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Ich war Mitglied der gefürchteten Leicester-City-Hooligans der 80er

Als Leicester noch in der 2. Liga spielte, machte sich eine Gruppe junger Hools in ganz Großbritannien einen Namen: die Baby Squad. Auch wenn die Foxes selten das Tor trafen: Ihre Firm verfehlte gegnerische Nasen fast nie.

Wir schreiben Oktober 1982 in Leicester. Gary Lineker spielt noch Fußball und macht noch keine Werbung für Chips. Der Leicester City Football Club dümpelt noch in der Second Division rum. Und eine Crew von Leicester-Anhängern—die „Baby Squad"-Hooligan-Firm—stößt mit Derby-County-Fans bei einem Auswärtsspiel zusammen.

„Ein großer Mob von uns bestieg schon früh am Morgen den Zug für das Spiel um drei Uhr Nachmittag", erinnert sich Paul Allan (Name geändert), der sich zu den Gründern der Baby Squad zählt. „Wir sind dann in einen Pub namens Castle and Falcon gegangen, wo wir Bier tranken und Billiard spielten, als plötzlich ein Haufen Derby-Fans reinkam.

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„Der Pub war ihr Treffpunkt—so wie das Snooty Fox für uns in Leicester. Als sie uns sahen, hieß es Gemetzel. Eine wüste Schlägerei brach aus, Barhocker flogen im hohen Bogen und selbst Billardstöcke wurden zu Waffen umfunktioniert. Der Kampf wurde auf die Straße verlagert und selbst die Polizei konnte die Lage kaum unter Kontrolle bekommen. Überall hörte man Sirenen." Er stoppt kurz. „Ich bin darauf nicht stolz, ich erzähle dir nur, wie es war."

18 Jahre später schaffte es die relativ unbekannte Baby Squad—die nie so groß war wie die Firms der Londoner Vereine—, dass Leicester bei einer Umfrage zu den gewalttätigsten Vereinen Großbritanniens auf Platz zwei landete. Wer war also die Baby Squad und wofür standen sie?

Die vielen Jahre unterhalb des Radars haben die Gang zu einer Art Urban Legend gemacht. Die meisten Leute in Leicester haben irgendeinen Onkel, dessen Frau einen Bruder hat, der definitiv Mitglied der Baby Squad war. Oder jemand kennt den Vater eines Freundes, der bei Kämpfen mit Millwall-Fans 1987 einem Polizisten Nase und Jochbein gebrochen hat. Die Baby Squad, so wie auch die Foxes, waren die Underdogs, entstanden aus einem Mob von Casuals. Und deren Leben drehte sich um genau drei Dinge: Fußball, Fashion und „am Wochenende ordentlich ausrasten", wie es ein Ex-Mitglied, der ebenfalls anonym bleiben möchte, auf den Punkt bringt.

Riaz Khan, Mitglied der Baby Squad, als Jugendlicher. Foto: Riaz Khan

„Die Baby Squad wurde 1982 gegründet, als eine Gruppe junger Typen an einem Bullen vorbeigelaufen ist und der Bulle fragte: ‚Was soll das denn sein? Eine Baby-Gang?'", erzählt Riaz Khan, ein 50-jähriges Ex-Mitglied, das über seine Zeit in der Gang eine Denkschrift verfasst hat. Als der Kommentar des Polizisten innerhalb der Gang die Runde machte, hat irgendwer gesagt, dass der Name eigentlich passen würde.

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„Wir wurden so genannt, also haben wir den Namen einfach übernommen. Ich war ein Jugendlicher", erzählt mir Paul, heute 52, „voller Tatendrang, Wagemut und Adrenalin im Blut. Das war damals die Kultur, in der man aufgewachsen ist. Man verspürte diese Treue Leicester gegenüber und wollte sein Revier markieren und größer und besser als andere Städte sein."

Bei der Baby Squad ging es schon bald um wichtigere Dinge als nur um Revierkämpfe und Fußball. Leicester war damals eine Hochburg der rechtsradikalen National Front. Und ehemalige Squad-Mitglieder sagen heute, dass die bedingungslose Einheit ihrer Firm dabei half, die gesellschaftlichen Gräben ihrer Stadt zu überwinden. „In der Firm gab es einige Leute, die Asiaten nicht mochten", erinnert sich Riaz. „Doch im Laufe der Zeit kamen immer mehr Asiaten zum Fußball und wurden aufgenommen. Leicester ist einmalig. Die Baby Squad—samt der Casual-Szene vor allem in Leicester und Birmingham und ähnlichen Städten—hat mehr Rassenschranken abgebaut, als es irgendwelche regierungsnahen Thinktanks oder NGOs jemals hätten tun können."

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Andere ehemalige Mitglieder haben andere Aspekte aus ihrer Zeit in der Gang in Erinnerung. Für Bev Thompson war ihre Zeit in der Baby Squad vor allem aus einer Gender-Perspektive eine lehrreiche Erfahrung.

„Ich begann, zu Spielen zu gehen und versuchte, in die Gruppe reinzukommen. Ich bekam den Spitznamen ‚Aquascutum Girl' aufgedrückt, weil ich zu den am Besten Gekleideten der Gruppe gehörte—und das trotz starker Konkurrenz vonseiten der Männer. Ich war aber nie ein offizielles Mitglied, ich war mehr so eine Art Groupie. Die Baby Squad war gewalttätig und ich hatte keine Lust darauf, von einem Stanley-Messer aufgeschlitzt zu werden! Und auch gegen eine Faust in meinem Gesicht konnte ich mich nicht so gut verteidigen wie meine männlichen Kumpels."

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Bev Thompson während ihrer Zeit bei der Squad. Foto: Bev Thompson

Bev erzählt, dass sie zu einer praktischen Späherin für die Baby Squad wurde. Die positionierte sie am Bahnhof, wo die Gästefans ankommen sollten. Außerdem sollte sie vor großen Spielen die Bewegung der Polizei im Auge behalten. Nach dem Schlusspfiff sammelte sie Schmuck und Bargeld der Jungs ein, bevor es in den unausweichlichen Schlägereien verloren gehen konnte.

Heute ist Bev 47 Jahre alt und sagt, dass ihre Zeit mit der Squad großen Einfluss auf ihr weiteres Leben hatte. „Ich erlebte eine Gruppe voller Mut, Loyalität und einem Ziel. Es gab mir das Selbstbewusstsein, als starke Frau in einer von Männern dominierten Welt zu bestehen."

Für die Gangmitglieder war es einfach nur jede Menge Spaß und Fußball, aber für die Leicester-Klubführung wurde der Ruf der Squad zu einem echten Problem. Der Verein ging härter gegen Gewalt im Stadion vor, nachdem lokale Zeitungen darüber berichtet hatten, dass „gewalttätige Fans dem Fußball in Leicester den Garaus machen könnten."

Aufgrund der gestiegenen Sicherheitsbedenken sah sich die Polizei in Leicester gezwungen, Auswärtsfahrer nach Spielende in Bussen zum Bahnhof zu bringen. Das führte 1986 zu schweren Ausschreitungen, bei denen 64 Fans verhaftet wurden, nachdem sie Busse angegriffen und einen Sachschaden in Höhe von vielen Tausend Pfund verursacht hatten.

Riaz Khan und einige andere Mitglieder der Squad.

Das Durchgreifen des Vereins führte dazu, dass die Gewalt aus dem Stadion an der Filbert Street schwappte, wo die Foxes bis 2002 ihre Heimspiele austrugen. Riaz sagt, dass das alte Stadion mitten in der Stadt von vielen kleinen Straßen und Hintergassen umgeben war. Mit anderen Worten also der perfekte Ort, um sich geschützt vor dem wachsamen Auge der Polizei mit anderen Fans zu prügeln.

„Heutzutage ist alles viel kontrollierter. Überall hängen Überwachungskameras. Und Fans, die in der Vergangenheit auffällig wurden, kommen wegen Stadionverboten eh nicht mehr rein. Und das neue Stadion liegt woanders. Das Walkers Stadium liegt in einer weitläufigen Ecke. Da sieht man schon von Weitem, wenn sich eine Schlägerei anbahnt."

Hooligan-Keilereien sind in Leicester sehr selten geworden, und das, obwohl die ursprünglichen Baby-Squad-Mitglieder noch immer ins Stadion pilgern. Doch ihre Ära ist vorbei, und eine neue Gang—die Young Baby Squad—versucht, in ihre Fußstapfen zu treten. Mit mäßigem Erfolg.