Dieser Artikel ist Teil des VICE Guides für Festivals, alle Texte findet ihr hier.
Einer der weniger beliebten Aspekte von Festivals ist, dass sie früher oder später zu Ende gehen. Die Musik geht aus und du gehst nach Haus‘, wahrscheinlich in einem dieser überfüllten Shuttle-Busse, die nach verfaulten Eiern und alterndem Camembert riechen. Ein weiterer: Du musst dich mit dem unvermeidlichen Kater auseinandersetzen – eine Herausforderung, denn Kater sind wie sexuell übertragbare Krankheiten. Man weiß nie, welche man bekommt.
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Also musst du immer erst einmal abwarten, um welche Art von Kater es sich bei dir dieses Mal handelt. Manchmal bekommst du einen nach dem anderen, manchmal sind es zwei zum Preis von einem und wenn du richtig viel Spaß hattest, bekommst du sie alle auf einmal. Um dich auf die qualvolle Hölle vorzubereiten, die zu deinem unausweichlichen Schicksal gehört, haben wir für dich eine Auswahl verschiedener Kater zusammengestellt, die dich ziemlich sicher auf einem Festival heimsuchen können.
Die Dampfwalze
Diese Art von Kater zeichnet sich durch das Gefühl aus, als hätte dich ein Mann mit seinem Hammer besucht – wortwörtlich. Es ist, als wäre er vom Baumarkt aus mit seinem Vorschlaghammer in der Hand schnurstracks zu deinem Bett gelaufen und hätte deinen ganzen Körper, als du gerade die Augen zu hattest, in Tausende Stücke zerschlagen. Du wusstest ja, dass du von ein paar Gläsern zu viel rasende Kopfschmerzen bekommen kannst. Aber woher kommen bitte diese fürchterlichen Muskelschmerzen in deinen Beinen und das Gefühl, dass alle deine Organe gerade den totalen Krieg gegeneinander führen? Bist du letzte Nacht etwa vom Party-Zug überfahren worden?
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Der Melancholiker
Kater bringen nicht nur deinen Körper komplett durcheinander, sondern auch deinen Geist. Manchmal wachst du auf, völlig zerstört, und plötzlich hast du dich in eine Philosophin verwandelt, die nicht aufhören kann über die guten alten Zeiten zu schwadronieren, als sie noch ein Kind war und ihre Mutter ihr noch Nutella-Brote geschmiert hat. Erinnerst du dich noch an die alte Zeit? Als du nie verkatert warst und, sind wir mal ehrlich, wesentlich glücklicher? Als dein größtes Problem war, dass es in deinem Kuhdorf keinen Videoverleih gab? Als du noch auf dem Rücken deines Ponys Pepsy kleine Abenteuer erlebtest? Ah, die gute alte Pepsy mit ihrem lahmen Hinterbein. Das beste Pony aller Zeiten.
Der Slushy
Du erkennst diese besondere Manifestation deiner Misere an deinem starken Verlangen nach etwas sehr Spezifischem. Das kann ein Slushy sein (weil Slushys toll sind und kalt und farbenfroh und, oh mein Gott, warum isst überhaupt irgendjemand etwas anderes als Slushys und, oh mein Gott, ich habe gerade so viel Geld an diesem Absatz über Slushys verdient, danke für die Sponsoring-Idee Linda aus dem Verkauf), aber es kann genauso gut die eine Sorte Avocado oder Bacon sein, die nur an der Tankstelle 50 Kilometer östlich von deinem Heimatort verkauft wird. Alles, was du tun kannst, ist deinem Verlangen nachzugeben, du musst tun, was immer auch nötig ist, um deinen Heißhunger zu stillen. Wenn du öfter von dieser Art des Katers heimgesucht wirst, solltest du dir vielleicht überlegen eine Slushy-Maschine für zuhause zu kaufen. Das einzige Problem ist, dass sie die restliche Zeit über, wenn du vollkommen munter bist, nur im Weg rumsteht.
Der Wahnsinnige
Manchmal wachst du nach einem Festival auf und denkst dir: Oh, ich fühl’ mich ja überhaupt nicht schlecht! Dann stehst du auf, gehst nach draußen und gibst deinem Nachbarn ein High-Five. Da bemerkst du plötzlich, dass irgendetwas nicht stimmt. Du bist zu gut drauf. Tatsächlich hasst du diesen Nachbarn wegen seines ekelhaften, rasselnden Hustens, den du jeden Tag durch die Wand hörst. Außerdem hast du am Abend zuvor so viel getrunken, dass du heute rechtmäßig im Koma liegen müsstest. Du hörst auf einmal die Titelmelodie von Akte X in deinem Kopf. Da merkst du plötzlich: Du hast denn Wahnsinns-Kater. Du sprühst nur so vor Energie, du hältst jeden für wunderschön und du willst einen riesigen Haufen Geld für einen Designerlampenschirm ausgeben, oder irgendeinen anderen Scheiß, den du nicht brauchst.
Versuche deine Energie auf etwas Positives zu channeln – geh und mach zum Beispiel dein Badezimmer sauber. Aber beeil dich besser, denn der Wahnsinns-Kater wird nicht ewig halten und du wirst früher oder später in Richtung Koma kollabieren.
Die große Depression
Vermutlich gehst du auf Festivals, weil sie Spaß machen. Manchmal wachst du allerdings am nächsten Tag auf und fühlst dich wie der unglücklichste Mensch auf dem Planeten. Der depressive Kater ähnelt dem melancholischen Kater, außer dass du in diesem Fall nur an all die Sachen denken kannst, die du jemals falsch gemacht hast – wie als du deinem Ex letzte Nacht geschrieben hast, oder als du Matthias Schweighöfer in der Stadt letztens Hallo gesagt hast, weil du dachtest, er wäre ein Freund von dir, oder das eine Mal, als du sieben warst und auf dem Schoß vom Nikolaus saßst und plötzlich Durchfall hattest. Aber keine Angst, diese depressive Phase wird nicht länger anhalten, als die Reinigung gebraucht hat, um all die Flecken aus Nikolaus’ Robe herauszubekommen.
Der Autor mit einem ausgewachsenem Kater | Foto: Fiona Fortuin
Übelkeit und Kummer
Es gibt drei Arten von Menschen: Die, die nie von Alkohol kotzen; die, die kotzen sobald sie zu viel getrunken haben; und die, die die Toilette immer am Morgen danach umarmen. Wenn du zur letzten Kategorie gehörst, dann kennst du diese Art von Kater. Du liegst auf dem Badezimmerboden und umarmst die Kloschüssel wie eine alte Freundin, die du schon viel zu lange nicht mehr gesehen hast. Du kotzt so lange bis du deinen Magen komplett geleert hast und dann kotzt du noch fröhlich ein bisschen weiter. Du postest Hunderte von Fotos des Events auf Instagram. Spaß beiseite. Du hoffst aufrichtig, dass niemand, absolut niemand, dich je in diesem Zustand sehen muss. Nicht einmal du, Gott! HÖR AUF MICH AUSZUSPIONIEREN, ALLMÄCHTIGE EXISTENZ!
Die kahle Öde
Die endlose, verdorrte Öde, die enorme Leere, das infinite Nichts. Das ist der wahrscheinlich schlimmste Kater von allen. All’ deine Emotionen sind vollkommen zerstört, als hätte jemand den Power-Knopf für deine Gefühle ausgestellt, als hätte das Gift, das du in deinen Körper gepumpt hast, dein Nervensystem kurzgeschlossen. Deine Gefühle sind vorübergehend außer Betrieb, selbst wenn du jemanden auf einem Fahrrad siehst, der einen Korb voller süßer Kaninchenbabys trägt und SELBST wenn du siehst wie das Fahrrad auf den Gleisen der S-Bahn stecken bleibt und die Linie 3 gerade quietschend um die Ecke saust. Für diesen Kater gilt das Gleiche wie für alle anderen: Mach’ nicht zu viel, lass’ den Sturm vorbeiziehen und beruhige dich selbst mit dem Gedanken, dass auch das eines Tages vorübergeht. Eines Tages ist für uns alle die Welt wieder in Ordnung. (Außer für die Kaninchen natürlich.)