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Forschung

Können Forscher Weizen wirklich glutenfrei machen?

Forscher arbeiten daran, die DNA von Weizen zu decodieren, damit auch Glutenintolerante bald wieder in den Genuss von Getreide kommen können.

Gluten. Wie sein Vorgänger „Kohlenhydrate" wurde das Wort mehr oder weniger zum öffentlichen Feind. Zwischen dem gesamten Regal von glutenfreien Produkten im Supermarkt bis hin zur steigenden Zahl der Familienmitglieder, die zu Weihnachten auf die Füllung verzichten, sollte uns langsam klar sein, dass die globale Glutenverweigerung nicht so bald wieder verschwindet. Ist ja auch egal, dass Gluten dein Brötchen so schön fluffig macht und für die tolle Konsistenz deiner Zimtschnecke sorgt. Es könnte nämlich auch der Übeltäter für die unvergessliche Diarrhö deines Mitarbeiters oder die chronischen Kopfschmerzen deines Bruders sein.

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Vielleicht haben Wissenschaftler deshalb eine neue Agenda: Anstatt sich darauf zu konzentrieren, wie man Menschen helfen kann, mit Zöliakie, Glutensensitivität und Glutenintoleranz umzugehen, könnte man auch einfach daran forschen, wie man Weizen glutenfrei machen kann.

Laut CBS News investiert die Kansas Wheat Commission umgerechnet gut 200.000 Euro in ein Forschungsprojekt, das zum Ziel hat, die DNA von Weizen zu decodieren und herauszufinden, welche Sequenzen für Kopfschmerzen, Verdauungsprobleme und andere Symptome, an denen Zöliakie-Kranke leiden, verantwortlich sind. Wenn die Forscher diese Sequenzen identifiziert haben, könnten sie eine genetisch veränderte Weizensorte herstellen, die eben diese Sequenzen nicht enthält.

Das Forschungsprojekt—das seit Juli im Wheat Innovation Center in Kansas im Gange ist—hat bisher noch kein kommerzielles Produkt hervorgebracht und wurde auch noch nicht gemeinsam mit den Antikörpern des menschlichen Immunsystems getestet, um herauszufinden, wie Glutenintolerante darauf reagieren. Immerhin wurden aber schon bestimmte Eiweiße extrahiert, die bei der Zusammenstellung des glutenfreien Weizens von Nutzen sein könnten. Das Forscherteam sieht sich auch die engsten Verwandten von Weizen an, um eine Sorte zu finden, die über die ideale Konsistenz und den idealen Geschmack von Weizen verfügt, ohne die unangenehmen Auswirkungen für Glutensensitive.

Der leitende Forscher des Projekts Chris Miller arbeitet für Engrain, ein Unternehmen, das versucht, den Nährwert und die Ästhetik in der Mühle- und Getreideindustrie zu verbessern—in anderen Worten, er kümmert sich um den Erfolg und die Vermarktung von Getreide. Es ist also logisch, dass ein Unternehmen wie dieses beim Anblick der immer beliebteren und immer zahlreicher werdenden glutenfreien Produkte Panik bekommt—und darum kämpft, in diesen lukrativen Business mitmischen zu können.

Manche haben jedoch Zweifel am Erfolg der Forschung. Armin Alaedini, Lehrbeauftragter der Medizinwissenschaft an der Columbia University und Forscher am Celiac Disease Center der Universität, sagte zu CBS News, dass er es für unwahrscheinlich hält, dass das Projekt ein Produkt hervorbringen wird, das einerseits angemessen für Zöliakie-Kranke und andererseits besser als die bereits existierenden glutenfreien Produkte ist. Obwohl es genügend davon gibt, beschweren sich Leute über die Konsistenz oder den Nachgeschmack von glutenfreien Broten, Pizzakrusten oder Gebäcken.

Laut der Deutschen Zöliakie-Gesellschaft leidet schätzungsweise etwa 1 von 270 bis 500 Menschen an Zöliakie—wobei die Zahl bis vor einigen Jahren noch bei einer von 1.000 bis 2.000 Menschen lag. Außerdem sind sich 80 bis 90% der Betroffenen ihrer Erkrankung gar nicht bewusst. Zahlreiche weitere Menschen entscheiden sich auch ohne eine Diagnose für eine glutenfreie Ernährung. Der Markt ist also riesig. Ob die Leute das Risiko eingehen wollen, um wieder Brot essen zu können, oder einfach weiterhin im Namen der Selbstpflege auf Baguettes verzichten, ist unklar.