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Aufstand gegen Facebook: Norwegens Spitzenpolitiker teilen trotzig Kriegsfoto

Der Streit um das Napalm-Foto eskaliert. Nun fragen auch Spitzenpolitiker solidarisch: Warum genau kann Facebook nicht zwischen Kinderpornografie und Kriegsfotografie unterscheiden?
Bild: Screenshot Facebook

Norwegens größte Tageszeitung hat auf seiner Titelseite einen öffentlichen Beschwerdebrief an Facebook abgedruckt. Chefredakteur Espen Egil Hansen sah sich zu dem ungewöhnlichen Schreiben an Mark Zuckerberg höchstpersönlich veranlasst, nachdem das soziale Netzwerk einen Post der Zeitung gelöscht hatte.

Der Post zeigte eines der prominentesten Kriegsfotos des 20. Jahrhunderts, nämlich das berühmte Bild des vietnamesisch-amerikanischen Fotografen Nick Út, das eine Gruppe von Kindern zeigt, die vor einem Napalmangriff fliehen. Da unter anderem auch das damals neunjährige Mädchen Kim Phuc nackt auf dem Foto zu sehen ist, forderte Facebook die Zeitung per Email aus dem Hamburger Facebook-Büro dazu auf, das Bild zu entfernen. „Nicht mal 24 Stunden später" hätten es die Facebook-Admins dann ohne eine Antwort abzuwarten, einfach selbst gelöscht, beschwert sich Hansen.

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„Lieber Mark, du bist der mächtigste Redakteur der Welt."

Der Journalist erhielt dabei heute morgen auch prominente politische Unterstützung von niemand Geringerem als der norwegischen Ministerpräsidentin Erna Solberg, die dasselbe Foto absichtlich mehrmals auf ihrer Facebook-Seite postete (es wurde ebenfalls von Facebook gelöscht). Zahlreiche weitere norwegische Politiker schlossen sich der Aktion an. Solbergs Intervention zeigt erneut, dass die intransparente Löschpolitik von Facebook schon lange nicht mehr nur ein medieninternes, sondern längst ein gesellschaftliches und damit auch politisches Problem ist. Aber wem erzählen wir das, lieber Herr Maas?

Noch vergangenen Monat versuchte Mark Zuckerberg die Verantwortung seiner Firma, was die Wahrung der Pressefreiheit angeht, herunterzuspielen: „Wir sind ein Tech-Unternehmen, kein Medien-Unternehmen",

zitiert

ihn der Guardian.

Das sieht Hanse freilich anders: „Facebook ist zur weltweit führenden Plattform für die Verbreitung von Informationen, Debatten und sozialer Kontakte geworden. Ihr habt diese Position gewonnen, weil ihr sie verdient. Aber, lieber Mark, du bist der mächtigste Redakteur der Welt."

In der Tat bleibt es unverständlich, warum es Facebooks Zensur-Team nicht hinbekommt, zwischen Kinderpornografie und berühmten Kriegsfotografien zu unterscheiden.

Er spielt damit nicht nur auf die mittlerweile unermessliche Bedeutung von Facebook an, die das soziale Netzwerk mittlerweile für fast alle internationalen Medien besitzt, die eine hohe Reichweite bei ihren Lesern erzielen wollen. Auch seine redaktionellen Freiheiten als Redakteur sieht der Chef des Aftonbladet in Gefahr: „Ich muss feststellen, dass du mich in der Ausübung meiner redaktionellen Verantwortung einschränkst", schallt es Zuckerberg in dem Schreiben entgegen. „Ich denke, dass du deine Macht missbrauchst und es fällt mir schwer zu glauben, dass du das alles sorgfältig durchdacht hast."

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In der Tat bleibt es unverständlich, warum es Facebooks Zensur-Team nicht hinbekommt, zwischen Kinderpornografie und berühmten Kriegsfotografien zu unterscheiden. Allem Anschein nach möchte sich das soziale Netzwerk in dieser Hinsicht auch nicht allzu sehr bemühen.

„Wir betrachten dieses Foto auch als ikonisch, allerdings ist es schwierig, eine Unterscheidung zu machen und in einem Fall das Foto eines nackten Kindes zu erlauben und in einem anderen nicht.", erklärte sich ein Sprecher etwas linkisch gegenüber dem Guardian.

Ob das Foto von Kim Phuc durch die Hände eines der zahlreichen philippinischen Content-Sichtern ging, die für Facebook die „digitale Müllabfuhr" betreiben, hier auch mal das Berliner Hasskommentare-Team ran durfte oder zunächst nur ein schnöder Algorithmus auf das Bild aufmerksam wurde, ist nicht bekannt.

Während Mark Zuckerberg selbst noch immer nicht auf die Vorwürfe Hansens reagiert hat, bezieht auch der deutsche Journalistenverband klar Stellung bezogen und bezeichnete die Löschung des Posts in einem

Statement

als „inakzeptabel": „Mit Blick auf künftige Kooperationen zwischen Medien und Facebook muss klar sein, dass die Löschung des Vietnamkriegsfotos ein einmaliger Ausrutscher war", so der DJV-Bundesvorsitzender Frank Überall.