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Trips in der Virtual Reality: Wird Oculus Rift die nächste psychedelische Droge?

Ich habe einen Tag lang mit Hilfe von Oculus Rift versucht, meine Reisen durch virtuelle 3D-Welten zu einer psychedelischen Erfahrungen zu machen.
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Ich schnalle mir das Universum auf mein Gesicht.

Aus den Lautsprechern meines Raumschiffes dröhnen Synthesizer im Staccato-Takt, während ich langsam aus der Luftschleuse gleite. Sterne erleuchten mir meine Umgebung, meine Sicht wird nur gelegentlich von interstellarem Staub und violettem Nebel getrübt. Ich bemerke, wie die Bewegungen meines Kopfes mein Raumschiff steuern. Ich bewege mich durch den Kosmos.

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Unabhängig von der Menge an Cocktails, die ich schon intus haben, fühle ich mich ganz schön benommen. Ich sollte ein Raumschiff nicht besoffen fliegen, schießt es mir durch den Kopf. Vergiss es. Konzentriere dich. Ich schwenke meinen Kopf wie ein neurotischer, humanoider Gefechtsturm, und umfliege Asteroiden und schieße feindliche Raumschiffe ab. Meine Gegner lösen sich in beglückende, wenn auch unrealistische Feuerbälle à la in Star Wars auf.

Der PC ist das LSD der 90er

Die Erde habe ich jedoch in Wirklichkeit nie verlassen. Ich habe mir einfach nur ein Oculus Rift Virtual Reality Headset um den Kopf geschnallt. In meine Ohren habe ich Anti-Lärmkopfhörer gestopft, so dass mich das Kichern meines Biertrinkenden Freundes, der neben mir sitzt, nicht ablenkt. Gelegentlich versenke ich meinen Kopf in meinem Schritt um Überschläge und andere Ausweichmanöver zu fliegen.

Es ist ein echter Trip. Auf mehr als nur eine Art.

Meines Gehirn ist fest davon überzeugt nicht hier auf der Couch, sondern weit da draußen im digitalen Universum zu sein—insbesondere mein leicht hereinzulegender Hinterhauptlappen. Auch wenn sich mein Körper in der Ferienwohnung eines Freundes am Strand von Long Island befindet, rast mein Bewusstsein durch die Weiten des Weltraums wie eine australe Projektion—ich fühle mich in diese Szene eines psychedelischen Driftens in 2001: Odyssee im Weltraum versetzt.

Eine Jahrtausende alte Geschichte

In den Worten, mit denen Jim Blascovic von der Universität von Kalifornien in Santa Barbara mir meine Erfahrung später zu erklären versucht, hört sich mein Erlebnis ungleich nüchterner: „Virtuelle Technologien sind Geräte und Möglichkeiten, die uns an einen Ort transportieren, an dem wir uns physisch gar nicht aufhalten.“

Blascovic ist Verfasser des Buches mit dem vielversprechenden Titel Infinite Reality. Für ihn sind diese Technologien eine Erweiterung archaischer Rituale, zu denen eben auch der Genuss psychedelischer Drogen gehört. Als Psychologieprofessor und stellvertretender Direktor des Forschungszentrums für Virtuelle Umgebungen und Verhalten ist Oculus Rift für ihn nichts neues: „Alles begann eigentlich schon vor tausenden von Jahren mit dem Erzählen von Geschichten.“

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Die Biologie des menschlichen Eskapismus

Menschen lieben Eskapismus—das ist sogar biologisch verankert. Wir tagträumen in nahezu einem Drittel unserer Wachzeit. Und auch jede Nacht durchlaufen wir vier bis sechs mal Traumvorstellungen. Unsere Vorfahren schmückten ihre Höhlen mit Zeichnungen, erzählten Geschichten, schufen Kunstwerke, die Schrift, Literatur, Theaterstücke, die Druckerpresse, Fotographie, Kinofilme, Videospiele und das Internet. Nun haben wir eben die Virtuelle Realität.

„Unser Geist verlässt andauernd unsere unmittelbare Realität. Wir träumen und wir nehmen Drogen, um andere Welten zu erleben und um wieder runterzukommen“, sagte Blascovich. Tragbare Datenbrillen und 3D-Bildschirme wie Oculus Rift sind einfach nur die nächste Stufe in der Evolution menschlicher Bewusstseinserweiterung.

Die virtuelle Realität und bewusstseinsverändernde Drogen haben zumindest konzeptionell schon vor längerer Zeit zueinander gefunden. Einer der lautstärksten Fürsprecher halluzinogener Drogen hat in seinem Leben später nicht zufällig die Segnungen der Kybernetik als neues Heilmittel propagiert. Der Harvard-Professor und LSD-Prediger Timothy Leary der 1960er Jahre sprach in seinem letzten Buch Chaos und Cyberkultur begeistert vom Potential der neuen Informationstechnologien: „Der PC ist das LSD der 90er.“

Ich habe den VR-Forscher Albert „Skip“ Rizzo kontaktiert, der ein Programm zur Behandlung von PTBS-Patiententen mit „medizinischer“ virtueller Realität leitet. Er zeigte sich deutlich skeptischer, was die aktuelle Umsetzung von virtueller Realität als Ersatz für halluzinogene Erlebnisse angeht:

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„Ich glaube nicht, dass VR halluzinogenen Erfahrungen wirklich Konkurrenz macht. Jedenfalls noch nicht. Wir könnten zwar virtuelle Realitäten mit optischen Illusionen bauen und mit dem Wahrnehmungsystem der Nutzer spielen; wir können es so aussehen lassen, wie eine halluzinogene Erfahrung. Soweit ich weiß, hat dies jedoch glaube ich noch niemand gemacht.“

Nichtsdestotrotz können sowohl psychedelische Drogen als auch die virtuelle Realitäten unsere sensorische und emotionale Wahrnehmung stark beeinträchtigen. Ich fragte Rizzo, ob er denke, dass die VR-Technologie das gleiche Schicksal ereilen könnte wie die Drogenkultur. Immerhin gibt es schon Rehabilitationskliniken für Gaming-Sucht. Werden eines Tages bewusstseinsverändernde Technologien reguliert oder verboten werden?

„Es wäre schwierig für ein Verbot von virtueller Realität zu argumentieren. Schließlich müsste man dann auch Filme, Bücher und Disneyland verbieten.“ sagte Rizzo. Dennoch denke er, dass Regulierungsmaßnahmen nicht weit hergeholt sind, ähnlich wie bei Kinofilmen oder Spielen.

Im Laufe der nächsten Stunden und des Abends stelle ich meinen Alkoholkonsum nicht ein, während ich tiefer in alternative, virtuelle Welten eintauche. Ich mische dabei klassische Formen der Intoxikation mit der futuristischen Version. Ich spiele Pong mit meinem Gesicht, springe Fallschirm, fahre Achterbahn durch ein mittelalterliches Schloss; ich segle über Wolkenkratzer und schwebe durch ein verfluchtes Landhaus, während mich ein Dämon verfolgt.

Die Szenen dieses Kampfes werden unscharf, während ich meinen Kopf umher schwinge. Sofort wird mir schwindelig—ähnlich der Folgen von ungehemmtem Vodkakonsum. Mein Magen verkrampft sich zu einem Knoten. Mir wird übel und die Genussgetränke, die ich bisher konsumiert habe, wirken sich nicht gerade förderlich aus.

Ohne es zu ahnen bin ich mitten in das „unconfortable valley“ hinein gestolpert—eine Phase des Unwohlseins in der Wahrnehmung, die das VR-Äquivalent zum „uncanny valley“ in der Robotik darstellt, dem Moment in unserer Wahrnehmung von humanoiden Robotern, an dem sie uns ungewöhnlich unheimlich erscheinen, statt wie Menschen zu wirken. Wired beschreibt diese Wahrnehmungslücke prägnant: „Wenn du deinen Kopf drehst und das Bild nur wenige Zentimeter vor deinen Augen, sich nicht direkt mit dir dreht, entsteht ein neuraler Konflikt zwischen deinem Gleichgewichts- und deine Sehsystem, wovon dir übel wird.“

Ich reiße mir das Rift vom Gesicht, komme in die reale Realität zurück und lasse mich ins Sofa sacken. Mulmig und offensichtlich ernüchtert erinnere ich mich an die Worte von Chris Dixon—einem prominenten frühen Investoren in der Entwicklungsphase von Oculus Rift bei Andreessen-Horowitz. In der New York Times schrieb er: „Der größte Konkurrent für die virtuelle Realität wird wahrscheinlich der Wein sein.“

Dem kann ich mich nur anschließen. Kenne dein Limit—wo auch immer das in der virtuellen Realität sein wird. Handle auch auf den virtuellen Trips der Zukunft verantwortungsbewusst.