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Eine Woche Emoji-Diät

Kelsey Rexroat hat sich eine Woche lang ausschließlich von den in den Emojis abgebildeten Nahrungsmitteln ernährt.
59 Lebensmittel standen zur Auswahl. Bild: Gregana Petrova

Nein, eine Emoji-Diät bedeutet nicht, weniger Bildchen und mehr Worte zu benutzen. Auch wenn das vielleicht keine schlechte Idee wäre, um deine schriftliche Ausdrucksweise zu trainieren (was war noch mal das Wort für :-( ?).

Nachdem wir dank Emoji-Yoga schon unter professioneller Anleitung unsere exakten Gefühlszustände in Form einer Yogapose ausdrücken können, erkundete nun die New Yorker Autorin Kelsey Rexroat die weißen Flecken auf der Landkarte des partizipativen Emoji-Gonzo-Journalismus: Ausgehend von der Frage, wieso viele alltägliche Lebensmittel nicht im Standard-Emojiset anzutreffen sind, stellte sie sich der Herausforderung, für eine Woche ausschließlich die in den Emojis abgebildeten Dinge zu essen.

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Im Folgenden die Regeln:

1. Für sieben Tage gibt es nichts anderes als Emoji-Essen auf dem Teller.

2. Jedes einzelne der 59 verfügbaren Lebensmittel muss mindestens einmal verspeist werden.

3. Die Kombination von einzelnen Emoji-Lebensmitteln zu neuen Rezepten ist erlaubt.

DIE HALBE WOCHE IST UM UND ICH HABE JEDEN ABEND VERSCHIEDENE ALKOHOLIKA GETRUNKEN.

Kelsey Rexroat konsultierte zunächst die Emojipedia, um ihre zukünftigen Mahlzeiten exakt zu identifizieren. Die dortigen Definitionen lauteten beispielsweise "Fischkuchen mit spiralförmigem Muster". Andere beschriebene Lebensmittel ließen ihr mehr Freiraum bei der Ausgestaltung wie zum Beispiel das Symbol "Topf mit Essen". Der verbotene Einsatz von Klassikern des Vorratsschranks wie Knoblauch oder Zwiebeln führte ebenfalls zu kleineren Hürden bei der Selbstversorgung - immerhin gibt es seit Juni 2014 eine Peperoni.

Fassen wir zusammen: Die Ernährung ist stark reisbasiert und es gibt kaum Milchprodukte, Salate oder Sandwiches. Dafür hatte Rexroat schöne Abende mit Cocktails, Rotwein und Sekt. Tatsächlich ist die Emoji-Diät ist nicht unbedingt zum Abnehmen weiterzuempfehlen, ist sie doch deutlich alkohol-, stärke- und insbesondere zuckerbetont.

Zwar gab es Frühstücksmoothies und Fischnigiri, doch ein zwangsweise einverleibter Sixpack Bier, Crème Brûlée, Kuchen und Eiscreme, um alle Nahrungsmittel binnen der gesetzten sieben Tage unterzubekommen, gehen schon mächtig auf die Hüfte: "Die halbe Woche ist rum und ich habe jeden Abend verschiedene Alkoholika getrunken".

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Rexroat musste sich zunächst auf die Suche nach japanischen Restaurants machen, die Spezialitäten wie Oden servierten, eine Dashi-Brühe mit Sojageschmack, hartgekochten Eiern, Daikonrettich, Fischbällchen und einer Pflanze namens Teufelszunge, die zu einer geleeartigen Masse verarbeitet wird. In Japan ein klassisches Wintergericht, in einer Metropole wie New York City schon eine kleine investigative Herausforderung.

Außerdem entdeckte sie auf einem japanischen Markt Dango, einen Spieß mit elastischen kleinen Reismehlknödeln, die als Streetfood-Snack in Japan verkauft werden.

Dango, Reismehlknödel am Spieß. Bild: Wikimedia | Lizenz: CC-BY-2.0

Verleitet das Unicode Consortium also zur Mangelernährung? Nicht unbedingt: Das Obst zum Frühstück und die Rezepte, die Rexroat sich selbst ausdachte, waren durchaus gesund; so zum Beispiel das improvisierte Ratatouille aus gerösteter Süßkartoffel, Aubergine und Tomate. Auf der gesundheitsfördernden Seite konnte sie den verstärkten Einsatz von Meeresfrüchten und frischen Obst verbuchen, nur an den späteren Tagen stand nichts mehr zur Auswahl außer Burger, Fritten, Keksen und "tropischen Cocktails"— Rexroat fühlte sich "einen Tag später noch aufgedunsen von dem Stärke-Gelage".

Einen Verdacht bestätigt auch der Echtzeit-Trackingdienst für Twitter Emojitracker (Achtung, Epilepsiewarnung!). Mit ihm lässt sich herausfinden, welche Emojis gerade am häufigsten verwendet werden: Wir kommunizieren eher wenig Äpfel, deutlich häufiger aber ungesund-soziale Lebensmittel wie Pizza und Bier.

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Die Emojis werden vom Unicode Consortium herausgegeben und regelmäßig aktualisiert; das letzte Update dieses Jahres führte jedoch ausschließlich zu einer popeligen Chilischote als letzte Ergänzung der Nahrungs-Symbolfamilie. Ursprünglich wurden die kleinen 2-Byte-Icons als Set für einen japanischen Telefonhersteller entwickelt, was die ostasiastische Ausrichtung erklärt. Erst vor kurzem wurde mit Erfolg eine größere kulturelle Diversität im Emojiset diskutiert. Währenddessen prangert eine Facebookgruppe die Abwesenheit von Tacos an, auf Twitter werden Avocados eingefordert, und bei change.org Petitionen eingegeben, die Barack Obama auffordern, einen Hot Dog ohne Ketchup in das Set aufzunehmen.

Kelsey Rexroat hat trotz aller Limitierung nicht geschummelt—sie widerstand sogar der Versuchung, komplette Tier-Emoticons wie Kuh als technisch essbar in ihren Speiseplan zu integrieren. Auch den gutgemeinten Versuch eines Freundes, ihr einen Taco mit Hilfe der Tastatur zu zeichnen, ließ sie nicht gelten. Um in letzter Sekunde noch den Geburtstagskuchen unterzukriegen, feierten sie und ihre Freunde das erfolgreiche Ende ihres Experiments mit Martinis, Spare Ribs, Hähnchenschenkeln und einem Toast auf das Geburtstagskind Tom Hanks.

Der alltägliche Ausdruck mittels Emojis geht uns leicht von der Hand, obwohl uns viele der verwendeten Spezialitäten eher unbekannt sind. Vielleicht kommunizieren wir ja in einigen Jahren etwas selbstverständlicher Oden und Dango. Rexroat bilanzierte jedenfalls, dass ihr das Experiment den Variantenreichtum der japanischen Küche vor Augen geführt hat, deren Verfügbarkeit in ihrer Heimatstadt sie zuvor nicht wahrgenommen hatte. Am Ende stand nur ein leichtes Minus in ihrer Kasse, da sie den Inhalt ihres Vorratsschranks größtenteils ignorieren musste. Außerdem erzählte sie mir, dass sie sich nach dem Experiment nun noch gesünder ernährt als vorher, insofern war es ein voller Erfolg.

Und apropos Experimente: Ein Paar aus New York ging zur Erforschung ihres "emotionalen Vokabulars" noch einen Schritt weiter und schickte sich einen Monat lang ausschließlich Emoji-Textnachrichten—sie fanden letztlich, es verbesserte ihre Beziehung. Also lässt sich abschließend festhalten: Noch ein paar kleine Updates und Emojis werden die Welt retten.