Die Autorin, umgeben von typischem Weihnachtsessen und dummen Sprüchen zu ihrem Gewicht
Collage: Dymphie Huijsse
Menschen

Nein, du musst zu Weihnachten keine dummen Sprüche über dein Gewicht ertragen

Es ist wichtig, Grenzen zu setzen.

Ich bin schon mein ganzes Leben lang dick. Viele Menschen denken, dass es in Ordnung ist, meinen Körper zu kommentieren oder mir zu raten, dass ich abnehmen sollte. Für sie ist Dünnsein der Schlüssel zu einem glücklichen und erfolgreichen Leben. 

Anzeige

Der Großteil meiner Familie tickt genau so. Bei Familientreffen, besonders im Dezember, habe ich oft dickenfeindliche Kommentare zu hören bekommen. "Hast du schon wieder zugenommen?"; "Was machst du falsch?"; "Im Januar fängst du aber wieder eine Diät an, oder?"; "Das Kleid steht dir nicht, zieh doch nächstes Mal was anderes an"; "Ich würde an deiner Stelle heute keine Kohlenhydrate essen"; "Ich habe eine Light-Version davon gemacht, du willst ja nicht noch dicker werden, oder?"

Jedes Mal, wenn ich mir Essen auftische, starren meine Familienmitglieder mich an. Jede Bewegung, die mein dicker Körper macht, wird beobachtet und kommentiert. 


VICE-Video: Der Schönheitswettbewerb, für den Teenagerinnen Schlangen häuten und köpfen


Diese Dickenfeindlichkeit hat dazu geführt, dass ich mich von meiner Familie distanziert habe. Ich ließ mir Ausreden einfallen, um nicht zum Weihnachtsessen zu kommen. Ab September fing ich an, mich vor Dezember zu grauen. Ich versuchte öfter, eine Blitzdiät zu machen – manchmal nahm ich dadurch aber noch mehr zu und fühlte mich noch schlechter. Obwohl ich Weihnachten eigentlich liebe, waren die Feiertage für mich mit Bauchschmerzen und Panikattacken verbunden. 

Vor ein paar Jahren hat sich etwas verändert. Ich fing an, über die toxische Diätkultur unserer Gesellschaft zu lesen. Dicke Menschen werden auch in den Medien und der Popkultur stigmatisiert. Ich habe sogar ein Buch darüber geschrieben und es war sehr befreiend. Jetzt kann ich für mich selbst einstehen und toleriere Dickenfeindlichkeit nicht mehr. 

Anzeige

Eine Sache, die mir in den letzten Jahren sehr dabei geholfen hat, Weihnachten zu überstehen, war, direkt mit meiner Familie zu kommunizieren. Ich habe meinen Verwandten gesagt, dass ich ihre Meinungen über meinen Körper, mein Gewicht und meine Essgewohnheiten nicht mehr hören will. 

Seitdem hat ihre Dickenfeindlichkeit abgenommen, aber sie hat nicht aufgehört. Obwohl ich meine Grenzen klar gesetzt habe, kommen noch immer Witze und Kommentare. Wie ich darauf reagiere, hängt von meiner Stimmung ab. Manchmal verlasse ich einfach den Raum oder verbringe Zeit mit anderen Mitgliedern der Familie. Ich lache nie. Mein Gesicht bleibt unverändert und ich frage die kommentierende Person direkt, ob sie das witzig findet. Manchmal stelle ich auch eine Gegenfrage: "Warum ist es dir so wichtig, dass ich dünn bin?" Wenn sie dann antworten, dass sie mich nur glücklich sehen wollen, kann ich entgegnen, dass solche Kommentare mich ganz sicher nicht glücklich stimmen. 

Viele meiner Familienmitglieder sind sehr auf ihr eigenes Gewicht fokussiert, deswegen kommen ihre Sprüche von ihren eigenen Ängsten und Obsessionen. Das macht es zwar nicht OK, aber hilft mir, das Ganze nicht zu persönlich zu nehmen. 

Die Generationen meiner Eltern und Großeltern ist überzeugt davon, dass Dicksein das Schlimmste ist, was dir passieren kann. Weil sie nicht in den sozialen Medien unterwegs sind, kriegen sie auch nichts über Body-Positivity mit. Sie verstehen nicht, dass ihre Kommentare mich nicht motivieren, dünn zu werden. Oder dass sie einen Einfluss auf meine geistige und körperliche Gesundheit haben können. Ich verstehe ihre Ignoranz und manchmal kann ich die Sprüche ignorieren oder versuchen, sie aufzuklären. Aber manchmal möchte ich mich nicht rechtfertigen. Dann sage ich, dass ich nicht darüber reden möchte. So erlaube ich mir, mich auch mal auszuruhen. 

Anzeige

Letztes Jahr habe ich mit meiner Familie Sinterklaas, also den niederländischen St. Nikolaus, gefeiert. Ich hatte sie in dem Jahr nicht viel gesehen und war relativ nervös. Ich habe mich viermal umgezogen und darüber nachgedacht, welches Outfit mir die wenigsten dickenfeindlichen Kommentare einbringen würde. Offensichtlich bestehen meine Ängste immer noch, aber ich habe sie mittlerweile akzeptiert. 

Vor dem Treffen sagte ich meiner Familie, dass ich mich freue, sie zu sehen. Das hat geholfen. Wir hatten einen großartigen Abend. Niemand hat etwas über mein Gewicht gesagt, jeder hat so viel gegessen, wie er wollte, und es war angenehmer und persönlicher als jemals zuvor. 

Ich hoffe sehr, dass zukünftige Feiertage genauso sein werden. Weil ich offen und ehrlich mit meinen Verwandten geredet habe, fühle ich mich mehr mit meiner Familie verbunden. Natürlich heißt das nicht, dass wir nicht mehr über mein Gewicht reden können – aber jetzt kann ich die Konversation bestimmen. Was ich zu Weihnachten esse und wie ich aussehe, geht nur mich etwas an. 

Folge VICE auf Facebook, Instagram, YouTube und Snapchat.