Kampftrinken als Kunst: Dieser Mann säuft einen Monat lang vor Publikum

Es heißt immer, wahre Künstler leiden für ihre Kunst. Der englische Schauspieler David William Bryan hat das wohl verinnerlicht: Er will sich einen Monat lang täglich mit Cider betrinken. Das fällt deshalb unter Kunst, weil David es im Rahmen einer Theater-Performance macht, und zwar auf dem weltgrößten Kulturfestival, dem Edinburgh Festival Fringe in Schottland.

Der 33-jährige Londoner betreibt damit hochprozentiges Method Acting. Während seiner einstündigen Darbietung trinkt er ganze acht Dosen Cider. Und das 25 Tage am Stück – alles nur, um sich seiner Figur, einem Alkoholiker, anzunähern. Das Theaterstück, eine Ein-Mann-Show mit schwarzem Humor, heißt Trashed und stammt von Sascha Moore. David und Sascha werden außerdem eine Doku über Davids Erfahrungen drehen.

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Ich habe David erwischt, bevor er sich alle Gehirnzellen zerstört hat, und ihn zu seiner Motivation als betrunkener Schauspieler befragt.


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VICE: Erzähl mir ein wenig über das Stück.
David William Bryan:
Es ist ein Ein-Mann-Stück über einen alkoholsüchtigen Müllmann namens Goody. Alles dreht sich darum, wie schwer es Männern fällt, ihre Gefühle auszudrücken, und zu welchen Katastrophen es führen kann, wenn man das nicht hinkriegt.

Und dafür trinkst du sechs bis acht Dosen Cider pro Aufführung?
Jede Vorstellung ist ein kleines Trauma, aber Alkohol macht einen erst zeitversetzt richtig fertig, und das ist ein Vorteil für mich: Ich kann auf der Bühne noch funktionieren.

Das ist schon eine sehr große Menge Cider in nur einer Stunde.
Das stimmt, aber aktuell bin ich vermutlich auf dem Höhepunkt meiner Fitness. Ich trainiere seit ein paar Monaten, damit ich wirklich in guter Form bin. In Edinburgh mache ich 25 Shows hintereinander. Wenn wir ungefähr zu zwei Dritteln durch sind, werde ich wissen, wie es sich anfühlt, wenn man durchgehend Alkohol in der Blutbahn hat. Und das gibt mir hoffentlich einen tieferen Einblick in diese Figur.

Warum trinkst du nicht einfach Sprudelwasser oder so?
Ich war an der Method-Acting-Schule von Stella Adler in Los Angeles und der Kern ihrer Methode ist, dass man einen Zugang zu einer Figur und ihren Umständen findet. Ich habe abgewogen: Wird meine Darbietung besser, wenn ich wirklich trinke, oder wird sie schlechter? Ich habe mich fürs Trinken entschieden, damit ich selbst nah an der Figur bin. Das Publikum muss allerdings auch überlegen: “Moment, trinkt der da gerade wirklich? Wie viel in diesem Stück ist echt?” Ich verwische gern diese Grenze.

Glaubst du, es könnte für Leute mit einem Alkoholproblem verstörend sein, in dem Stück zu sehen, wie jemand das nachmacht?
Ich kenne viele, die schon Probleme mit Alkoholismus hatten, und habe mich hauptsächlich vorbereitet, indem ich mit diesen Leuten gesprochen habe. Was ich da umsetze, kommt also direkt von Betroffenen, und wir werben für das Stück auch so, dass man merkt, worum es geht. Ich denke nicht, dass wir uns bei irgendwem entschuldigen müssen.

Foto: Holly Wren

“Ich habe abgewogen: Wird meine Darbietung besser, wenn ich wirklich trinke, oder wird sie schlechter? Am Ende habe ich mich fürs Trinken entschieden.” – David William Bryan

Fühlst du, wie dein Alkoholpegel deine Darbietung im Laufe der Stunde beeinflusst?
Definitiv. Du fühlst es, wie es sich aufbaut. Und Sascha arbeitet in seinem Text perfekt mit diesem Anstieg: Das Stück wird manischer und aufgekratzter, die Worte, die meine Figur spricht, passen zu meinem desorientierten Zustand. Aber ich habe die Kontrolle – ich würde nie im Leben etwas machen, wo ich auf der Bühne stehe und mich nicht unter Kontrolle habe. Das fände ich aus ethischer Sicht falsch.

Nach der Aufführung geht das Adrenalin wieder zurück, aber ich bin immer noch aufgeregt. Es ist ein bisschen frustrierend: Wir müssen das Set putzen und den ganzen Alkohol wegräumen, aber ich fühle mich wie von der Rolle. Ich habe ein nettes Fitnessstudio in Edinburgh gefunden, wo ich nach der Performance in die Sauna und ins Eisbad gehen will, damit ich für die nächste Show wieder nüchtern und fit werde. Aber vielleicht überlege ich es mir dann doch anders, wenn wir auf dem Festival sind und ganz Edinburgh feiern geht …

Was für Training hast du hierfür absolviert?
Um abzunehmen habe ich einen Haufen Cardio-Training gemacht, dann Krafttraining. Als ich ungefähr sieben Kilo los war, habe ich mein Training auf eine Stunde getimt und geändert, damit ich mich an die physische Belastung der Show gewöhne: Im Grunde mache ich 60 Monologe hintereinander, während ich rumrenne und trinke. Ich laufe also täglich eine Stunde auf dem Band oder mache Zirkeltraining und bringe den Alkohol dann allmählich ins Spiel.

Welche Cider-Marke trinkst du?
Strongbow.

Magst du Strongbow?
Ja. Die Sorte geht echt am leichtesten runter.

Und meinst du, dass du nach dem Marathon-Monat nie wieder ein Strongbow sehen willst?
Ganz bestimmt.

Du kannst dir Trashed vom 3. bis 27. August im Underbelly in Edinburgh ansehen.

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