Wie Ex-Googler und ein SM-Filmemacher eine anonyme Pornosuchmaschine entwickeln
Colin bei seinem zweiten Hobby: Boote restaurieren. Alle Bilder: Colin Rowntree. Mit freundlicher Genehmigung

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Wie Ex-Googler und ein SM-Filmemacher eine anonyme Pornosuchmaschine entwickeln

Kann eine Suchmaschine für Pornos nach ethischen Prinzipien handeln, die Google in den Schatten stellen? Wir haben mit Colin Rowntree, dem Pornoregisseur und Erfinder von Boodigo, gesprochen.

Colin Rowntree kennt als Regisseur unzähliger Sadomaso-Filmchen die US-Pornoindustrie von innen. So weiß er auch, dass es immer schwerer wird, die Früchte der Porno-Arbeit im Internet zu ernten, denn eine öffentliche, digitale Wahrnehmung mit den Werken zu erreichen erweist sich als zunehmend mühsamer. Regierungen wie in Großbritannien weiten die Internetzensur für pornografische Inhalte aus, während große Mainstream-Medien nur schüchtern Pornos bewerben—obwohl diese doch gefühlte 70 Prozent des Internets ausmachen. Um diese Malaise aus verschämter Nicht-Auffindbarkeit und Internet-Omnipräsenz zu lösen, hat der 55-jährige Colin Rowntree zusammen mit einigen ehemaligen Google-Mitarbeitern BoodiGo entwickelt.

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Die Erotik-Suchmaschine will dem geneigten User nicht einfach nur Porno-Content liefern, sondern ein Suchen frei von falscher Scham ermöglichen. Weil Rowntree seine Konsumenten so gerne mag, verspricht er nämlich auch gleich noch größtmögliche Privatsphäreeinstellungen mit einzubauen. Es werden keinerlei Daten getrackt und der Nutzer wird mit seinen Vorlieben alleingelassen. Filter gibt es einzig gegen Raubkopien und Kinderpornographie.

Wir komplettieren das Internet. Wir vervollständigen das Angebot von Google.

Wenn du den +18 Banner erfolgreich weggeklickt hast, dann begrüßt dich BoodiGo mit einem einladenden Versprechen: „Suche das, was du wirklich finden willst. Anonym." Die Macher wollen mit ihrem Tool nicht weniger als das Internet komplettieren, wie mir Rowntree bescheiden grinsend erzählte. So gut funktioniert BoodiGo gerade für deutschen Content bisher noch nicht. Aber immerhin wartet es schon mit stilechten Google-Funktionen wie Auto-Complete auf, soll bald mit einem buchbaren Ad-Service an den Start gehen und zumindest die Tumblr-Suche liefert bereits erwartungsgemäß treffsichere Resultate.

Die BoodiGo-Macher haben in jedem Falle perfekt verstanden, dass Online-Anonymität für das Porno-Geschäft nur förderlich sein kann. Nur allzu oft landet schließlich das, was bei Google eingetippt wird, im Datenspeicher des Web-Giganten und taucht später als Werbung in deiner Seitenleiste wieder auf. „Das ist kein Problem, wenn man nach ' cat food' sucht", sagte Colin Rowntree dem Industrie-Blog Mikandi. „Aber wenn dein Suchbegriff 'bulgarian amputee nude girls' ist, dann vielleicht schon."

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Wenn du nach Blowjob suchst, findest du erstmal vier Seiten unsexy Wikipedia-Artikel und Cosmopolitan-Ratgeber. Das will doch niemand sehen.

Wir haben den kernigen Herrn mit dem Look eines Käpt'n Iglu Wiedergängers angerufen und uns von ihm erklären lassen, was seine Definition einer ethischen Suchmaschine ist und warum BoodiGo nichts weniger als das nächste Google für Pornos sein soll.

MOTHERBOARD: Hi Colin, wie kamst du auf die Idee, eine Pornosuchmaschine zu entwickeln?

Colin Rowntree: Ich bin von Beruf Pornoregisseur und Set Operator für BDSM-Filme, die ich auch online vermarkte. In den letzten paar Jahren habe ich festgestellt, dass immer mehr Technologiefirmen davor zurückscheuen, mit erotischen Inhalten in Verbindung gebracht zu werden. Wir von der Erwachsenenunterhaltung werden ausgegrenzt.

Plötzlich sind uns als Werbetreibende mehr und mehr die Aufträge weggebrochen. So lassen Adwords zum Beispiel seit acht Jahren keinen Erotik-Content mehr laufen. Dann hat Yahoo erotische Inhalte komplett aus ihren Page-Listings gelöscht. Und dann kam letztlich Tumblr und sperrte die Suche nach Sexblogs. Das war wirklich eine Riesenüberraschung für uns alle, denn es gibt unzählige Tumblrs, die für nichts anderes ausgelegt sind als Sex.

Woran meinst du, liegt das?

Sehr wahrscheinlich hat diese Feigheit etwas mit den Shareholdern zu tun. Nichts schreckt Investoren momentan mehr ab als Porno. Dagegen kannst du überall problemlos Videos anschauen, in denen Menschen der Kopf weggeschossen wird. Da stimmt doch irgendwas nicht. Dagegen wollten wir etwas tun.

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Screenshot: BoodiGo

Wieso braucht die Welt nun BoodiGo?

Wenn du zum Beispiel nach Blowjob suchst, findest du erstmal vier Seiten unsexy Beschreibungen, Wikipedia-Artikel, Cosmopolitan-Ratgeber… Mal ehrlich, das ist doch nicht das, was die Leute sehen wollen. Daher war es ziemlich offensichtlich, dass die Surfer ein Suchwerkzeug für Erwachsene brauchen, das ihnen nur gibt, wonach sie suchen—in einem anonymen und sicheren Umfeld.

Wir tracken niemanden, wir möchten kein Profil unserer User erstellen. Wir möchten eine kostenlose, schnelle und sichere Suchmaschine für legitimen, legalen und nicht gestohlenen Erotik-Content sein. Das ist auch schon alles. Bei uns gibt es Qualität. Wir betreiben kein unmoralisches Data Mining. Ich will auch, dass der Sektor der „Erwachsenenunterhaltung" ein bisschen weniger schmierig wird. Einvernehmliche Pornos von Erwachsenen für Erwachsene, so soll das sein.

„Die Gesellschaft ist prüder geworden"

Damit komplettieren wir das Internet, weil wir das vervollständigen, was Google liefert. Das Internet besteht zu mindestens einem Viertel aus Pornografie und Google möchte sich als Repräsentant aller digitalen Informationen sehen. Das sind sie aber nicht. Wie kann eine Suchmaschine von sich behaupten, Informationen im Internet wahrheitsgemäß abzubilden, wenn sie Erotik-Content ghettoisiert?

Denkst du, dass unsere Gesellschaft sich durch die Allgegenwart von pornographischem Material verändert hat?

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Sie hat sich tatsächlich verändert. Und zwar denke ich, dass die Gesellschaft alles in allem viel prüder geworden ist.

Eine 70-jährige Dame filtert und prüft die Erotikseiten auf illegale Inhalte

Wer steckt hinter BoodiGo?

Meine Frau Angie macht mit, sie hat BoodiGo mitgegründet und steckt außerdem hinter der Seite shhh.com. Die produziert Erotik-Content für Frauen.

Wir sind ein kleines Team von zehn Leuten in drei US-Büros und listen alle Seiten per Hand. Das sind momentan ungefähr zehntausend Webseiten, und die werden alle persönlich gecheckt. Momentan macht das bei uns eine 70-jährige Dame.

Eine 70-jährige Dame prüft zehntausende Erotikseiten auf illegale Inhalte?

Yep.

Wie unterscheidet sich BoodiGo von den anderen Pornosuchmaschinen wie PornMD?

Die finden ja nur Tubes und leiten den Nutzer auch ständig auf andere Seiten weiter. Man springt von Werbung zu Werbung, im Hintergrund öffnen sich dann noch fünf blinkende PopUnders, die dich gleichzeitig anstöhnen, das ist doch total frustrierend.

Definitv nichts für Menschen, die unter sexueller Spannung stehen.

Haha, nein. Und die Surfer haben es einfach satt, dass jemand jede Bewegung verfolgt, um ihnen Werbung verkaufen zu können. Ich will, dass die Menschen wieder für guten Content bezahlen. Dafür verfolgen wir sie nicht und verkaufen ihre Vorlieben auch an niemanden weiter.

Was die Suchmaschine findet, ist also meist Bezahlcontent.

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Natürlich. Ich komme selbst aus der Industrie und weiß, wie schwer es die Studios haben.

Und wie läuft's so?

Überwältigend gut. Am 15. September hatten wir unseren Launch und am ersten Tag gleich vier Millionen Besucher.

Falls du zufällig ein paar Filme anzubieten hast, komm gerne auf mich zu. ich könnte dir ein Ranking organisieren.

Du hast eben vom „sicheren Umfeld" gesprochen. Was genau heißt das für BoodiGo?

Wir haben zum Beispiel eine Altersbeschränkung. Bei den Tube-Seiten wird ja oft nichtmal danach gefragt, wie alt der Benutzer ist.

Aber da ist ja nur ein Standard-Popup, das ich wegklicken muss. Glaubst du, so ein Warnhinweis hat schon mal einen einzigen Minderjährigen davon abgehalten, Pornoseiten zu besuchen?

Na gut, vielleicht nicht. Aber immerhin besser, als gar nichts Derartiges zu haben. Aber noch wichtiger ist uns, dass wir eine gewissermaßen ethische Suchmaschine sein wollen. Wir haben eine Partnerschaft mit ASACP, das ist eine Vereinigung, die gegen Kinderpornographie kämpft. Wenn ein Benutzer einen von circa zweitausend gesperrten Suchbegriffen eingibt—also zum Beispiel „Lolita", das ist einer der häufigsten Suchbegriffe, wenn Menschen nach Sex mit Minderjährigen suchen—dann wird er direkt auf eine Seite von ASACP weitergeleitet, auf der er sich Hilfe holen kann.

Wenn du von einem sicherem Umfeld sprichst, dann meinst du vor allem, sicher vor direktem Tracking?

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Diese Seiten sind aber nicht nur illegal, sie haben auch überragend oft ein Problem mit der Sicherheit. Unbewusst lädt man sich damit Viren oder Malware auf den Computer. Wir wollten diese schwarzen Schafe ausschließen, weil sie ehrlichen, legitimen Pornocontent in den Dreck ziehen.

Habt ihr eigentlich in Deutschland noch den Porncode, den man sich bei der Post abholen muss, damit sie deinen Internetanschluss für pornographische Inhalte freischaltet?

Nee, sowas haben wir nicht. Bei uns kann man auch so alles gucken. Altersverifikation gibt es nur für Pay-Per-View-Angebote der Kableanbieter.

Interessant, ich dachte, das müsste jeder Deutsche machen. Bei uns gibt es noch die Möglichkeit der Kreditkartenüberprüfung, aber das funktioniert auch nicht gut—alle 15-jährigen haben ja mittlerweile Kreditkarten.

Stimmt es, dass auch Ex-Mitarbeiter von Google an der Entwicklung beteiligt waren?

Genau, allerdings bin ich leider nicht der Googler. Ich bringe dafür zwanzig Jahre Erfahrung im Produzieren von Pornos und Erotikwebsites mit. Als wir mit BoodiGo am Anfang standen, haben meine Frau und ich in Los Angeles mit einem Entwickler gesprochen und der meinte: „Hey, zufällig habe ich gerade vier Programmierer eingestellt, die von Google abgehauen sind. Die sind aus den selben Gründen gegangen, die dich frustrieren: Data Mining." Wir haben zwei von ihnen ins Boot geholt.

Einer war früher in der Google-Suche beschäftigt und einer in der Adwords-Programmierung, also ideal für unser kleines Projekt. Ihre Expertise für die Kernprogrammierung war unersetzlich, um die Grundlage für eine stabile Suchmaschine zu schaffen.

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Wie steht ihr zu Google?

Die leisten schon tolle Arbeit, wenn es um jugendfreie Inhalte und relevante Ergebnisse geht. Aber die legitime Erotikindustrie wird völlig weggedrängt, es werden nur zweifelhafte oder sehr technische, unsexy Seiten angezeigt. Es ist total frustrierend, wenn ich den Namen eines Pornostars eingebe und nur Torrents in der Ergebnisliste sehe, die mich noch in der Vorschau anschreien: „Zahl doch nicht dafür! Lade dir alle ihre Filme umsonst runter!"

Die Darsteller verdienen damit ihren Lebensunterhalt und so ein fehlgeleitetes Ranking schadet der ganzen Industrie. Kopierter Content ist nämlich ein riesiges Problem für die Studios, die Produzenten und die Darsteller. Eigentlich ereilt uns durch das Internet genau dasselbe Schicksal wie die Musikindustrie. Wir müssen immer schneller mit immer weniger Budget drehen und das wirkt sich natürlich auf alles von der Setausstattung bis zur Stoffentwicklung aus.

„Ich bin immer wieder überrascht, wie simpel die Suchanfragen doch sind. Auf Platz 1 ist 'SEX'."

Wie funktioniert euer Suchalgorithmus?

Wir versuchen aktiv, gegen Piraterie vorzugehen. Deswegen haben wir auch noch eine Partnerschaft mit PornGuardian, die sich gegen gefälschte Seiten einsetzen.

BoodiGo rankt Studioseiten oder die Seiten von Darstellern höher und wertet Filesharing-Seiten und illegale Streamingdienste ab. So einfach ist das, und jeder kann mitmachen. Falls du also zufällig ein paar Filme anzubieten hättest, kannst du gern auf mich zu kommen und ich könnte dir ein Ranking organisieren.

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Super, danke. Aber was ist eigentlich mit gestohlenen Sextapes, zum Beispiel von Prominenten? Wenn ich "celebrity" eingebe, bietet mir BoodiGo sofort Amateurfilme von Rihanna bis Britney Spears an—kostenpflichtig. Das macht es aber nicht legaler, oder?

Das ist eine sehr gute Frage, besonders vor dem Hintergrund der geleakten Handyfotos von US-Prominenten. Ich weiß tatsächlich nicht, wie ich das beantworten soll und ich weiß auch nicht, ob wir damit das Recht auf Privatsphäre verletzen. Ganz generell gibt es ja bei privaten Sextapes niemanden, der zu entlohnen wäre. Vielleicht werden wir unseren Umgang damit nochmal überdenken und diese Anbieter aussortieren, denn die Veröffentlichung dieses Materials ist ja eigentlich auch Diebstahl.

Weißt du, welcher der häufigste Suchbegriff seit dem Launch ist? Es wäre interessant, das mit Mainstream-Suchmaschinen zu vergleichen.

Ich bin immer wieder überrascht, wie simpel die Suchbegriffe sind. Es sind meistens nur einzelne Wörter statt Phrasen. Was mich dagegen nicht überrascht ist, dass die meistgesuchten Begriffe „porn", „free porn" und „sex" sind, dicht gefolgt von „amateurs", „sex chat" und „live sex". Und weißt du, welche die am häufigsten angeklickte Seite auf BoodiGo ist?

Welche denn?

Das ist kein bestimmter Anbieter, sondern unsere Privacy Policy. So gut wie jeder, der auf die Seite geht, liest sich das durch. Das beschäftigt die Leute wirklich sehr. Niemand will verfolgt werden. Alle Daten werden bei uns per SSL übertragen und wir speichern keine Cookies.

Das alles klingt ja sehr nutzerfreundlich. Aber wie könnt ihr damit Geld verdienen?

Gerade biete ich für befreundeten Anbieter eine bevorzugte Auflistung an. Das sind Sponsor-Links von Partnern oder Darstellern, mit denen ich schon gedreht habe.

Was steht in der Zukunft für BoodiGo an?

Wir werden bald unseren Werbedienst BoodiAd an den Start bringen. Dann kann jeder seinen Content auch bewerben. Ganz klassisch wie bei Google: Du meldest dich für Anzeigen an, wählst die Keywords, bei denen deine Anzeige laufen soll, dann erscheint sie in der rechten Spalte, wenn darauf genug geboten hast. Für die Zukunft sehe ich auch noch Raum zum Experimentieren mit einem anonymen Messaging-Dienst auf der Seite. Der hieße dann natürlich BoodiCall.