Ein ehemaliger Meth-Koch beschreibt, wie er sein Leben verschwendet hat

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Drogen

Ein ehemaliger Meth-Koch beschreibt, wie er sein Leben verschwendet hat

"Ich wollte meinen Eltern beweisen, dass ich genau so erfolgreich wie sie werden konnte, wenn ich das komplette Gegenteil von ihnen machte."

Im Gegensatz zu Heroin und Kokain stammt ein Großteil des Methamphetamins, das in Australien konsumiert wird, aus heimischer Produktion. Auf einer Informationsseite des Australian Institute of Criminology von 2015 heißt es, dass vorwiegend Rockerbanden und "ethnic based organised crime groups" – also organisierte Verbrechergruppen, die sich auf Grundlage einer Ethnie zusammenschließen – an der Herstellung beteiligt sind. Und auch wenn das manchmal zutreffen mag, habe ich das ganz anders erlebt.

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Nehmen wir zum Beispiel Corey. Corey habe ich im Besucherbereich eines abgelegenen Gefängnisses im australischen Bundesstaat Victoria kennengelernt. Er ist ein 27, hat sonnengebleichtes, blondes Haar und sieht aus wie der Herzensbrecher einer TV-Soap. Sein Vorstrafenregister zeichnet allerdings ein ganz anderes Bild.

Bewaffnete Überfälle, gefährliche Körperverletzung, der Vertrieb sowie die Herstellung von Meth haben Corey acht Jahre ins Gefängnis gebracht. Jetzt ist er auf Bewährung wieder draußen und hofft, dass er die Jugend über die negative Seite von Drogen aufklären kann. Dafür nimmt er sich selbst als Beispiel für ein "verschwendetes Leben". Der ehemalige Meth-Koch hat mir seine Geschichte erzählt.

VICE: Du siehst eher aus wie ein Mittelstandshippie aus einem Strandort als ein Meth-Koch. Was genau ist bei dir schiefgelaufen?
Corey: Ja, ich bin in einer schönen Gegend aufgewachsen. Meine Eltern sind richtig liebe Durchschnittsmenschen, die alles getan haben, um mir ein gutes Leben zu ermöglichen. Ich war da allerdings wohl etwas anders drauf. Mein Vater hat im Finanzwesen und meine Mutter im Seniorenheim gearbeitet. Aber ich habe es gehasst, wie sich ihr Leben immer nur darum drehte, ihre Freunde bei Dinnerpartys zu beeindrucken. Ich fand das alles heuchlerisch und falsch. Die Kinder wurden wie Medaillen vorgeführt.

Ich schätze, ich war ein privilegiertes Mittelstandskind, das Amok laufen wollte. Ich habe Gras angebaut, es studiert und wurde besessen davon, mein eigenes Geld zu verdienen. Ich wollte meinen Eltern beweisen, dass ich genau so erfolgreich wie sie werden konnte, wenn ich das komplette Gegenteil von ihnen machte. Frag mich nicht nach Moral oder der Logik dahinter. Ich war wohl einfach unfassbar dumm und grundlos sauer.

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Wie fing alles an?
Das mit dem Grasanbau lief eine ganze Weile und war kein Problem, aber dann habe ich mit meiner Freundin Schluss gemacht und einen Job in einer Kleinstadt als Maurer bekommen. Das Klischee ist wahr: Du bist nur so schlau wie der größte Trottel in deinem Freundeskreis. Ein paar Jungs bei der Arbeit kifften und bevor ich mich versah, brauchte ich statt meinem Zehntel pro Tag mehrere Gramm, um durch die Woche zu kommen. Es war billig, immer verfügbar und brachte einen ordentlich auf Zack.

Irgendwann wurden mir ein paar Einbrüche zur Last gelegt und ich bin in einem Hochsicherheitsgefängnis gelandet. Wenn du nichts zu tun hast, lernst du deine Mitinsassen ziemlich gut kennen. Wir haben nichts anderes getan, als uns durch die Belüftungsklappen zu unterhalten. Ein älterer Typ aus Canberra, der mit ein paar Tonnen Pseudoephedrin in seinem Laster hochgenommen worden war, hat mir sein Rezept verraten. Wir waren fast zwei Jahre miteinander eingesperrt. Wenn du eine gewisse Menge Müll miteinander geredet und genügend Bami Goreng geteilt hast, vertraust du deinem Gegenüber irgendwann einfach.

Als ich wieder frei war, habe ich mit einigen Ex-Insassen Meth gekocht. Ein paar Kontakte aus anderen Bundesstaaten haben uns das nötige Zubehör besorgt. Ich habe ein paar Überlandfahrten für sie gemacht, bis ich genug Geld zusammenhatte, um mein eigenes Ding aufzubauen. Für einen gewissen Anteil am Gewinn durfte ich ihre Geräte benutzen und bald hatte ich meine erste Ladung fertig. Dann kontaktierte ich meine alten Kumpels aus der Kleinstadt und überschwemmte die ländlichen Baustellen mit dem Zeug.

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Du hast direkt nach deiner Freilassung mit dem Kochen angefangen? Warum nicht erst einen richtigen Job?
Ich schätze, wenn du einmal im Knast warst, dann weißt du Bescheid. Diese schlimme Vorstellung vom Gefängnis verschwindet in deinem Kopf und du wägst nur noch in Risiko und Nutzen ab. Wir hatten keine Ziele im Leben und unsere Eltern wollten nichts mit uns zu tun haben. Das war damals das einzige, was uns wichtig war.

Wie viel Geld habt ihr damit gemacht?
Zu Hochzeiten waren es zwischen 10.000 und 20.000 australische Dollar [zwischen 7.000 und 15.000 Euro] die Woche. Im Vergleich zu den großen Fischen damals war das nicht viel.

Was habt ihr mit dem ganzen Geld angestellt?
Wir trafen uns und suchten uns die billigsten Nutten in der Gegend. Dann rauchten wir Meth, fraßen Viagra und trieben es stundenlang mit mehreren Mädchen gleichzeitig. Entweder das oder wir verballerten das Geld im Casino. Hin und wieder kauften wir uns Autos, Motorräder und Jet-Skis, die wir aber am Ende immer wieder verkauften, wenn wir knapp bei Kasse waren oder abgezogen wurden.

Wurdet ihr oft abgezogen?
Nein, aber es gab einen Vorfall, als eine andere Gang uns überfallen hat – alle bewaffnet und zugekokst. Die haben unsere Handys und Laptops geklaut. Einer von ihnen gönnte sich sogar eine Dose Red Bull aus unserem Kühlschrank, während sein Kumpel mit beiden Füßen auf dem Kopf unseres Laufburschen rumsprang. Ein anderer wurde eiskalt mit einem Gewehrschaft niedergeschlagen. Er lag stöhnend auf dem Boden und hielt sich die Arme über dem Kopf zusammen. Es war absolut grauenvoll.

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Irgendjemand hatte uns offensichtlich verpfiffen, aber du kannst nicht mit dem Finger auf jemanden zeigen, bis du Beweise hast. So ist das halt in dieser Welt. Jedes Mal, wenn ich übers Kreuz gelegt wurde, war das von jemandem, den ich als engen Freund wahrgenommen hatte.

Kam es jemals zu Unfällen oder Vergiftungen beim Kochen?
Ja. Am schlimmsten war es, nachdem wir ausgeraubt worden waren und das verlorene Geld wieder reinholen mussten. Wir waren verzweifelt und ziemlich drauf. Ich glaube, ich war vier Tage lang wach. Außerdem hatten wir kein Pseudo mehr und mussten eine komplett andere Ketone-Methode verwenden.

Wir hatten die noch nie zuvor ausprobiert und am Ende hat das ganze Haus nach giftiger Katzenpisse gestunken. Wir haben dabei zugeschaut, wie die Dämpfe in der ganzen Küche braune Schlieren an der Decke hinterließen. Wir waren abgelenkt, als jemand die Temperatur des Bunsenbrenners veränderte. Das Zeug ist überhitzt und die Explosion hat alle Fenster aus der Küche gehauen. Es war richtig krass. Außerdem muss irgendwas in den Dämpfen gewesen sein, das eine abführende Wirkung hatte. Ich schiss mir fast die Hose voll, als ich versuchte, dort rauszukommen. Es war furchtbar. Das Zeug, was wir am Ende zusammengebraut hatten, war nur sehr feuchtes, gelbes Speed.

Breaking Bad klingt dagegen ja geradezu glamourös.
Das ist eine amerikanische Serie und wir waren im australischen Outback. Wir leben auf einer großen Insel, die total abgeschieden vom Rest der Welt ist. Wir bekommen nicht halb so viele Drogen wie die da drüben. Also arbeiten wir mit dem, was wir haben. Es ist verdammt dreckig, gefährlich und abstoßend.

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Wie bist du wieder im Gefängnis gelandet?
Ich war halb durch mit einer Kochsession, als die Polizei reingestürmt ist und uns alle festgenommen hat. Einer von uns war ein paar Wochen davor für eine andere Sache hochgenommen worden und hatte uns alle verpfiffen.

Was sind deine Pläne für die Zukunft?
Ich will junge Menschen vor dieser schrecklichen Drogenwelt bewahren. Das ist nichts, womit du dein Leben verschwenden willst. Wir haben nur eine begrenzte Zeit hier und du willst das nicht alles für ein paar Drogen verballern, die dich in die Gosse oder hinter Gittern bringen.

Du siehst die Auswirkungen nicht, wenn du bei deinem Kumpel abhängst, etwas rauchst und Spaß hast. Wenn du dann aber in der Anstalt sitzt oder deine Eltern aufhören, dich im Gefängnis zu besuchen, merkst du wirklich, was los ist.

Ich kenne Köche, die ihr Leben lang in der Psychiatrie bleiben werden. Die Haut an meinen Händen ist im Arsch. Ich habe Probleme mit der Atmung und kann nachts nicht durchschlafen. Manchmal bekomme ich aus dem Nichts eine Panikattacke. Ich drehe einfach durch und werde total paranoid. Das Ganze hat seine Spuren hinterlassen und wahrscheinlich verdiene ich es auch.

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