Eins kam zum anderen und plötzlich lebte ich in Paris. Geplant war das nicht, aber als sich mir zufällig die Möglichkeit bot, habe ich nicht lange gefackelt und zugesagt. Das erste Mal kam ich hierher, weil ich zu der Zeit eine französische Freundin hatte. Ich bin in einem guten Restaurant untergekommen, aber glücklich wurde ich trotzdem nicht. Als es mich zum zweiten Mal nach Paris zog, kam ich mit 2.000 Euro Schulden im Gepäck. Für die letzten zwei Wochen hatte ich noch nicht mal eine Unterkunft. Glücklicherweise habe ich dann ein paar Leute aus dem Restaurant Au Passage kennengelernt. Sie waren zwar echte Weinkenner, wussten aber, dass sie beim Thema Essen dringend Nachhilfe nötig hatten. Darum fragten sie mich, ob ich für die Zeit meines restlichen Aufenthalts als Koch einspringen könnte. Vorgesehen war also nur ein kurzfristiges Engagement. Daraus entwickelte sich aber eine Vollzeitanstellung, ohne dass ich damals Ambitionen für ein eigenes Restaurant gehegt hätte. Und dann habe ich doch eins aufgemacht, das Bones.
Als Ausländer in Paris (ich komme aus Australien) ist mir ein Wandel in der hiesigen Restaurantszene aufgefallen, seitdem ich vor fünf Jahren hierher gezogen bin. Zur gleichen Zeit finde ich es äußerst komisch, wenn Leute zwischen der Brooklyner und Pariser Gastronomie Berührungspunkte ausmachen wollen. Ich war im letzten Jahr zum ersten Mal in New York, acht Monate nach der Eröffnung meines Restaurants, und habe nichts von dieser Verbindung feststellen können. Vielmehr glaube ich, dass der Mensch einfach gerne Sachen kategorisiert, wobei er auch vor Küchen keinen Halt macht. Auch meine Person steht im Zeichen des kulinarischen Wandels in dieser Stadt. Denn ich bin kein Franzose, komme aus einem englischsprachigen Land und bin zudem noch relativ jung. Ein Beispiel: Viele Franzosen sind verwundert über ein Konzept, das neben dem normalen Restaurantbetrieb eine separate Bar mit eigener Speisekarte vorsieht. Vielleicht ist das auch etwas komisch. Keine Ahnung.
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Viele Personen in meinem Alter versuchen, die Umgebung, in der sie selbst schon gearbeitet haben, bei der Gestaltung ihres eigenen Restaurants zu berücksichtigen. Dabei verfolgen sie aber einen neuen Ansatz, bei dem Ideen, Techniken und Handgriffe aus traditionellen französischen Küchen an eine entspanntere, leichter verdauliche Atmosphäre angepasst werden. Die Rede ist von einem Essenserlebnis, das ich als „casual fine” zusammenfassen würde. Und genau dafür steht die Schar an jungen (Neu-)Pariser Köchen.
Die Pariser Gastronomie hat sich schlagartig verbessert, was auch der Stadt zugute kommt. Angefangen damit, dass du hier jetzt auch wunderbaren Kaffee bekommst, was bei meiner Ankunft noch nicht der Fall war. Außerdem öffnen immer mehr gute Restaurants ihre Pforten, die auf Mittagsmenüs mit saisonalen Produkten setzen. Die Älteren schauen auf die Hipster dieser Stadt herab—die sie „bobos” nennen—und werfen ihnen vor, aktuellen Trends zu schnell zu folgen. Entwicklungen dieser Art tun aber keiner Stadt gut.
In Australien gibt es eine außergewöhnlich ausgeprägte Kaffeekultur. Dessen wirst du dir erst bewusst, wenn du ins Ausland gehst. Denn die Suche nach einer guten Tasse Kaffee hat sich vor fünf Jahren noch als Mission Impossible erwiesen. Jetzt findest du vielerorts tolle Kaffeehäuser, darunter das Ten Belles und das Le Bal. Und auch ein junger Australier namens Chris hat ein Café mit dem Namen Foundation eröffnet. Die Sache nimmt langsam aber sicher Fahrt auf. Was aber am Ende einen guten Kaffee ausmacht, ist eine sehr persönliche Angelegenheit. Die meisten Baristas schwören auf frischen Filterkaffee. Dabei kommt es auch auf Details wie ein korrektes Eingießen oder Mahlen der Bohnen an. Aber in diesen Fragen bin ich weiß Gott kein Experte.
Im Bones profitieren wir zudem von der florierenden Bierszene in und um Paris. So arbeiten wir mit ein paar Jungs zusammen, die für großartiges Craft Beer stehen, vor allem Craig Allan. Und mit Deck & Donohue, einer Brauerei am Stadtrand, die ebenso tolles Bier braut. Als Chef versuche ich aber, mich nicht zu sehr in den Weisheiten der Braukunst zu verstricken, da ich mit der Essens- und Weinauswahl schon genug zu tun habe. Also lieber abschalten und selber mal ein Bier zischen gehen.
Um mit einem Restaurant Erfolg zu haben, musst du wirklich an dich und dein Konzept glauben. Was unsere Lieferanten betrifft, können wir uns äußerst glücklich schätzen. Wir gehen mehrmals in der Woche auf den Lebensmittelmarkt und für unsere Lammgerichte setzen wir auf die Dienste eines Viehzüchters aus dem Burgund, der uns seine frisch geschlachteten Tiere einmal pro Woche liefert. Auch bei unseren Meeresfrüchten und Fischen vertrauen wir auf qualitätsorientierte Lieferanten. Und für Geflügel haben wir einen separaten Zulieferer, ebenfalls aus dem Burgund. Außerdem backen wir unser eigenes Brot und arbeiten hierfür mit einem Familienbetrieb aus dem Süden Frankreichs zusammen, wo der Weizen biologisch angebaut wird. Ich halte es für immens wichtig, enge Beziehungen mit deinen Lieferanten zu pflegen, um so für eine hohe Qualität bei den Erzeugnissen, die in deiner Küche eingesetzt werden, zu sorgen. Gleichzeitig kommt es bei uns im Bones natürlich auch auf Handwerk und Technik an. Dennoch: Ich bin überzeugt, dass ein Gericht nur so gut schmecken kann wie seine einzelnen Ingredienzen, was die Qualität der Erzeugnisse, die du von deinen Lieferanten beziehst, so unglaublich wichtig macht. Meine Küche passe ich deswegen immer an die geografische Verankerung meines aktuellen Arbeitsplatzes an.
Das Wichtigste ist, kulinarisch stets das Beste aus dem zu machen, was du an einem gegebenen Ort vorfindest. Dabei lasse ich meine Gerichte für sich selbst sprechen und vertraue so viel wie möglich auf saisonale Erzeugnisse.
Aber behauptet das gerade nicht irgendwie jeder von sich?
Ich vermisse Australien nicht wirklich, bin aber zugegeben auch kein besonders nostalgischer Typ. Ich hoffe, in den nächsten fünf Jahren wieder mehr Jungköche zu sehen, die sich der traditionellen französischen Küche zuwenden. Mir ist schon klar, dass die meisten Köche begeistert von der Idee sind, einen persönlichen Kochstil zu prägen und eigene Ideen zu entwickeln. Gleichzeitig solltest du auch wissen, wo die meisten Philosophien ursprünglich herkommen, weswegen ich hoffe, dass die klassische französische Küche wieder in Mode kommt. Diese Stadt braucht außerdem mehr asiatische Lokale, vor allem für den späten Hunger auf Chinesisch. Mehr Dim Sum muss also her. Dafür können auch gerne ein paar der mittlerweile allgegenwärtigen Burger-Läden dicht machen. Denn denen kann ich wirklich nichts abgewinnen.