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Fangewalt

Wie eine kroatische Facebook-Seite Lynchjustiz gegen angebliche Pyro-Hooligans betreibt

Um den korrupten kroatischen Verband bloßzustellen, haben Hooligans beim EM-Spiel Pyros aufs Feld geworfen—mit dem Ziel, dass Kroatien ausgeschlossen wird. Jetzt stellt sie eine Facebook-Seite ohne Beweise an den Pranger.

Wir alle standen mit offenen Mündern vor den Fernsehern, als es beim EM-Vorrundenspiel zwischen Kroatien und Tschechien am Freitag zu hässlichen Ausschreitungen kam. Hrvatska-Fans hatten kurz vor Schluss Bengalos auf das Spielfeld geworfen. Als ein Ordner eine Fackel aufheben wollte, explodierte genau vor ihm ein Böller. Anschließend kam es auf den Tribünen zu Schlägereien zwischen normalen kroatischen Fans und den Bengalos werfenden Hooligans.

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Mittlerweile wissen wir, dass—wie so häufig in der kroatischen Fußball-Vergangenheit—die Hooligans vor allem dem Verband schaden wollten. Angeblich waren sie Mitglieder der eigentlich verfeindeten Ultra-Gruppierungen Torcida Split (Hajduk Split) und Bad Blue Boys (Dinamo Zagreb), die den Kampf gegen die kroatischen Fußball-Funktionäre Zdravko Mamic (als Präsident Dinamo Zagrebs ein verurteilter Krimineller und mächtigster Fußball-Funktionär auf dem Balkan) und Davor Suker (kroatischer Fußballpräsident und sehr guter Freund von Mamic) sowie Kroatiens Trainer Ante Cacic (der als unbekannter Trainer von Dinamos Farmteam Lokomotiva Zagreb von Mamic ins Amt bugsiert wurde) ausgerufen hatten.

Einer der Hooligans zündet ein Pyro und zeigt den anderen kroatischen Fans den Mittelfinger.

Während die breite kroatische Öffentlichkeit Mamic und seine Handlanger ablehnt, befürwortet kaum jemand die selbstzerstörerischen Aktionen der Hooligans. Schließlich wird die kroatische Nationalmannschaft buchstäblich als „Heiligtum" angesehen, was nicht zuletzt mit den Erfolgen der 90er zusammenhängt. Die Angst davor, dass diese hochtalentierte Generation um Modric, Rakitic, Perisic und Mandzukic ihrer größten Chance auf alte Erfolge beraubt wird, hat einige Menschen in Kroatien ziemlich wütend werden lassen.

Kurz nach den Ausschreitungen wurde eine Facebook-Seite mit dem Namen „Kroatische Hooligans auf Sportplätzen" gegründet. Sie veröffentlicht unverpixelt im Stile einer Hexenjagd Bilder von Personen, die angeblich an den Ausschreitungen beteiligt gewesen sein sollen.

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Dabei fordert die Seite die Internet-Gemeinschaft auf, die Namen der abgebildeten Personen zu nennen. Selbstjustiz 2.0. Wenn der Name (angeblich) herausgefunden wurde, wird er wie auf einem Fahndungsfoto veröffentlicht und—wenn vorhanden—auch gleich mal ein Screenshot vom Facebook-Profil mitgeliefert. Wie bei diesem Beispiel (wenn auch ohne FB-Profilfoto), wo es sich beim rot umkringelten Kapuzenträger um Goran Uzelac handeln soll.

Er soll Mitglied der Torcida sein und aus dem Viertel Mertojak stammen.

Dass Goran tatsächlich etwas mit den Bengalo-Würfen zu tun hatte, dafür werden keine Beweise geliefert. Trotzdem wird er einfach mal an den virtuellen Pranger gestellt.

Wie willkürlich die Hooligan-Hexenjagd vorgeht, zeigt der Fall dreier namentlich genannter „Täter", die laut dem kroatischen Nachrichtenportal index in Wirklichkeit Polizisten sind. Zwei von ihnen seien nicht einmal im Stadion gewesen.

Die „besorgten Bürger" des kroatischen Fußballs schicken sich an, einen skandalösen Vorfall noch schlimmer zu machen—und auf Gewalt mit noch mehr Gewalt zu antworten.

Wer ein wenig Kroatisch versteht, sollte sich diesen Artikel durchlesen:

Auf dem Titelbild ist Zdravko Mamic zu sehen, wie er Trainer Ante Cacic Anweisungen gibt. Die Überschrift lautet: „Solange Hooligans in den Logen sitzen, werden Hooligans von den Tribünen das Spielfeld mit Bengalos bedecken."