Warum bloß... VfB Stuttgart?
Alle Fotos: Benedikt Niessen

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Bundesliga

Warum bloß... VfB Stuttgart?

Der VfB Stuttgart steht auf Platz 5 der ewigen Bundesligatabelle. Trotzdem kämpft der Traditionsverein um seine Zukunft im Oberhaus. Wir haben mit Stuttgart-Fans über Fehler der Vereinsführung gesprochen und darüber, warum Zorniger des richtige Mann...

Vier Bundesliga-Spiele, vier Niederlagen und null Punkte. Der große VfB Stuttgart steht nach wenigen Spielen auf dem vorletzten Tabellenplatz und muss sich scheinbar auch in dieser Saison mit dem Abstiegskampf beschäftigen. Die VfB-Fans, früher verwöhnt und anspruchsvoll, haben sich mit den sportlichen Krisen abgefunden—ihre aufopferungsvolle Unterstützung ist die einzige Konstante im Verein.

Die sportliche Geschichte des Traditionsvereins ist geprägt von lauter Höhen und Tiefen. Mit diversen Meisterschaften—die letzte erst im Jahr 2007—und fulminanten Auftritten in den internationalen Wettbewerben waren die jungen Wilden oder auch das magische Dreieck immer eine feste Bank in der Bundesliga. Doch trotz der vorbildhaften Jugendarbeit, die nach wie vor zu den besten Europas gehört, sorgen kunterbunte Entscheidungen des Vorstands, ständig wechselnde sportliche Leitungen und die chronisch klamme Kasse beim Verein für viel Unverständnis im sonst so geregelten Ländle.

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Wer ist eigentlich Eintracht-Frankfurt-Fan?

Der Tabellenfünfte der ewigen Bundesligatabelle und größte Verein in Baden-Württemberg konnte es trotz der starken Identifikation der Stuttgarter und Schwaben mit dem VfB nie schaffen, in einer der wirtschaftsstärksten Regionen Europas große Stuttgarter Firmen wie Daimler, Porsche oder Bosch an den Verein zu binden. Wer sind diese leidensfähigen Anhänger, die sich Woche für Woche von ihrem Verein erneut herunterziehen lassen, immer mit der Hoffnung, dass es irgendwann besser wird? Wir waren beim Auswärtsspiel der Stuttgarter in Berlin und haben mit ihnen gesprochen.

Felix und Maxi

Ihr wart Meister 2007 und von dort an ging es bergab. Kann Zorniger den VfB wieder erfolgreich machen?
Felix: Eigentlich ist die jüngste Entwicklung mit Zorniger und die Umstellung des taktischen Spiels gut für unser Spiel gewesen. Wir spielen besser und wesentlich attraktiver als zum Beispiel letztes Jahr. Im Moment fehlen schlicht und einfach die Punkte—auch weil die Effizienz fehlt.
Maxi: Und ein bisschen Glück fehlt. Zudem wackelt die Defensive viel zu sehr.

Was muss sich ändern?
Felix: Am Trainer liegt es nicht, sondern dieses hohe Verteidigen, was sie jetzt spielen, ist schwierig. Vielleicht haben wir auch einfach nicht die nötige Klasse, um das so in der Viererkette zu spielen. Aber an sich ist das gut. Das braucht einfach noch ein bisschen Zeit.

Wenn ihr diese Zeit bekommt, wo seht ihr den VfB auf längere Sicht?
Maxi: Wieder in Richtung 10. Platz oder gar Europa League. Wenn es gut läuft, dann kann man da schon spielen.
Felix: Ganz klar, Europa.

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Liegt es auch daran, dass ihr eure gute Jugendarbeit nicht immer in die erste Mannschaft integrieren könnt?
Maxi: Dass die Jugendarbeit vom VfB sehr gut ist, ist hinlänglich bekannt. Aber es stimmt auch, dass die nicht immer so gut umgesetzt wird.

Wo steht der VfB am Ende der Saison?
Felix: Am Ende der Saison dürfen wir nicht absteigen. Das wäre ein Erfolg.
Maxi: Einfach nicht bis zum Ende zittern, das wäre schön.

Marcos „Macke"

Du schwäbelst stark, wurde dir der VfB wie anderen Fans in der Region schon in die Wiege gelegt?
Marcos: Nein, ich komme aus Ravensburg und war gar kein Fußball-Fan. Erst mit der Meisterschaft 2007, wo ich am letzten Spieltag gegen Energie Cottbus im Stadion war, wurde ich VfB-Fan. Das war das geilste Erlebnis, das ich je hatte.

Du kamst mit dem Erfolg, doch jetzt ist der weg und du bist immer noch da. Wieso?
Mir hat das erste Erlebnis im Stadion gefallen und seitdem gehe ich immer wieder hin. Ich unterstütze meine Mannschaft, so lange und wo immer es geht.

Bist du Allesfahrer?
Nee, ich schaue vor allem Heimspiele und die Spiele in der Region. Also Hoffenheim, Augsburg oder München.

Was macht die Stuttgarter Fanszene denn aus?
Wir sind leidensfähig. Trotz der schlechten Leistungen unserer Mannschaft in den letzten Jahren hält die ganze Fanszene zusammen und ich liebe dieses gemeinschaftliche Gefühl in der Kurve. Die Stuttgarter Fanszene ist einfach nur geil, weil wir immer hinter der Mannschaft stehen und unser Team immer bis zum bitteren Ende supporten.

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Könnt ihr Fans die Mannschaft noch mehr unterstützen oder liegt es jetzt an ihr, mal etwas zurückzuzahlen?
Wir Fans fahren überall hin und geben immer alles. Da haben wir eigentlich fast alles getan, würde ich sagen—mehr Support geht nicht. Die Transferpolitik und Management müssen sich ändern, weil die in den letzten Jahren zum Kotzen waren.

Maik (rechts)

Wie bist du zum VfB gekommen?
Ich komme aus Brandenburg und bin damals 2003 über die jungen Wilden um Hildebrandt, Lahm und Kuranyi zum VfB gekommen. Das Zünglein an der Waage war das Spiel gegen Manchester United. Als Verein ohne viel Geld hat der VfB konsequent auf die Jugend gesetzt und dann solch eine große Mannschaft geschlagen.

Wie schwer ist für euch Fans die momentane Phase mit Abstiegskampf und Niederlagen?
Einmal VfB, immer VfB. Wie im richtigen Leben läuft es auch mal schlecht. Jetzt mussten wir drei Jahre immer gegen den Abstieg spielen, aber es kommen wieder bessere Zeiten, Trainer und auch Spieler. Ich kann auch mit einem Abstieg leben, Hauptsache, die Jungs reißen sich den Arsch auf und merken, was wir Fans für sie tun. Wir leben dafür und reisen durch ganz Deutschland, nur um sie nach vorne zu schreien—das sollte ihnen ständig bewusst sein.

Was muss der VfB tun, um wieder zu den Top-Teams der Liga zu gehören?
Vieles. Die Zusammenarbeit mit den regionalen Sponsoren muss intensiviert werden. VW und Wolfsburg sind vielleicht ein schlechtes Beispiel, doch der Verein muss sich um mehr Geld von Mercedes bemühen. Zudem muss der Vorstand endlich mal einen sportliche Leitung holen, die vernünftige Transfers tätigt. Wir hätten zudem unseren Retter Huub Stevens eine Chance geben müssen und nicht einen Trainer holen sollen, der bei Red Bull Leipzig viel bessere finanzielle Voraussetzungen gewohnt ist.

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Bert

Wie bist du VfB-Fan geworden?
Ich bin in der Gegend groß geworden und habe in der E-Jugend damals vor einem Bundesliga-Spiel ein Vorspiel machen dürfen. Das gab es ja früher noch. Danach war mein Herz für immer vergeben.

Warum steht ihr trotz gutem Fußball in dieser Saison bisher ohne Punkte da?
Das wundert uns Fans am meisten. Wir haben stark nach vorne gespielt und trotzdem verlieren wir jedes Spiel. Vorne ist das ja schön anzusehen, aber in der Defensive spielen wir teilweise Kamikaze. Die müssen mal endlich hinten dicht machen. Wir haben zwar jetzt mit Toni Sunjic einen erfahrenen und guten neuen Innenverteidiger, aber ist halt die Frage, ob er die ganze Katastrophe da hinten irgendwie stabilisieren kann.

Wen siehst du für die Misere in der Verantwortung?
Dutt mag ich überhaupt nicht und ich weiß auch nicht, warum der da ist. Es ändert sich einfach nichts. Schon mit Bobic hat der Vorstand alles nur weiter heruntergewirtschaftet und in dieser Transferperiode haben wir wieder völlig dumm agiert. Wir hatten zwei mittelgute Torhüter und dann holt man zwei andere neue mittelgute Torhüter. Dabei waren wir dort immer Top besetzt. Da gehen alte Werte verloren.

Was sind denn für dich die Werte des Vereins?
Furchtlos und treu sind unsere Werte. Und ein guter Torwart (lacht). Wir haben immer junge Spieler herausgebracht, aber auch das geht ein bisschen flöten. Wieso verkauft man einen Rüdiger und alle reden von einem Baumgartl, aber der ist einfach noch nicht so weit?

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Denis und Melli

Ihr kommt direkt aus Cannstatt und seid schon seit eurer Geburt VfB-Anhänger. Gibt es in Stuttgart überhaupt Kickers-Fans?
Denis: Nein, also ich kenne niemanden.

Trotz guter Leistungen verliert ihr alle Spiele—wird Trainer Alexander Zorniger schon angezählt?
Denis: Wir müssen Geduld haben, denn so ein Umbruch braucht Zeit. Ich bin sehr davon überzeugt, dass wir früher oder später da wieder hochmarschieren.

Früher oder später ist sehr vage—wann ist das?
Melli: Sofort, am besten noch in dieser Saison.
Denis: Wir haben diese Saison definitiv nichts mit dem Abstieg zu tun.

Dafür müssen sich drei schlechtere Teams finden lassen. Wer wäre das?
Denis: Ingolstadt und Darmstadt haben die Euphorie mitgenommen, aber die werden wie auch Paderborn im letzten Jahr durchgereicht. Der dritte Kandidat ist schwer zu ermitteln. Ich plädiere da klassisch für den HSV.

Der FC Ingolstadt hat euch mit einem starken regionalen Sponsoring-Partner etwas voraus. Warum nutzt der VfB die Möglichkeiten einer der wirtschaftsstärksten Regionen Europas nicht?
Denis: Zum Glück sind wir noch ein eingetragener Verein und noch nicht durchkommerzialisiert. Für viele Sponsoren in der Region und auch den Verein wäre das sicherlich interessant, doch die wollen erst, wenn wir eine Aktiengesellschaft oder eine GmbH sind. Wir sind aber stolz, noch einer der wenigen „e.V." zu sein.

Ihr wehrt euch also lieber, statt euch für Sponsoren zu öffnen und eventuell wieder oben mitzuspielen?
Denis: Wehren auf jeden Fall, aber früher oder später lässt es sich leider nicht verhindern—der Kommerz im Fußball schreitet immer weiter voran. Frag mal Kevin de Bruyne.

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Manfred und Patrick

Hat der Vater den Sohn klassisch mit ins Stadion genommen?
Manfred: Ja, so ist es. Ich bin 1992 als Zugezogener das erste Mal zum VfB gegangen und habe ihn mitgenommen. Damals wurden sie Deutscher Meister. Ein paar Jahre später sind wir Dauerkartenbesitzer geworden.
Patrick: Ohne meinen Vater wäre ich wohl nicht mal Fußball-Fan geworden.

Der VfB Stuttgart spielt nicht erst seit dieser Saison besseren Fußball als andere Keller-Teams, warum holt er keine Punkte?
Manfred: Seit drei Jahren ist jetzt der Wurm drin und es ist jetzt wieder ein neuer Trainer gekommen, der uns taktisch viel offensiver umgestellt hat. Aber es ist nichts falsch gelaufen, denn der Bruch musste sein. Die Einkäufe waren richtig. Aber die Dosierung innerhalb des Systems—also zwischen Hurra-Fußball nach vorne und einer vernünftigen Abwehr—stimmt noch nicht. Ansonsten waren die guten Ansätze trotz der Niederlagen zu erkennen.

Hätte man mit dieser defensiven Unsicherheit einen wie Antonio Rüdiger abgeben dürfen?
Patrick: An einer Person kann man das nicht festmachen, denn mit den jetzigen Innenverteidigern kann man trotzdem in der Bundesliga bestehen. Das Spielsystem muss erstmal in Fleisch und Blut übergehen und die Mannschaft muss auf das Umschaltspiel des Gegners eingehen können.

Könnte Zorniger eine neue Ära beim VfB prägen?
Patrick: Ich kann mir durchaus vorstellen, dass wir irgendwann unter Zorniger wieder international spielen. Er spielt offensiv, wie man es auch in ganz Europa erfolgreich tut. Wenn er mit geringeren Mitteln eine Elf formen kann, dann ist alles möglich.
Manfred: Er ist Schwabe und passt zum Verein. Der neuen Trainergeneration traue ich anders als Mehmet Scholl wesentlich mehr zu. Ich glaube nicht mal, dass es einige Jahre dauern wird. Wenn der Weg ohne ständige Brüche und Trainerwechsel weitergeführt wird und Leistungsträger gehalten werden können, dann kann das sehr schnell gehen. Sie haben wieder Geld in das Nachwuchsleistungszentrum gesteckt und dort kommt einiges nach.