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In diesem Coworking-Space muss man auch wohnen, darf aber keinen Sex haben

Das PodShare-Projekt verleiht dem Begriff Home-Office eine ganz neue Bedeutung.
Der PodShare-Standort in Downtown L.A. | Bild: PodShare

Habt ihr auch manchmal das Gefühl, dass ihr mehr Zeit auf der Arbeit als Zuhause verbringt und eigentlich nur zum Schlafen in die eigenen vier Wände zurückkehrt? Durch unsere gewandelte Arbeitswelt, in der wir einerseits flexibler sind und auch mal von Zuhause aus arbeiten können, andererseits aber auch ständig erreichbar sein müssen und die Arbeit nicht auf dem Bürotisch liegen lassen können, bekommt der Begriff Home-Office eine ganz neue Bedeutung. Längst sind in vielen Bereichen Lebens- und Arbeitswelt verschmolzen. Miete für unser Zuhause zahlen wir trotzdem, und die Preise steigen stetig.

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Nun sind alternative Wohngemeinschaften für Digital Natives auf dem Vormarsch, in denen ihr nicht nur in Ruhe arbeiten, sondern auch schlafen könnt. Das Konzept von PodShare, einer Coworking-Unterkunft mit Betten, die es bereits drei Mal in Los Angeles gibt, deckt die Grundbedürfnisse einer neuen Generation von Arbeitnehmern und Reisenden ab.

Die Unternehmerin Elvina Beck und ihr Vater haben PodShare 2012 gegründet und beschreiben ihr innovatives Projekt als „gemeinsamen Lebensraum". Dieser wurde hauptsächlich für mobile Arbeiter, aber auch für sogenannte „Social Travelers", denen Hotels zu unpersönlich sind, gebaut. Sie können die Betten für einen Preis zwischen 35 und 50 US-Dollar pro Nacht mieten.

Im Gegensatz zu Hostels, die locker mal 100 Betten beherbergen, werden bei PodShare nur etwa 10-30 Schlafgelegenheiten angeboten, die man tagsüber praktischerweise in einen Schreibtisch verwandeln kann.

„Durch PodShare kann man einfach günstiger leben. Wir verlangen weder Kaution noch Bereitstellungskosten für die Möbel", so Beck. „Das Leben im Pod ist die Zukunft für Singles, die nicht sesshaft werden wollen, sondern sich lieber auf ihre Karriere konzentrieren, in der Welt herumreisen und Neues erleben möchten."

Die drei Standorte, die relativ minimalistisch im Industrie-Stil gebaut sind, verfügen über Klappbetten, Nischen für Nickerchen, mehrere Xbox 360 und sind über einen Eingangscode rund um die Uhr zugänglich. Wer sich in den PodShares aufhält kann arbeiten, sich ausruhen und neue Leute kennenlernen. Zum Wäsche waschen und gemeinsamen Kochen bieten sich die Gemeinschaftsräume an.

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Auf der Website von PodShare wimmelt es nur so von den typischen Schlagwörtern der Millennial-Generation: Share Economy, Pod-Kultur, nomadische Freelancer, Zugang statt Eigentum—und in Hinblick auf die Kunden spricht man sogar von Podestrians.

„Wir möchten ein soziales Netzwerk gestalten, das eine physische Adresse hat", sagte Beck. „Durch unsere offene Raumaufteilung ist die Wahrscheinlichkeit, auf andere ‚Social Travelers' zu treffen, bei uns am höchsten. Mit Hostels hat unser Konzept nichts zu tun—wir sind eine Lebens- und Arbeitsgemeinschaft."

Ein weiterer Vorteil der PodShares: Sie befinden sich stets zentral in der Nähe öffentlicher Verkehrsmittel, was den Reisenden entgegen kommt, von denen die meisten kein Auto haben. Diejenigen, die einchecken, können grob gesagt in drei Gruppen unterteilt werden: Reisende, Leute, die in L.A. auf Wohnungssuche sind und Arbeitnehmer, die nur begrenzte Zeit in einer Stadt bleiben.

Die geteilten Unterkünfte erinnern aber in keinster Weise an die Kapsel-Hotels aus Japan, die nur Männern vorbehalten sind. Hier übernachten in etwa gleich viele Männer wie Frauen (59 Prozent Männer, 41 Prozent Frauen). Im Gegensatz zu den Kapselhotels stehen die wenigen Türen hier außerdem offen, es geht in erster Linie um das Gemeinschaftsgefühl. Beck und ihr Team haben vor, weitere Unterkünfte einzurichten, um der weltweiten Einsamkeit mit einem globalen Netzwerk an PodShares ein Ende zu setzen.

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„Die Idee zu dem Ganzen kam mir, weil ich selbst einfach genug davon hatte, einsam zu sein, und nie wieder alleine und ohne Freunde sein wollte", erklärte Beck.

Gesagt, getan. Nun ist Beck wahrscheinlich nie alleine. Sie lebt in dem Pod mit 23 ständig wechselnden Mitbewohnern, von denen 84 Prozent aus aller Welt kommen. Die Unterkünfte sind durchschnittlich zu 92 Prozent belegt und 19 Prozent der Gäste kommen noch mal zurück. In den vergangenen vier Jahren haben mehr als 4.000 Menschen in den PodShares übernachtet (und besonders begeisterte Besucher haben sich sogar ein Tattoo mit dem PodShare-Logo stechen lassen).

Im Mittelpunkt des Ganzen steht die Gemeinschaft. „Beim Check-In sagen wir den Leuten direkt: ‚du bekommst deinen eigenen Pod, alles andere teilen wir uns hier aber'", erklärte uns Beck.

„Wir alle teilen uns einen Raum, unsere Namen stehen über unseren Betten, jeder kocht etwas anderes, benutzt andere Hygiene-Produkte und hört andere Musik—und genau wegen dieser Vielfalt reisen die Menschen so gerne", fügt Beck hinzu.

Selbst bei Meetings von Beck und ihrem Team, in denen unter anderem auch Details über die Unternehmensführung besprochen werden, dürfen interessierte Gäste zuhören.

„Wir freuen uns immer über rege Teilnahme", sagte Beck. „Die Pods sind alle um einen Gemeinschaftsbereich aufgestellt statt in einer Ecke, in der man sich leicht ausgeschlossen fühlen könnte. Denn hätte Gemeinschaft eine Form, wäre sie ein Kreis."

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Könnten Pods vielleicht die Zukunft des Lebens in Städten sein, in denen die Mieten rasant ansteigen? Es ist sicherlich nicht jedermanns Ding, aber eine Sache hat sich bereits gezeigt. „Bezahlbares, flexibles, gemeinsames Leben im Zentrum ist extrem gefragt."

Um so weit wie möglich ein gutes Miteinander zu garantieren, müssen die potenziellen Gäste vorab einige Angaben über sich selbst machen, und im Nachhinein erhält jeder auf der SharePod-Profilseite eine persönliche Beurteilung.

„Die Pods stehen einander absichtlich gegenüber, damit die Gemeinschaft sich gegenseitig im Blick behält."

„Klar hören die Leute lieber Horror-Geschichten über schreckliche Besucher, aber durch unsere Überprüfung vor der Anreise und Bewertung nach der Abreise können wir sicherstellen, dass wir nette, normale und soziale Gäste empfangen", erklärte Beck.

Trotz günstiger Preise und der zentralen Lage gibt es aber definitiv eine Sache, nach der sich vor allem Gäste, die länger bleiben, schon bald sehnen werden: Privatsphäre. In den Pod-Regeln ist auch das Sexverbot enthalten. Dieses einzuhalten dürfte aber vor allem Pärchen schwerfallen, die Pods mit gemütlichen King-Size-Betten haben und so auf Reisen viel Geld sparen können.

„Die Pods stehen einander absichtlich gegenüber, damit die Gemeinschaft sich gegenseitig im Blick behält", so Beck.

Nichtsdestotrotz finden die Podestrians zueinander.

„Ein Typ aus Michigan hatte seine Sachen gepackt und ist den ganzen Weg hierher gefahren und lernte dann ein Mädchen kennen, das aus Paris gekommen war. Er der typische, bärtige IT-Typ, der auch bei Null Grad noch Sandalen trägt. Sie hingegen die tättowierte, alternative Künstlerin. Nach drei Monaten bei uns im PodShare hatten sie sich ineinander verliebt und leben nun zu zweit in einer Wohnung in L.A."

So gut wie jeder kann es sich leisten, im PodShare unterzukommen. Alles, was man braucht sind die paar notwendigen alltäglichen Utensilien. Die Gemeinschaft, die heutzutage für viele immer wichtiger wird, findet man dann vor Ort.

„Wir versuchen, so viel Geld einzunehmen, dass es den Kunden gegenüber immer noch fair bleibt, wir aber gleichzeitig auch genug Gewinn machen, um weitere PodShares bauen zu können", erzählte uns Beck. „Die Mitgliedschaft pro Tag, Woche und Monat ist so ausgelegt, dass jeder, der seine Zahnbürste und frische Unterwäsche mithat, hier trotz nicht ganz so vollem Geldbeutel auf großem Fuß leben kann."