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Dessert

Britische Desserts sind die besten der Welt

Die Franzosen können ihr Crème Brûlée behalten, und die Italiener ihr Tiramisu. Schwere britische Puddings sind das Beste im ganze Land. Und wenn ich Pudding sage, rede ich von üppigen, essbaren Herzinfarkten.

Jeder nicht-britischen Person, die uns beim Anblick unserer Dessert-Geschichte für komplett verrückt hält, sei verziehen. Mit unseren jam roly polys, suet puddings, Christmas puddings, bread and butterpuddings, Sussex pond puddings, spotted dicks (ja, ich weiß), sind wir als Nation nicht für ein Arsenal an puddings, sondern für süße Sandsäcke für den Bauch, verantwortlich.

Das Wort Pudding ruft nun international gesehen die verschiedensten Assoziationen hervor. In Deutschland ist es vermutlich am ehesten der klassische Vanille-Pudding. Für unsere Freunde über dem großen Teich hat dieses Wort eine komplett andere Bedeutung. Mein geschätzter Kollege sagt genau auf dieser Website: „Wenn ich an pudding denke, denke ich an die Jell-O Werbungen mit Bill Crosby." Für mich als Britin ist pudding—oder gemeinhin pud genannteine Schüssel mit treacle sponge (warmem Biskuit aus Melasse) mit einem üppigen Stausee Vanillesauce. Unmittelbar gefolgt von Ohnmacht. Es ist ein besseres Synonym für Behaglichkeit und Geborgenheit als „Bettdecke" oder „Friends".

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Laut The Oxford Companion to Food, lässt sich der Terminus direkt auf das lateinische Wort botellus zurückführendas heißt Wurst— wovon auch Boudin abstammt. Im Prinzip stammen also alle puddings direkt von einer römischen Wurst ab. Sweet.

Wir hatten aber eine ziemlich lange Reise hinter uns, bis wir zum heutigen Verständnis von pudding angelangten. Am Anfang (im Mittelalter) wurde black pudding (Blutwurst) mit white pudding, serviert, der zwar auch aus Wursthaut oder Magenschleimhaut hergestellt wurde, aber fast ganz aus Haferbrei bestand—gut vermischt mit Talg und Brotkrümeln.

Als Köche experimentierfreudiger wurden und über den Tellerrand hinausblickten, mischten sie Zucker, getrocknete Früchte und Gewürze dazu. Im 16. Jahrhundert, als die meisten Häuser kleine Öfen in ihre Kamine eingebaut hatten, die heißere Temperaturen als die Sonne herbeizaubern konnten, begannen Köche die süßen Talgbomben in Blätterteig einzuwickeln. Daraus wurden gebackene puddings.

Ein weiterer Durchbruch kam Anfang des 17. Jahrhunderts mit der Erfindung von pudding cloth, einem Tuch speziell zum Kochen dieser Desserts. Also mussten keine Tiergedärme mehr dafür verwendet werden. Im 18. Jahrhundert kamen zu den Talgmischungen die ersten puddings aus Biskuit dazu. Gebackene und gekochte Biskuitteige kamen in Mode. Als im 20. Jahrhundert die Hausangestellten langsam verschwanden, wurden pudding cloths aber abgelehnt. Warum auch die Mühe mit dem Tuch, wenn du auch einfach einen Behälter mit Teig füllen, das Ganze mit Folie bedecken und dann kochen oder dämpfen kannst?

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Allerdings sind diese schweren Desserts, die dir den Gaumen zusammenkleben, mittlerweile fast zu einer Erinnerung geworden. Außer du bist jedes Wochenende zum Essen bei deiner Oma. Wenn du eine britische Person fragst, was ihr Lieblingsgericht in der Kindheit war, wird die Antwort ziemlich sicher irgendetwas Heißes, Biskuitartiges und Süßes mit Vanillesauce aus der Packung sein. Das ist das Zeug, dass uns in der Schule auf Plastiktabletts serviert wurde, die säuberlich in Fächer aufgeteilt waren. Das Zeug, mit dem uns unsere Großeltern dazu brachten, die verkochten Karotten beim sonntäglichen Mittagessen aufzuessen. Das Zeug, das uns wärmte, wenn wir an eiskalten „Sommer"-Abenden draußen spielten.

Als in den 60er Jahren die Nouvelle Cuisine Einzug hielt, wurden die schwer verdaulichen puddings abgelehnt, zugunsten von zartem Mousse, Panna Cottas, Gelees und Tartes, die sich ihren Weg aus den französischen Küchen auf die Teller internationaler Restaurants bahnten. Und das hat sich in britischen Restaurants bis heute nicht wirklich verändert. Unsere üppigen puddings sind über die Jahre aus der Mode gekommen, hauptsächlich weil es essbare Herzinfarkte sind, aber auch, weil sie nicht sehr viel Raum für Kreativität lassen. Ein pudding aus Talg sieht einfach nie schön aus—ein Stolperstein in der modernen Gastronomie.

Für Liebhaber der komaauslösenden puddings wie mich, gibt es aber noch Hoffnung. Dank Leuten wie Heston Blumenthal mit seinem Restaurant Dinner by Heston Blumenthal—das für seine Fleischfrüchte verrufen ist—und seinen TV-Sendungen, die die Geschichte erforschen, tauchen die nostalgischen Desserts wieder häufiger auf. Zumindest in London. Lad mich auf ein Stück von Hoi Pollois treacle tart ein und ich knutsch mit dir direkt im Restaurant. Geh mit mir zu Hawksmoor und bestell mir einen sticky toffee pudding und ich heirate dich sofort in den Toiletten.

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Ein Restaurant, das sich wirklich, ehrlich um dich kümmert—anstatt dich nur zu beeindrucken—wird den direktesten Weg zu deinem Herzen nehmen: Nostalgie. Wenn du ein Lokal findest, in dem so etwas altmodisches wie Sussex pond pudding (ein Dessert, das aus einem Gebäck aus Talg besteht, das mit einer ganzen Zitrone gefüllt ist und aus dem, wenn du reinschneidest, ein zähflüssiger See aus zitroniger, zuckriger Butter herausströmt) auf der Karte steht, dann solltest du dich unbedingt mit dem Koch oder Manager anfreunden. Das Lokal bietet dir das Essensäquivalent zu Dich-ins-Bett-tragen-nachdem-du-vor-dem-Fernseher-eingeschlafen-bist.

In den privaten Küchen zu Hause, außerhalb der Restaurants, sah es aber mit den Desserts immer schon ganz anders aus. Meine Mutter bekommt ganz wässrige Augen, wenn sie von den schweren sponges meiner Oma—einer schnippischen Schottin der Arbeiterklasse, die permanent ein Geschirrtuch in ihren Hosenbund gestopft hatte—sprach, die sie jeden Sonntag in einer Bratenform machte und dann während der Woche als Nascherei nach dem Abendessen für sie und ihren Bruder rausholte.

Für Briten in einem bestimmten Alter, besonders aus Arbeiterfamilien, ist so ein Dessert nicht nur Nostalgie. Es steht für etwas Großartiges, das aus alltäglichen Zutaten hergestellt wurde: Fett, Zucker, Eier, Mehl. Es war schon etwas Besonderes, in schwierigen Zeiten in der Lage zu sein, für seine Familie etwas Leckeres, und—was entscheidend war— Füllendes aus billigen Zutaten aus dem Küchenschrank herzuzaubern. Weil so ist das mit allen unseren puddings, sie sind saubillig. Die Schulköche machten ein Backblech sponges nach dem anderen, die nach nichts aussahen aber nach allem schmeckten und uns in den Nachmittagsstunden ganz unschuldig wirken ließen. Im Nachhinein betrachtet hatten wir alle einen ganz furchtbaren Absturz vom ganzen Zucker, aber hey. Ich bin normal geworden, mehr oder weniger.

Der britische pudding ist so besonders, weil er untrennbar mit Liebe und Zuneigung verbunden ist. Ja, einfaches Backen hat schon einen Nutzen, aber du würdest niemands jemandem ein Stück sponge geben, wenn du der Person nichts Gutes wünschst.

Nehmen wir mein Lieblingsdessert her, den Tottenham Cake. Die einzig wahren gibt es nur noch auf Märkten oder in den kleinen, schmuddeligen East End Cafés wie dem grandiosen Arthur's Café in Dalston. Es ist ein klassischer Londoner Kuchen, der seine Ursprünge in der Quäkergemeinschaft in Tottenham im 19. Jahrhundert hat und einen Biskuitkuchen mit pinkem Zuckerguss (oder Erdbeermarmelade oder Kokosraspel) bezeichnet. Der Guss wurde mit Maulbeeren vom Friedhof der Quäker gefärbt und an die Kinder verteilt, um den Sieg der Tottenham Hotspurs im FA Cup 1901 zu feiern.

Das sagt doch schon alles.