Popkultur

Insta-Fake: Wenn Influencer ihren Reichtum nur vorspielen

Leere Schuhkartons und Privatjet-Kulissen: Um die Insta-Scheinwelt ist eine kleine Industrie entstanden.
Nana Baah
London, GB
Eine Collage zeigt mehrere Geldscheine, Luxusmarken, teure Handtaschen und Social-Media-Ausschnitte, vieles davon wird von Influencern nur vorgegaukelt
Collage: Marta Parszeniew

Wer zu viel Geld kommen will, sollte es mal als Social-Media-Influencer versuchen. Vergangenes Jahr fand man heraus, dass schon 42.575 Followerinnen und Follower ausreichen, um sich mit Sponsoren-Deals und Werbeeinnahmen ein durchschnittliches Gehalt zu sichern. Die Influencer-Marketing-Industrie dürfte bis 2022 insgesamt über 15 Milliarden US-Dollar schwer werden. Und Lil Miquela, eine sogenannte virtuelle Influencerin, verdient laut Schätzungen über zehn Millionen Dollar pro Jahr – obwohl sie gar nicht existiert.

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Es gibt da nur ein Problem: Ein erfolgreicher Influencer zu werden, ist gar nicht so einfach. Denn es bringt dir in diesem Feld nur bedingt etwas, wenn du witzig, heiß oder relatable bist. Wenn du wirklich zum elitären Kreis mit dem blauen Häkchen gehören willst, brauchst du auch eine gehörige Portion Glück, einen Auftritt in irgendeiner Reality-TV-Serie oder eine andere Form von Boost. Für manche Leute bedeutet das, so zu tun, als seien sie reich.

Bei YouTube gibt es einen Trend: Vloggerinnen und Vlogger nutzen Photoshop, um sich in Instagram-Posts an Traumstrände zu setzen oder auf große Shopping-Tour zu gehen. Mit solchen Experimenten wollen sie zeigen, dass man als reicher Influencer mehr Views und Abos bekommt. Reiche Influencer und Promis stehen in Social-Media-Universum hoch im Kurs, ihr Lifestyle scheint für viele Menschen erstrebenswert zu sein. Und so denken sich viele Influencer-Anwärter: Selbst wenn ich nicht reich bin, kann ich zumindest so tun – die Follower werden folgen.

Wer nicht besonders geschickt mit Photoshop ist, kann sich auch auf andere Weise helfen.


VICE-Video: Die Fake-Rapper aus Schottland, die die Welt eroberten


Vergangenes Jahr enthüllte ein Tweet, dass sich verschiedene Influencerinnen und Influencer in einem Fotostudio in Los Angeles in einer Privatjet-Kulisse ablichten ließen. Für läppische 64 US-Dollar die Stunde konnten sie und ihre Freunde so tun, als hätten sie ein Flugzeug gechartert, und mit frechen "Auf Wolke 7"-Captions mit ihrem angeblichen Reichtum prahlen.

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In China geht es noch günstiger: Für nur sechs Yuan – umgerechnet nicht mal ein Euro – kannst du dir dort deine Stimme über Stockvideos von teuren Autos, tropischen Trauminseln und Bargeldbergen legen lassen und die Clips dann als Instagram-Story posten.

Und dort, wo es keine Privatjet-Fotokulissen und Voiceover-Dienste gibt, kann man auch anders in den sozialen Medien auf dicke Hose machen – zum Beispiel mit leeren Boxen von Designermarken. 

Wenn du bei Depop, einem britischen Second-Hand-Shoppingportal, nach "empty box" oder "empty bag" suchst, bekommst du Hunderte Ergebnisse. In einem Interview mit Input Mag verriet eine anonyme Designer-Resellerin mit einer großen Influencer-Klientel, dass es derzeit eine erhöhte Nachfrage nach leeren Verpackungen von teuren Marken gebe – etwa Hermes, Pandora oder Tiffany. "Zuerst dachte ich, die Leute brauchen die Boxen, um zu Hause Sachen einzulagern oder um ein Geschenk darin einzupacken", sagte sie. "Doch dann wurden sie für Instagram-Shootings verwendet."

"Solche Fakes fallen schnell auf, normalerweise stimmt irgendein Detail nicht."

Bei Depop gibt es Accounts, die ausschließlich leere Verpackungen verkaufen. Die Marken reichen von Chanel und Tiffany über Pandora und Selfridges bis hin zu Gucci, Louis Vuitton und Dior. Hauptsache teuer. Genauso wie die Preise: Vier Schleifen von Hermes kosten umgerechnet 22 Euro, für Hut- oder Schuhschachteln von Gucci oder Louboutin muss man zwischen 39 und 61 Euro hinblättern.

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Wer jetzt denkt, dass das Sammeln von leeren Verpackungen eigentlich nichts ist, womit man angeben kann, liegt falsch. Laut der Designer-Resellerin aus dem Interview mit dem Input Mag hat einer der Influencer, der bei ihr Pandora-Schachteln gekauft hat, inzwischen richtige Sponsoring-Deals eingetütet.

Das soll jetzt natürlich nicht heißen, dass man mit dem Vortäuschen von Reichtum automatisch an solche Deals kommt. So sagt es auch Scott Guthrie, ein unabhängiger Marketing-Berater für Influencer: "So was fällt schnell auf, normalerweise stimmt irgendein Detail nicht. Zum Beispiel passen die Accessoires nicht zum Outfit. Oder es gibt einfach zu viele, offensichtlich nur zum Angeben gedachte Luxus-Symbole."

"Kreativer und innovativer Content ist der Schlüssel."

Stattdessen, sagt Guthrie, sei Authentizität der realistischere Weg hin zu Deals mit Luxus-Marken: "Wer ein Influencer werden will, der mit teuren Marken zusammenarbeitet, sollte die Werte nach außen tragen, die die Position dieser Marken stärken. Kreativer und innovativer Content ist der Schlüssel."

Natürlich ist es im Vergleich zu Privatjets und teurem Schmuck viel günstiger, nur so zu tun, als sei man reich. Deswegen sollte man das aber noch lange nicht machen. Denn die Wahrheit ist und bleibt: Wer in seinen Instagram-Storys Gucci markiert, verursacht nicht nur bei den eigenen Followern und Followerinnen Fremdscham, sondern verbaut sich auch schnell jeden Weg zu den Brand-Sponsorings, die man sich so wünscht.

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