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Ethischer konsum

Schmecken Bio- und Fairtrade-Produkte wirklich besser?

Die Fairtrade-Bioschokolade schmeckt besonders himmlisch? Das ist nur dein Gehirn, das dich austrickst.

Es gibt doch nichts besseres, als in ein Stück kräftige, dunkle Schokolade zu beißen, das biologisch von Arbeitern, die fair behandelt werden, hergestellt wurde. Ethisch produziertes Essen schmeckt einfach besser.

Oder?

Eine Studie, die kürzlich in der Fachzeitschrift Appetite veröffentlicht wurde, zeigt, dass Produkte, die (scheinbar) ethischer produziert wurden—genauer gesagt, die als als „Bio" oder „Fairtrade" gekennzeichnet waren—den Konsumenten besser schmecken als ihre verwerflichen Pendants, auch wenn die Bezeichnungen komplett erfunden sind.

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Um diese Hypothese zu überprüfen, präsentierten Dr. Boyka Bratanova und ihr Team der Dundee Business School einer Gruppe von Konsumenten identische Lebensmittel (Apfelsaft, Kekse und Schokolade) mit der Info, dass manche ethisch produziert wurden, andere nicht. Die Konsumenten probierten und bewerteten daraufhin die Lebensmittel. Dabei zeigte sich, dass einige Studienteilnehmer „moralische Befriedigung spüren, wenn sie Lebensmittel kaufen und konsumieren, die sie für ethisch produziert halten, und in weiterer Folge schmecken sie ihnen besser".

Bratanova betont, dass nur Konsumenten den Geschmack (scheinbar) ethisch produzierter Lebensmittel besser finden und moralische Befriedigung empfinden, wenn sie grundsätzlich Wert auf ethisches Essen legen. „Wenn sie die Gründe hinter Fairtrade- und Bioprodukten nicht wertschätzen, werden sie die moralische Befriedigung nicht spüren." Sie merkt jedoch an: „Wenn man ein Interesse dafür hat, dass Tiere artengerecht gezüchtet werden und Bauernhöfe nach biologischen Prinzipien handeln, ist der Genuss beim Konsum von ethischen Lebensmitteln sogar noch größer."

Natürlich hat die Tatsache, dass beispielsweise Apfelsaft mit Äpfeln aus biologischer Landwirtschaft hergestellt wurde, keine nachweisbaren Auswirkungen auf den Nährwert, die Qualität oder den Geschmack. Trotzdem hält die Studie daran fest, dass allein eine Kennzeichnung eines Lebensmittels als ethisch ausreicht, damit die Konsumenten einen besseren Geschmack erwarten.

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Diese Erwartung wiederum „verbessert das Geschmackserlebnis". Für Marketingabteilungen ist das eine ziemlich große Sache.

Na'eem Adam, ein erfolgreicher Marketingexperte im Lebensmittelbereich aus Montreal, sagt: „Das Konsumentenverhalten deutet darauf hin, dass die Leute lieber mehr als weniger über das, was sie essen, wissen wollen." Und was die Lebensmittelkennzeichnung angeht, sagt er: „Wir kreieren eine ehrliche Geschichte darüber, wo das Essen herkommt. Wenn ein Nahrungsmittel ethisch produziert wurde, ist das Teil der Geschichte und es sollte nicht fehlen. Es so zu positionieren, dass es deswegen besser schmeckt, sollten wir dem Konsumenten überlassen. Das hängt nämlich von den gesellschaftlichen und persönlichen Glaubenssystemen ab, nach denen wir leben. Trägt das etwas zur Geschichte bei? Ja. Und helfen diese Geschichten dabei, etwas zu verkaufen? Ja."

Im Vergleich zu anderen umweltfreundlichen Bemühungen—wie Recycling oder Spenden an Wohltätigkeitsorganisationen—, zeigte die Studie, dass nichts nur annähernd so beliebt ist wie der Konsum ethisch produzierter Nahrungsmittel. Die Begründung der Autoren: Ein doppelter Schlag für das menschliche Belohnungssystem; wir gönnen uns nicht nur selbst besser schmeckende Lebensmittel, wir tun der Welt dabei auch noch etwas Gutes.

„Essen ist nicht mehr nur eine Nährstoffquelle und ein geschmacklicher Genuss, sondern es wird zu einem physischen Artefakt, das für den Beitrag [zur Umwelt] steht." Das wunderbare Gefühl der doppelten Belohnung führt schließlich dazu, dass Konsumenten auch in Zukunft bereit sind, mehr Geld für ethisch hergestellte Produkte auszugeben.

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Genau wie Veganer und Vegetarier kein Fleisch mehr mögen, weil sie es für moralisch verwerflich halten, können Konsumenten für gewisse Lebensmittel eine Affinität entwickeln, weil sie sie für moralisch gut halten.

Dr. Stephan J. Guyenet, ein Forscher und Schriftsteller, der sich auf die neurowissenschaftlichen Aspekte hinter dem menschlichen Essverhalten spezialisiert, sagt, um noch besser zu verstehen, wie unser Gehirn uns vorgeben kann, wie gut uns gewisse Dinge schmecken, sollten wir uns das andere Ende des Spektrums ansehen. „Innerhalb der vegetarischen und der veganen Community gibt es eine Kultur, in der versucht wird, Fleisch mit abstoßenden Dingen in Verbindung zu bringen, um der natürlichen Vorliebe für Fleisch entgegenzuwirken, sei es durch Bilder von gequälten Hühnern, Gespräche über Parasiten im Fleisch, Salmonellen, Fäkalien, usw.", erklärt er.

„Vegetarier und Veganer entwickeln oft eine starke Aversion gegen den Geschmack von Fleisch, weil sie ihn mit den abstrakten Konzepten von Tierquälerei, Umweltschäden oder einem höheren Risiko für Herzkrankheiten in Verbindung bringen." Und genau wie Veganer und Vegetarier kein Fleisch mehr mögen, weil sie es für moralisch verwerflich halten, können Konsumenten für gewisse Lebensmittel eine Affinität entwickeln, weil sie sie für moralisch gut halten.

ARTIKEL: Warum TTIP für alle Europäer, die Essen mögen, eine schlechte Nachrichten ist

Letzten Endes stellt sich die Frage: Wenn wir glauben, etwas schmeckt besser, und wenn wir damit der Welt etwas Gutes tun, spielt es dann wirklich eine Rolle, ob ein Lebensmittel tatsächlich besser schmeckt? Lebensmittelproduzenten finden schon.

Während die Nachfrage nach ethischem Essen steigt, helfen Studien wie diese den Lebensmittelproduzenten dabei, ihr Return on Investment besser zu messen, und vielleicht bringt es den ein oder anderen Hersteller dazu, doch noch auf den Biozug aufzuspringen.