Es ist gar nicht so einfach, in Schweizer Städten junge Leute zu finden, die den Militärdienst absolviert haben. Wer nicht im Zivildienst war, hat sich so gründlich untauglich schreiben lassen, dass er jahrelang Wehrpflichtersatz zahlt und mit Gleichgesinnten ein paar schöne Millionen in die Bundeskasse spült. Dafür ist er von Durchhaltewochen, mühseligen WKs und anderem Militärspass befreit.
Wenn man aber auf jemanden stösst, der im Militär war, hat der etwas zu erzählen. Denn meistens ist es eine intensive Zeit, wenn über Wochen eine Gruppe (vor allem) Männer jeder Couleur zusammengepfercht und Extremsituationen ausgesetzt wird. Man muss sich mit einem Haufen Fremder arrangieren und Aufgaben mit variierendem Grad an Sinnhaftigkeit erledigen. Das kann den eigenen Horizont erweitern oder einfach nur verschwendete Zeit sein.
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Manche der Geschichten, die aus der Militärerfahrung entstehen, sind lustig und manche sind deprimierend. Wir haben junge Männer in Zürich nach den Geschichten gefragt, die ihnen vom Militär geblieben sind.
Simon, 32
VICE: Was ist das bizarrstes Erlebnis aus deiner Zeit im Militär?
Simon: Ein Zugführer wollte nach dem Abschluss einer Übung noch mit seinem Zug grillieren. Er hat seinen Plan beim zuständigen Stabsoffizier angemeldet. Dem war das aber nicht genug und er hat ein “Wurstkonzept” verlangt. Auch auf Nachfrage hat der Stabsoffizier nicht verstanden, warum es absolut albern ist, ein “Wurstkonzept” zu wollen. Einerseits ist das Wort lächerlich und andererseits, dass er überhaupt ein Konzept fürs Grillieren wollte.
Hat er das “Wurstkonzept” schlussendlich bekommen?
Am Ende hat der Zugführer ihm einen Zeitplan vorgelegt.
Habt ihr euch vor Lachen nicht weggeschmissen, als der Offizier das “Wurstkonzept” gefordert hat?
Doch, klar. Wir haben aber damit gewartet, bis er weg war. Ich war ausserdem mit ihm in der Offiziersschule und wollte kollegial sein.
Dachtest du schon in der Offiziersschule, dass er so ein überkorrekter Mensch ist?
Ja, voll. Der ging richtig ab. Der hat sich im Stab durch solche Konzepte ausgelebt. Jetzt habe ich erfahren, dass er als Hauptmann keine Lust mehr auf den Dienst hatte und in den Zivildienst gewechselt hat. Eine ziemlich Nummer, dieser Typ!
Philip, 25
VICE: Was ist deine beste Militärgeschichte?
Philipp: Wir hatten am Mittwochabend Ausgang. Dann haben wir halt zwei, drei oder drei, vier getrunken, wie das eben so passiert. Manche sind sogar zu spät zurückgekommen. Auf dem Platz beim Antrittsverlesen hat es dann einer tatsächlich geschafft zu kotzen.
Was ist danach passiert?
Zuerst mal nichts. Wir sind auf unsere Zimmer. Am nächsten Morgen wurden wir von Geschrei geweckt, weil es eine ziemliche Moralpredigt gab. Der Soldat, der sich übergeben hatte, war aber so fair und hat zugeben, dass er der Schuldige war. Er wurde dann ins Büro beordert und hat sich dort noch was anhören müssen.
Tibor, 20
VICE: Was hast du im Militär gemacht?
Tibor: Ich war ABC-Soldat. Das heisst Schutz vor Atom-, Bio- und Chemiewaffen und ist eine präventive Funktion.
Alles klar. Was ist deine beste Militärgeschichte?
Wir waren in Spiez stationiert. Meistens sind wir auf dem Weg dahin noch in die Grosse Schanze in Bern, was trinken oder so. Einer meiner Mitsoldaten war am Sonntagabend schon so besoffen, dass er sich beim Einrücken nicht mehr unter Kontrolle hatte. Er schrie auf dem Kasernenareal rum und grölte laut. Man muss noch wissen, dass die Kaserne in Spiez geteilt ist. Ein Teil gehört zum Militär und der andere ist zivil.
Darum musstet ihr einen guten Eindruck machen vor den Zivilisten?
Ja, um das gings. Der Soldat schreit also betrunken auf dem Areal rum und dann kommt einer mit höherem Rang. Ich weiss nicht mehr genau, vielleicht war es ein Adjutant oder ein Offizier so um die 50. Er hat den Betrunkenen wie ein kleines Kind am Ohr gezogen und ihm eine Standpauke gehalten. “Jetzt benimmst du dich aber sofort!”. Der war so eingeschüchtert, dass er gar nichts mehr gesagt hat. Ein älterer Herr, der einem jungen Mann die Ohren langzieht.
Max*, 31
VICE: Was ist die beste Geschichte aus deiner Militärzeit?
Max: Ich habe eine ziemlich lange Geschichte.
Schiess los.
Wir hatten in der Ostschweiz eine Übung und ein Wachtmeister hatte seinen letzten Tag. Das wollten wir feiern, hatten aber keinen Ausgang. Wir haben trotzdem den Puch geholt und sind irgendwo feiern gegangen. Zuerst lief alles gut, aber natürlich war einer dabei, der es übertreiben musste. Er dachte, dass es eine gute Idee sei, in Uniform vor dem Club einen Joint zu rauchen und neben den Eingang zu pissen. Der Türsteher war darüber gar nicht glücklich. Er hat seinen Ausweis verlangt und der Idiot hat ihm den Ausweis auch noch gegeben. Danach war der Türsteher aber soweit beschwichtigt. Ein anderer Soldat ist da gerade aus dem Club raus gekommen und hat die Szene noch so halb mitbekommen. Er fängt an, den Türsteher aufs Übelste zu beschimpfen: “Komm nach Zürich, dann machen wir dich fertig!”
Das kommt in der Ostschweiz sicher gut an.
Der Türsteher lässt sich provozieren und droht uns mit der Militärpolizei! Wir haben ihm natürlich nicht geglaubt, dass er die wirklich holen wird. Am nächsten Tag wurden wir nach Zürich verlegt. Wir durften nicht in unserem Einsatzgelände in Zürich übernachten und hätten darum für die Nacht nach Birmensdorf verlegt werden sollen. Darauf hatten wir natürlich keine Lust, wir wohnten schliesslich fast alle in Zürich. Wir konnten ja zuhause schlafen und am nächsten Morgen nach Birmensdorf fahren.
Ich habe mir also zuhause einen schönen Abend gemacht, noch einen Joint geraucht. Plötzlich klingelt das Telefon und ich ahnte schon, wer mich anruft. Schlussendlich habe ich das Telefon doch abgenommen und mein Wachtmeister war dran. “Die Militärpolizei steht hier, du musst sofort kommen!” Na toll. Ich war in der Armee übrigens auch noch Fahrer, als solcher darf man sowieso nicht kiffen. Ich habe also ein Taxi zur Kaserne bestellt, 70 Franken dafür bezahlt und wurde dort von den Typen in Grau auseinandergenommen: Urinprobe abliefern (die war natürlich positiv), Berichte abgeben. Ich wusste lange nicht, was die Konsequenzen sein werden. Muss ich bei der Arbeit freinehmen, um ins Militärgefängnis zu gehen? Oder eine Busse zahlen? Schlussendlich musste ich 300 Franken Busse zahlen und mir wurde meine militärische Fahrerlaubnis entzogen. Die Busse habe ich bis heute nicht bekommen und rechne auch nicht damit, dass ich sie noch bekomme.
Patrick*, 21
VICE: Was ist das Merkwürdigste, das du im Militär erlebt hast?
Patrick: Während der Schiessübung mit der Shotgun …
… mit der Shotgun?
Das ist eine Schrotflinte. Ich war Flugplatz-Sicherungssoldat.
Alles klar, weiter bitte.
Also, während der Schiessübung mit der Schrotflinte hat sich der Typ neben mir in den Fuss geschossen. Nicht absichtlich! Er wollte prüfen, ob die Shotgun gesichert war oder nicht. Dabei hat er auf den Boden gezielt und seinen eigenen Fuss getroffen. Sie war nicht gesichert.
Was ist danach passiert?
Der Zugführer hat ihn betreut und dann kam die Ambulanz. Er musste eine Pause einlegen und danach die RS wieder fast von vorne anfangen. Obwohl es fast am Ende der RS war, im VBA 1.
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*Name wurde geändert