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Dieses gerade freigegebene Video zeigt das ganze Grauen der US-Chemiewaffentests

Die US-Navy testete die erschreckende Effizienz ihrer biologischen Kampfstoffe in den 1950ern in detailreichen Tests auch im eigenen Land aus—und drehte anschließend einen nüchternen Werbespot über ihre Fähigkeiten.
Screenshot: US Navy

Es ist gemeinhin bekannt, dass die USA zu den wenigen Ländern der Erde gehören, die im Laufe ihrer Geschichte auf die grausame Überlegenheit chemischer und biologischer Waffen gesetzt haben. Doch dieses gerade erst freigegebene Video verdeutlicht noch einmal die Vehemenz, mit der die Navy ihre Arsenale aufgerüstet hat—und auch, wie großflächig sie die Wirkung der chemischen und biologischen Waffen austestete.

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Der 14-minütige Film mit dem Titel „Naval Concepts of Chemical and Biological Warfare" ist ein Zeitdokument aus dem Jahr 1952 und scheint ein von dem US Naval Photographic Center produziertes Trainingsvideo zu sein. Es beschreibt detailliert Taktiken und Leistungsfähigkeit der „offensiven biologischen und chemischen Kriegsführung" der Navy und demonstriert zusätzlich zwei großangelegte Tests mit nicht-gesundheitsschädlichen Mitteln innerhalb der USA. Im Video wird zwar nicht gesagt, um welche Chemikalien es sich bei den Tests genau handelt, es sollen jedoch Ersatzmittel sein, die im Ernstfall problemlos durch biologische Waffen ausgetauscht werden können.

Im Video berichtet der Erzähler detailliert von der verheerenden Ausbreitung des Testmittels:

„Die Auslieferung und Verteilung der Mittel begann mit den Tests im Jahr 1950. Auf einem Minenleger wurde eine erste Version des Spritzsystems installiert, welcher dann im September des Jahres heimlich an der Kalifornischen Küste entlangfuhr und in einer Entfernung von drei bis acht Kilometern vor der Küste um die 190 Liter eines biologischen Simulants versprühte. Innerhalb von einer Stunde wurde das Simulant vom Wind an Land gespült. Stichproben bewiesen, dass eine Fläche von 124 Quadratkilometern kontaminiert war. Da es sich hierbei um eine bevölkerungsreiche Gegend mit vielen Strandbesuchern handelt, wäre beim Einsatz eines giftigen Stoffes mit 210.000 Verwundeten zu rechnen gewesen."

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Als wäre das nicht schon unheimlich genug, führte die Navy nicht ganz zwei Jahre später noch größere Tests an den Küsten von North Carolina, South Carolina und Georgia durch.

„Die USS Tercel kreuzte 160 Kilometer vor der Küste und versprühte elf Kilogramm fluoreszierende Indikatorpartikel. Die ganze Operation dauerte acht Stunden", so der Erzähler. „Alle in North Carolina, South Carolina und Georgia unternommene Sampletests zeigten, dass sich die Partikel auf ein Gebiet von 518.000 Quadratkilometern ausgebreitet hatten."

Screenshot: US Navy

Das Video wurde letztes Wochenende bei Government Attic veröffentlicht, einem Archiv für Regierungsdokumente und -videos, und es lässt deine Kinnlade beim Anschauen immer weiter herunterklappen. Das filmische Zeitdokument beschreibt mit größter Präzision einen Flugkörper, der dazu konzipiert wurde, „einen mit einem Mittel gefüllten Behälter über das Zielgebiet zu fliegen und die Gegend dabei automatisch zu besprenkeln." Auch die Verbreitung chemischer Waffen von Minen vor der Küste von Key West, Florida und noch verschiedene andere wasser- oder landbasierte Methoden zur Kontaminieren großer Flächen werden ausführlich erörtert. Über diese Tests waren zwar bereits zuvor Informationen öffentlich bekannt, aber das nun freigegebene Video führt in seiner unzweideutigen Nüchternheit dennoch entlarvend die ganze Hybris der Bio- und Chemiewaffenforschung vor Augen.

Dem Video zufolge wurden Biowaffen speziell für zwei Angelegenheiten entwickelt: „Um die Nahrungsproduktion des Feindes durch Zerstörung seiner Ernte und Nutztiere zu vermindern und gleichzeitig seine Armeen kampfunfähig zu machen. Die Navy arbeitet daran, diese Ziele mit biologischen wie auch chemischen Mitteln zu erreichen."

Die Tests wurden auf der Höhe des Kalten Krieges durchgeführt und möglicherweise während der Nixon-Ära wieder eingestellt. Allerdings zeigt das Video nur einige der Taktiken, die die USA unter der Fahne der biologischen Kriegsführung erforscht haben (und es möglicherweise auch noch tun).

„Das Ausmaß dieses experimentellen Erbes ist bestürzend", schreibt Jeanne Guillemin, eine Expertin für biologische Waffen am Boston College, in ihrem Buch Anthrax. „Am erschreckendsten sind die Täuschungsszenarien, die in städtischen Gebieten durchgespielt wurden: Glühbirnen, gefüllt mit unechten Mitteln der biologischen Kriegsführung wurden in New Yorker U-Bahnen fallen gelassen oder Männer versprühten am Washington National Airporte Pseudo-Biowaffen aus ihren Aktentaschen. Ähnliche Tests wurden in Kalifornien, Texas und über den Florida Keys durchgeführt."