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Kürbis

Ein Interview mit einem 90-jährigen, der Kürbisse in Kuhgröße züchtet

(Fast) pünktlich zu Herbstbeginn sprachen wir mir dem 90-jährigen Bauern Adrien Garvais und seinen Söhnen, die die Kunst des Riesenkürbiszüchtens bis ins Letzte verinnerlicht haben. Wir fragten sie nach ihrer Expertenmeinung, wie man einen Kürbis...
Hilary Pollack
Los Angeles, US

Es gibt nichts, was den Herbst besser verkörpert, als der mächtige Kürbis.

Während der nächsten Monate werden Millionen Leute, vor allem in den USA, Kürbisse kaufen. Manche werden ihnen dämonische Gesichter verpassen und ihre Hauseingänge, Verandas und Obstkörbe damit schmücken. Andere werden auf Teufel komm raus Kürbissuppe kochen und Kürbissirup herstellen, bis wir in Kürbisbottichen, die so groß wie olympische Schwimmbecken sind, ertrinken. Und ein paar Leute werden sie vielleicht auch essen.

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Wir wollten mehr über die magische Welt der Kürbisse erfahren. Und wer könnte die Kürbiskultur besser repräsentieren, als Adrien Gervais, ein 90-jähriger Mann aus Ontario, der schon seit über 20 Jahren gigantische Kürbisse anbaut? 1999 züchtete Gervais einen sage und schreibe 450 kg schweren Kürbis, der beim Port Elgin Pumpkinfest—ein jährlich stattfindendes Event, bei dem die größten Kürbisse der Welt zur Schau gestellt werden—den ersten Platz einheimste. Nachdem wir über „Opa" Gervais—der auch „Kürbiskopf" genannt wird—und seine rasant wachsenden Kolosse in den Nachrichten lasen, wollten wir unbedingt mehr über den Kürbiskönig erfahren.

Photo courtesy of Morris Gervais

Alle Fotos von Morris und Ian Gervais

Laut seinem Sohn Morris, der ebenfalls auf den Barrie Hill Farms der Familie arbeitet, wurde Adrien in Manitoba geboren, aber zog nach dem zweiten Weltkrieg mit seiner Familie mehrmals zwischen Ontario und Süd-Quebec um, wo sie bis 1979 Tabak anbauten. 1980 stiegen die Gervais' auf Obst und Gemüse um und Mitte der 90er Jahre entwickelte Adrien ein besonderes Interesse an der gerade aufblühenden Szene der Riesenkürbiszüchter. (Die Gervais' schreiben dem Bauer Howard Dill aus Nova Scotia die Pionierrolle im Anbau der Kürbissorte Atlantic Giant zu, die in den 1980er Jahren bekannt wurde und seitdem als Standard gilt.) Als Adrien vor 15 Jahren den Port Elgin-Wettbewerb gewann, züchtete er erst seit wenigen Jahren Kürbisse. Mittlerweile hat er 20 Jahre Erfahrung im Geschäft und ist bereit, die Siegertrophäe beim Pumpkinfest am 4. Oktober wieder zurückzuholen. Ich fragte ihn und seine Söhne Morris und Ian (die netterweise als Dolmetscher einsprangen, als Adrian Probleme hatte, mich über das Telefon zu verstehen) nach ihrer geheimen Strategie, mit der sich den Sieg nach Hause holen wollen.

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MUNCHIES: Hallo, Adrien. Ich freu mich, mit Ihnen über eure gigantischen Kürbisse zu sprechen. Adrien Gervais: Aha, ja.

Danke, dass Sie sich die Zeit nehmen. AG: Von wo rufst du an?

New York City. Wir würden Ihnen gerne ein paar Fragen über ihre Riesenkürbisse stellen. AG: Möchtest du sie sehen?

Ja, aber ich bin gerade in New York City und kann gerade leider nicht nach Kanada kommen. AG: Oh. Achso. Ich kann dich leider nur sehr schlecht verstehen. Einen Moment bitte. [Ian Gervais kommt ans Telefon und wir einigen uns darauf, dass er die Fragen eine nach der anderen an Adrien weiterleitet.] Ian Gervais: Hallo.

Hallo, Ian. Was ist der größte Kürbis, den eure Familie je gezüchtet hat? AG/IG: Der war 555 kg schwer. Unser derzeitiger hat ungefähr 450 kg, aber der wächst noch.

Morris Gervais: Ich würde sagen, er ist so zwischen 590 bis 635 kg. Aber es sind noch sieben oder zehn Tage bis zum Festival, also kann der auf jeden Fall noch größer werden. Unser Vater hofft, dass er es so auf 680 kg bis 725 kg schafft.

Glaubt ihr, euer Kürbis kann dieses Jahr den Wettbewerb gewinnen? AG/IG: Wir hoffen, dass wir es in die Top 10 schaffen, aber mittlerweile braucht man schon einen 900 kg schweren Kürbis, um vorne dabei zu sein. Eigentlich über 900 kg.

MG: Bis du ihn wiegst, weißt du nicht wirklich, wo du liegst. Diese Saison war eher milde. Vielleicht gibt es dieses Jahr in Nordamerika nicht einmal 800 kg schwere Kürbisse. Der Weltrekord liegt bei ungefähr 910 kg und wurde letztes oder vorletztes Jahr von einem Typen aus Kalifornien aufgestellt.

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Wie haben sich eure Methoden seit euren Anfängen verändert? MG: Man lernt von seinen Fehlern, stimmt's? Viele Dinge können schief laufen, wenn man Riesenkürbisse züchtet. Wir haben an der Methode gefeilt, sodass sie nicht mehr platzen. Das ist das Wichtigste—dass sie keine Risse bekommen.

Wie schnell wachsen diese Kürbisse? AG/IG: Momentan wachsen sie ungefähr 4,5 kg pro Tag. Im August sind sie aber zwischen 11 und 14 kg gewachsen. Wenn du einen Ziegelstein direkt daneben legst, siehst du, wie der Kürbis ihn am nächsten Tag weggedrängt hat.

MG: Die Dinger wachsen sehr, sehr schnell. Wenn dein Kürbis einen Riss hat, wirst du disqualifiziert. Der große wurde Anfang Juni bestäubt und wächst jetzt seit ungefähr 90 Tagen. Es dauert vielleicht 100 Tage, um einen Kürbis auf diese Größe zu züchten. Wenn der Kürbis 820 kg in 100 Tagen erreichen soll, dann sind das 8,2 kg am Tag. Am Anfang wird das nicht passieren, weil der Kürbis winzig ist und am Schluss wächst er langsamer. An den besten Tagen könnte er also so 13 bis 18 kg wachsen.

Wie schafft ihr es, dass die Kürbisse keine Risse bekommen? MG: Wenn du den Boden austrocknen lässt und es dann plötzlich stark regnet, saugt der Kürbis all das Wasser auf und wächst extrem schnell. Und dann bekommt er Risse. Der Boden muss permanent feucht sein, damit der Kürbis durchgehend mit maximaler Kapazität wächst und es keine Unregelmäßigkeiten oder Wachstumsausbrüche gibt, von denen der Kürbis eben aufspringt.

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Gibt es noch andere Geheimnisse, damit ein Kürbis so riesig wird? IG: Eigentlich verwendet mein Vater nur Wasser und Düngemittel.

MG: Es gibt viele Geschichten darüber, was die Leute scheinbar mit ihren Kürbissen anstellen. Aber da ist nichts dran. Ein guter Boden und viel Wasser ist das Wichtigste. Aber auch eine gute Erbanlage. Düngen, klar, aber das sind nur Nährstoffe im Boden. Ich bin mir nicht sicher, ob es damals, als mein Vater 1999 den Wettbewerb gewann, schon jemanden gegeben hat, der einen 450 kg schweren Kürbis gezüchtet hat. 1984 oder 1985 stellte Howard Dill mit einem 200 kg-Kürbis den Weltrekord auf. Seit den 80ern hat sich also durch die Verfeinerung der Methoden die Größe vervierfacht, aber auch aufgrund der verbesserten Erbanlagen. Als mein Vater damals diesen Riesenkürbis züchtete, war das eine große Sache. Er gewann mit 445 kg und heute, 15 Jahre später, würdest du dich schämen, mit so einem Kürbis überhaupt am Wettbewerb teilzunehmen. Damit wärst du nicht einmal unter den besten 10. Nicht einmal unter den besten 20. Du brauchst schon so 450 bis 500 kg, um überhaupt um den Sieg mitspielen zu können.

IG: Er legt eine Decke auf den Kürbis. Das ist echt so. Er sorgt sich besser um seinen Kürbis, als um seine Frau. [lacht]

MG: Ich glaube der Sinn [der Decke] liegt darin, dass der dafür sorgen will, dass der Kürbis über Nacht nicht abkühlt, sondern warm bleibt, damit er am Morgen, wenn die Sonne rauskommt, keine Energie dafür verschwenden muss, sich erst aufwärmen zu müssen, bevor er wieder anfangen kann zu wachsen. Pflanzen wachsen bei wärmeren Temperaturen nämlich besser. Alles zielt darauf ab, dass das Wachstum dieses Dings maximiert wird.

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Was macht ihr mit dem Kürbis, wenn der Wettbewerb vorbei ist? IG: Wir behalten die Samen und den Rest schmeißen wir im Grunde auf den Komposthaufen. Er ist nicht besonders für Kuchen oder so geeignet. Wenn mein Vater gewinnt, lässt er eine Nachbildung aus Glaswolle fertigen.

Züchtet ihr auch Kürbisse, die ihr zum Kochen verwendet? IG: Ja, auf jeden Fall. Morris verkauft viel kleinere Kürbisse.

Was kocht ihr damit? IG: Kürbiskuchen. Kürbissuppe. Kürbis-Crème-Brûlée.

Woher kommt die Motivation, am Kürbiswettbewerb teilzunehmen? MG: Die Züchter sind ein bisschen wie eine Bruderschaft, eine Gemeinschaft. Alle kommen zusammen und tauschen Informationen aus. Ein Mal im Jahr findet bei den Niagara-Fällen ein Seminar statt, wo es Vorträge gibt und sie Ideen und Techniken austauschen.

Dieser Kürbis, den unser Vater gerade anbaut, stammt von zwei 770 kg-Kalibern ab. Das sind also gute Gene und er hat sich gut um ihn gekümmert. Er ist unversehrt, hat keine Krankheiten und ist auch nicht gesprungen. Vielleicht hat er also Glück.

Danke für das Gespräch.