Haarausfall kann Menschen jeden Geschlechts und Alters treffen, am häufigsten erwischt es allerdings ältere Männer. Mit 50 Jahren haben zwischen 42 und 53 Prozent aller Männer zumindest einen Teil ihrer Haare verloren. Vielen passiert das allerdings noch viel früher. Zwischen 16 und 30 Prozent aller Männer erleben starken Haarausfall, bevor sie 30 werden. Bei einigen geht es sogar schon während der Schulzeit los.
Wir haben mit drei jungen Männern gesprochen, die ihre Haare teilweise oder komplett verloren haben. Wir wollten von ihnen wissen, wie sie mit dem Haarausfall umgegangen sind und wie er sich auf ihr Liebesleben und soziale Beziehungen ausgewirkt hat.
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Jeroen, 28: “In dem Augenblick, als der Rasierapparat über meinen Kopf ging, dachte ich mir nur: ‘Scheiße, das hätte ich viel früher machen sollen!’”
“Ich hatte nie besonders gute Haare. Mit 17 zeigten sich bei mir die ersten Ansätze von Geheimratsecken, und mit 18 war klar, dass ich eher früher als später eine Glatze haben werde. Das hat definitiv mit meinen Genen zu tun – mein Onkel hat die gleichen Haare –, aber auch mit ein bisschen Pech.
Am Anfang gefiel mir das überhaupt nicht. Meine Freunde sind alle zum Friseur und haben sich stylische Frisuren schneiden lassen. Bei mir war das nicht möglich. Aber immerhin habe ich das Glück, gute Freunde zu haben, die mich nie zu hart damit aufzogen. Es gab schon ein paar Sprüche hin und wieder, aber das war nicht so schlimm. Wenn davon aber mal mehrere an einem Tag kamen, hat mich das doch richtig verletzt.
Ich habe mich ein bisschen hilflos gefühlt. Mit meinen Haaren verlor ich ein Stück von mir – und das gegen meinen Willen. Mit 18 war mir sehr wichtig, wie Frauen mich wahrnehmen, und ich dachte, ich wäre deswegen weniger attraktiv. Ich habe damals fast immer eine Mütze getragen.
Zum Glück konnte ich mit meinen Eltern darüber sprechen. Sie boten an, mir eine Haartransplantation zu finanzieren, zumindest teilweise. Ich bin diesen Schritt aber nie gegangen. Wäre das wirklich die Lösung gewesen? Und für wie lange hätte das gut ausgesehen?
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Vor ein paar Jahren bekam ich dann nach und nach am Hinterkopf eine richtig kahle Stelle. Ich entschloss, alles abzurasieren. In dem Augenblick, als der Rasierapparat über meinen Kopf ging, dachte ich mir nur: “Scheiße, das hätte ich viel früher machen sollen!” Es stand mir gut und ich habe nur Komplimente bekommen. Meine Freunde haben mich auch sehr unterstützt.
Jetzt rasiere ich mir einfach einmal pro Woche den Kopf, damit es frisch aussieht. Ich trage weiterhin regelmäßig Mützen, aber nur weil ich sie mag. Ich glaube auch nicht, dass mir mein rasierter Kopf beim Daten im Weg steht. Jeder Topf hat einen Deckel, und es gibt eine Menge Deckel da draußen.” – Jeroen van Nieuwpoort ist Betreuer einer Wohngruppe für Menschen mit psychischen Problemen
Vinoud, 26: “Ich gehe sehr offen mit meinem Haarausfall um, ich schäme mich nicht”
“Als ich 20 war, bekam mein Bruder eine Glatze und meine Familie meinte, das würde mir auch bevorstehen. Es ist typisch für die Männer in meiner Familie. Mein Bruder ist dann für eine Haartransplantation in die Türkei gegangen. Ich persönlich möchte das nicht. Mein Haarausfall hat sich ohnehin nicht groß auf mein Selbstbild ausgewirkt.
Bis ich 23 war, hatte ich sehr dichtes Haar, aber dann fing es an, sich auszudünnen. Erst hat man es kaum gemerkt, aber irgendwann bildete sich eine kahle Stelle in der Mitte meines Kopfes. Bewusst oder unbewusst begann ich, meine Frisur daran anzupassen.
Jahrelang bin ich zum Friseur gegangen, um meine Frisur zu pflegen. Da, wo meine Haare wachsen, also an den Seiten, wachsen sie sehr schnell. Der Friseur hat mir Tipps gegeben, wie ich meine kahle Stelle mit sogenannten Streuhaar-Spray kaschieren kann. Ich habe es einmal ausprobiert, aber fand es nicht cool, so zu tun, als ob ich dort Haare hätte.
Vor sechs Monaten habe ich mir dann einen Trimmer gekauft und meine Haare auf ein paar Millimeter abrasiert. Ich habe bis kurz davor gezweifelt, ob das eine gute Idee ist, aber jetzt bin ich sehr glücklich damit. Außerdem spare ich jetzt sehr viel Geld, weil ich nicht mehr jeden Monat zum Friseur muss.
Ich gehe sehr offen mit meinem Haarausfall um, ich schäme mich nicht. Ich will der Gesellschaft zeigen, dass es als Mann OK ist, über sein Aussehen zu sprechen.” – Vinoud Douglas ist Projekt-Manager und Industrie-Designer
Rens, 26: “Während mir die Haare ausfielen, fühlte ich mich so unsicher. Heute sehe ich es als etwas Einzigartiges”
“Wenn ich Männer mit Kopfbedeckung sehe, die eine Halbglatze haben, dann tun sie mir ein bisschen leid. Ich verstehe es total, jeder geht damit auf seine eigene Art um. Aber ich finde, es ist eine Erleichterung, sich die Haare abzurasieren und einfach dazu zu stehen.
Als ich etwa 19 war, fielen mir oben die ersten Haare aus. Das war heftig für mich, es hat mich sehr unsicher gemacht. Mich hat aber ein bisschen getröstet, dass ein Freund von mir bereits eine Glatze hatte. Ich wusste also, dass ich nicht allein war. Ich schaute mich um, was für Möglichkeiten ich habe, aber es gab eigentlich nichts außer einer Haartransplantation.
Wenn du eine Glatze bekommst, sterben deine Haarfollikel ab. Du kannst den Prozess mit Medikamenten verlangsamen, aber die haben einen Haufen fieser Nebenwirkungen. Eine Zeitlang habe ich mir eine Art Pulver in die Haare gemacht, damit es etwas voller aussieht. Eine Art Wunderheilmittel. Aber ich dachte mir auch, dass ich damit nur das Unaufhaltsame hinauszögere.
Wenn Freunde Witze über meine Frisur gemacht haben, war das OK für mich, aber wenn jemand Fremdes etwas sagte, wurde ich richtig sauer. Einmal habe ich bei einer Party stundenlang mit einer Frau geflirtet. Irgendwann kam ein Typ rüber, stellte sich neben uns und fing dann an, in einem absichtlich abfälligen Ton über die kahle Stelle an meinem Hinterkopf zu reden. Die Frau und ich waren einfach nur baff.
Ich habe alles erdenklich Mögliche getan, um die kahle Stelle zu verdecken. Ich habe mir zum Beispiel die Haare zurückgekämmt, obwohl ich das gar nicht an mir mochte. Mit 23 war ich dann mit Freunden im Urlaub und entschied mich spontan dazu, meine Haare abzurasieren.
Zuerst war es ein Schock, ich musste mich erstmal daran gewöhnen. Ich bekam zwar lauter Komplimente, aber ich selbst konnte mich noch nicht damit arrangieren. Ich habe meine Haare in den Monaten danach wieder wachsen lassen, aber ich wusste, dass das seine Grenzen hat. Meine Haare sahen einfach nicht mehr gut aus.
Irgendwann meinte meine Freundin zu mir: ‘Rasieren wir sie doch ab.’ Und das hat sie dann getan. Es war befreiend. Während mir die Haare ausfielen, fühlte ich mich so unsicher. Heute sehe ich es als etwas Einzigartiges. Meine Freundin findet es sogar sexy.
Jetzt muss ich mir keine Gedanken mehr darüber machen, außer dass ich im Sommer nicht vergessen darf, mir Sonnencreme auf den ganzen Kopf zu machen.” – Rens Peters ist Masterstudent und Dozent
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