung durchführen will. Bei einem so kleinen Land wie Gabun, mit gerade mal anderthalb Millionen Einwohnern, ist schon ein Aufmarsch mit 1.000 Demonstranten eine große Sache."

Präsident Ali Bongo besucht das Stade de l'Amitie in Libreville vor der Eröffnungszeremonie // PA Images

Auch wenn über die genauen wirtschaftlichen Folgen des Turniers aktuell nur gemutmaßt werden kann, so steht doch fest, dass die gabunische Bevölkerung den politischen Stillstand satt hat. Das wird erst recht vor dem Hintergrund verständlich, dass Gabun seit seiner Unabhängigkeit von der Bongo-Familie regiert wird. Ali Bongos Vater war bis zu seinem Tod 2009 der dienstälteste Präsident der Welt—und damit noch länger im Amt als Simbabwes Marathon-Diktator Robert Mugabe.

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Es wäre übertrieben zu sagen, dass man auf den Straßen Librevilles große Spannungen spüren würde. Andererseits haben uns alle Personen, mit denen wir gesprochen haben, bestätigt, dass das Land dringend einen Grund zum Feiern benötigt—eine positive Ablenkung nach den letzten unruhigen Monaten.

Am Samstag, kurz nach der Halbzeitpause im Eröffnungsspiel zwischen Gabun und Guinea-Bissau, schien die Endorphinspritze für eine ganze Nation einzutreffen. Dortmunds Stürmerstar Aubameyang, bei den Panthern der mit Abstand wichtigste Mann, erzielte das 1:0-Führungstor für die Gastgeber.

Sofort zog ein Vuvuzela-Gewitter über das Stadion, während Bongo-Fans und -Gegner gleichermaßen feierten. Gabun fühlte sich mit einem Mal glücklich und vor allem geeint.

Doch das Glücksgefühl sollte nicht lange anhalten. In den Augen dieses Reporters war Guinea-Bissau die bessere von zwei ganz schwachen Mannschaften und kam so auch verdient zu einem Last-Minute-Ausgleich. Und in Gabun wich Hochgefühl blankem Hohn. Aubameyang ist seitdem abgetaucht. Der 27-Jährige wirkt gestresst und sagte alle Pressetermine ab. Ist er vielleicht von der Angst gepackt, dass das Heimspiel seiner Nationalmannschaft dieses Mal besonders frühzeitig enden könnte und ein deutlicher Aufschrei garantiert sein könnte?

In Deutschland kennt man Aubameyang als dauergrinsende, schillernde Persönlichkeit ohne Ego-Probleme. Doch hier in Gabun scheint er mit der Aufgabe, ein Team anzuführen und nebenbei ein ganzes Land zum Lächeln zurück zu verhelfen, nervlich überfordert. Kein Wunder, schließt liegt die Hoffnung einer ganzen Nation auf seinen Schultern. So sieht man Auba vor allem sein Handy checken. Stichwort Handy: Damit retweetete er seine jüngsten Opta-Statistiken. Die werden ihn aber auch nicht vor der Sündenbock-Rolle bewahren, sollte sein Land in der Vorrunde scheitern. Und nach dem erneuten Unentschieden im gestrigen Spiel gegen Burkina Faso (1:1) ist der Druck auf den Bundesliga-Legionär und sein Team mitnichten geringer geworden.

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Gabuns Spieler feiern Aubameyangs Treffer im Eröffnungsspiel // PA Images

Auch im Nomad Hotel, wo die gabunische Nationalmannschaft untergebracht ist, sieht man Aubameyang nur, wenn er schnell mal zu irgendwelchen Business-Meetings huscht. Und wenn er nicht gerade von seinem Bruder besucht wird, sieht er irgendwie bedrückt aus.

Wir wollten von Gabuns Co-Kapitän Bruno Manga wissen, wie sein Team mit der Aufgabe umgeht, einem krisengeschüttelten Land wieder Hoffnung schenken zu sollen.

„Wir haben aktuell zu viele politische Probleme", erklärt mir Manga mit leiser Stimme und wirkt dabei selbst angespannt. „Auch wenn das Land insgesamt ruhig wirkt, so ist doch die Stimmung eine ganz andere als 2012. Neben der Tatsache, dass einige Menschen nicht mit dem Präsidenten einverstanden sind, spüren wir außerdem die Erwartungshaltung der Leute, dass wir mindestens ins Halbfinale einziehen. Sollten wir das schaffen, wäre das das erste Mal in der Geschichte unseres Landes."

Dabei ist Gabun von allen Cup-Teilnehmern das Land mit dem schlechtesten Ranking in der FIFA-Weltrangliste—auch wenn das damit zu tun hat, dass man als Gastgeber deutlich weniger Pflichtspiele im Vorfeld des Turniers bestreiten musste. Doch der Druck ist und bleibt enorm.

Eine Abrechnung mit der FIFA-Weltrangliste

„Die Mannschaft kann es bisher noch nicht genießen, Ausrichter des Turniers zu sein", so der offizielle Übersetzer der gabunischen Nationalmannschaft gegenüber VICE Sports. „Wir können es erst genießen, wenn wir anfangen zu siegen." Die nächste (und vielleicht letzte) Gelegenheit dafür gibt es am Sonntag im Spiel gegen den viermaligen Afrika-Champion Kamerun. Nur ein Sieg würde sicherstellen, dass für Gabun das Turnier, in das das Land so viel Geld gesteckt hat, weitergeht.

Foto: Barney Cullum

„Fußball kann wie kein zweiter Sport einen Spirit von Einigkeit und Gleichheit schaffen", verkündete Präsident Bongo vor Beginn des Africa Cups. Der bisherige Turnierverlauf hat das Herz der Mannschaft—und das vieler Gabuner—jedoch eher in die Hose rutschen lassen. Den Artikel haben wir übrigens in der Lobby des Teamhotels der Kameruner fertiggestellt. Gerade sind die Löwen nach einer Trainingseinheit an uns vorbeispaziert. Singend und fröhlich strahlend wurden sie von längst zurückgetretenen Veteranen wie Roger Milla, Geremi und Patrick M'Boma willkommen geheißen, die mit ihrer Ausstrahlung und Erfahrung der jungen Mannschaft bei der Titelmission zur Seite stehen sollen. Was Körpersprache und Selbstbewusstsein betrifft, könnte der Unterschied zwischen Kamerun und Gabun kaum größer sein. Alle Auba-Fans sollten sich am 22. Januar um 20 Uhr—nämlich dann, wenn die Panther auf die Löwen treffen—unbedingt Zeit nehmen: zum fleißigen Daumendrücken.