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Fischfang

Britische Fischer trauen sich was

In den letzten 10 Jahren sind in Großbritannien 94 der insgesamt 12.000 kommerziellen Fischer in Großbritannien auf See ums Leben gekommen. Auch weil sie durch EU-Gesetze immer weiter draußen fischen müssen.
Photo by the author.

Newlyn, Cornwall im Südwesten Englands: Eine milde Kälte macht sich in einem der historischsten Fischerhäfen Großbritanniens breit. Schmale, kurvenreiche Straßen ragen weit über der Mount's Bay. Im Zentrum der Stadt befindet sich der Fischmarkt, der immer noch der fünftgrößte im ganzen Land ist, wenn es nach gefangenem Fisch geht.

Seit Jahrhunderten nippen Fischer hier an ihrem Bier und stechen in See. Auf der Promenade, wo die Stadt an ihre größere Schwester Penzance grenzt, steht eine große Statue; ein korpulenter Mann, der ein Seil Richtung Wasser wirft—eine bewegende und freundliche Erinnerung an die Opfer, die viele hier vollbracht haben.

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In eines von Newlyns Fischerpubs zu gehen und jemanden zu treffen, der nicht von einer Seefahrtstragödie heimgesucht wurde, ist ziemlich schwierig. In der maritimen Welt ist die Gemeinschaft genauso eng geknüpft wie die Netze, von denen ihre Arbeit abhängt. Und jeder hat eine Geschichte.

Photo courtesy of Salt of the Earth.

Barry Ead und Don Liddicoat. Foto von Salt of the Earth.

Fishermen's Mission ist die einzige Wohltätigkeitsorganisation, die Fischern in schwierigen Zeiten unter die Arme greift. Ich besuchte ihren Sitz in Newlyn während einer Buchpräsentation. Das Projekt mit dem Titel Salt of the Earth hält die Gesichter von Personen fest, die am Hafen leben und arbeiten, mit passenden Anekdoten zu ungezogenen Hummern und Geschichten von geschwänzten Schulstunden, um ein paar Makrelen zu fangen.

Auf vielen Seiten des Buchs schwingt ein erschütternder Schmerz mit. Im ersten Portrait sehen wir Don Liddicoat. Unter seinem Bild steht ein mitreißendes Zitat, das seine mächtigen Gefühle widerspiegelt: sein Bruder Paul verlor mit nur 16 Jahren auf See das Leben. „Seine Leiche wurde nie gefunden", sagt Liddicoat, „also konnten wir ihn nie zur letzten Ruhe betten."

In den letzten 10 Jahren sind 94 der insgesamt 12.000 kommerziellen Fischer in Großbritannien auf See ums Leben gekommen.

Im Annual Blessing of the Fleet, einem Gedenkgottesdienst, werden die Namen der verstorbenen Fischer am Ufer vorgelesen. Denn Paul ist bei Weitem nicht das einzige Opfer. Seafish, eine Organisation, die versucht, das Risiko auf offener See für Fischer zu minimieren, berichtet, 94 der insgesamt 12.000 kommerziellen Fischer sind in den letzten 10 Jahren in Großbritannien auf See ums Leben gekommen, 529 erlitten schwere Verletzungen und 210 Schiffe sind verschwunden.

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Der Hafen in Newlyn. Foto vom Autor.

Gerade vorletzten Monat verlor ein 45-Jähriger Kapitän 160 km östlich einer schottischen Insel bei seiner Arbeit das Leben.

Schottlands zuständiger Minister Richard Lochhead sagte, „alle Fischer-Communitys fühlen mit und es ist eine furchtbare Erinnerung an die Gefahren, denen sich die Fischer täglich stellen müssen, damit wir unseren Fisch bekommen."

„Das ist einfach meine Arbeit, so ist das einfach. Was soll ich auch sonst tun?"

Jonathan Madron, der den meisten als „Guns" bekannt ist, fischt schon seit seiner Kindheit und ist sich des Risikos durchaus bewusst. „Es ist verdammt gefährlich. Boote gehen unter. Ich hatte Glück, aber wir haben schon einige Männer verloren."

Guns wirkt locker und unerschütterlich: „Das ist einfach meine Arbeit, so ist das einfach. Was soll ich auch sonst tun?"

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Bill Johnson.

Bill Johnson, ein weiterer kornischer Fischer, ist zwar der Meinung, dass sich die Sicherheitsbedingungen in der Branche verbessert haben, sieht aber die EU-Quoten als großes Problem, die die Fischer dazu zwingen, in abgelegeneren Gebieten zu fischen und somit ein höheres Risiko eingehen. „Die Quoten zwingen die Fischer Dinge zu tun, die sie normalerweise nicht tun würden. Es gibt Scholle, Seezunge und Rochen in unseren Gewässern, aber die Quoten sind voll. Deshalb fahren alle weiter hinaus, um Steinbutt und Glattbutt zu fangen."

Es geht jedoch nicht nur um die Gefahren. Die Fischer setzen sehr viel aufs Spiel für wenig Belohnung. In diesem Teil von Cornwall, und auch manchen anderen, spüren die Familien immer noch die Nachwehen der starken Stürme, die in der Gegend kürzlich tobten. Ohne Pension, ohne Versicherung im Todesfall und wenn es kein Geld zu verdienen gibt, weil die See zu gefährlich ist, bleibt die Belohnung manchmal ganz aus. Sogar wenn sie Eimer voller Seeteufel, die in Supermärkten teuer verkauft werden, oder Seezungen, für die in Restaurants feine Summen hingelegt werden, fangen, verdienen die Fischer trotzdem nur um die 12.000 Pfund pro Jahr (ca. 15.000 Euro).

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Ein Fischladen in Newlyn.

Julian Waring, von der Fishermen's Mission in Newyln hat das Gefühl, dass die Arbeit der Männer, die für unser Essen ihr Leben riskieren, oft keine angemessene Wertschätzung erhält.

„Es gibt Fischer, die ihre Arme, Beine oder Füße verloren haben. Sie können nicht mehr arbeiten. Für diese Leute gibt es nicht viele Jobs—alles, was sie je gemacht haben, ist fischen. Es stimmt schon, die Leute denken nicht sehr viel darüber nach, wenn sie Fisch essen. Es ist wichtig, nicht zu vergessen, wie der Fisch auf unseren Tellern gelandet ist. Teilweise unter Lebensgefahr."

In den letzten Jahren ist die Wertschätzung für unser Essen gestiegen. Wir verstehen, was Nachhaltigkeit bedeutet, wie ein Gewerbe funktioniert, was Regionalität heißt, welchen ökologischen Herausforderungen wir uns stellen müssen, und welche E-Nummer was bedeutet.

Wenn wir also das nächste Mal am Tisch sitzen und Heilbutt mit dampfenden Herzmuscheln in Butter mit groben Körnern Meersalz gespickt speisen, wäre es an der Zeit, sich den wahren Preis unseres Festmahls vor Augen zu halten.