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Sex

Wir haben dm gefragt, warum die Drogeriekette jetzt Vibratoren verkauft

Ab Juli können wir beim Zahnpastakauf noch schnell einen Vibrator mitnehmen. Wie Drogeriemärkte mit unseren Orgasmen Geld verdienen wollen.
Collage: Rebecca Rütten

Als Beate Uhse 1962 in Flensburg den ersten Sexshop der Welt eröffnete, war die angenehmste Reaktion noch die, dass der Tennisclub ihre Mitgliedschaft wegen "allgemeiner Bedenken" ablehnte. Über 2.000-mal zeigten besorgte Bürger ihr "Fachgeschäft für Ehehygiene" bei der Polizei an. Hat aber alles nichts gebracht. Heute stören Kondome neben der Supermarktkasse nicht mal mehr unsere Omas.

Auf Dildo-Parties kann man sich Sextoys bestellen, an Automaten auf dem Klo und an der Straßenecke Analplugs und Taschenmuschis to go ziehen. Und jetzt gibt es auch in der Drogerie Vibratoren und Penisringe zwischen Zahnpasta und Fensterreiniger. Ab Juli installiert dm in den 1.850 Filialen in ganz Deutschland Mini-Sexshops. Bedarf scheint es zu geben: 71 Prozent der 25- bis 34-Jährigen verwenden laut einer Studie aus dem vergangenen Jahr Sextoys.

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Nachdem bei bei dm und Rossmann schon länger von Kondomherstellern produzierte Mini-Vibratoren und Playrings im Regal stehen, erhöht dm nun das Tempo im Wettkampf um den Spaßfaktor beim Geschlechtsakt. Der Drogeriemarkt lässt sich neuerdings von Amorelie, dem Berliner Start-up für "Erotik-Lifestyle-Artikel", beliefern. Und so gibt es im Online-Shop der Drogerie in der Abteilung "Gesundheit" jetzt zwei Vibratoren, einen Finger-Vibrator, einen vibrierenden Penisring, Liebeskugeln, zwei Gleitgele (mit und ohne Karamellgeschmack) und einen Toy Cleaner zu kaufen.

Vom Stil der Website könnte Amorelie auch Make-up, Schuhe oder Zahnpasta verkaufen. Kein einziges Geschlechtsteil ist zu sehen, nicht einmal eine nackte Brust. Dem gleichen Prinzip folgen auch Lelo, Vou und der Hersteller Fun Factory. Alles in lila und pink (bzw. Raspberry und Strawberry) gehalten. Die Zielgruppe sind junge Frauen, die für einen Vibrator mit acht Stufen schon mal 70 Euro auf den Tisch legen. "Das Geschäftsmodell Mann hat ausgedient", bestätigt auch eine Sprecherin von Beate Uhse gegenüber dem Handelsblatt.


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"Ein erfülltes Liebesleben ist ein wichtiger Faktor für körperliche und seelische Gesundheit", sagt Sebastian Bayer, dm-Geschäftsführer für Marketing und Beschaffung, zu VICE. 55 Jahre nachdem die Deutschen der Unternehmerin Beate Uhse Syphilis und Filzläuse in den Schritt gewünscht haben, umgarnt die Drogeriekette ihre Kunden nun mit einem umfangreichen Angebot "feinfühliger Freudenspender", wie es im Online-Shop von dm heißt. Vibratoren mit bis zu 30 Vibrationsstufen heißen in der Sprache von dm: "stilvolle, inspirierende Lifestyle-Produkte" aus dem "Bereich Lust und Leidenschaft", eingebettet sind sie in ein "zurückhaltend gestaltetes Produktportfolio".

Der Grund für die Sortiment-Erweiterung, das gibt Bayer zu, sei die Nachfrage der Kunden. 62 Prozent der Deutschen kaufen Dessous und Sextoys, so das Ergebnis einer Umfrage. Vor allem zwischen 18 und 35 Jahren gibt jeder Dritte Geld für Sexspielzeuge aus. Im Durchschnitt, laut einer Recherche des Kreditportals Vexcash, sind es 45 Euro im Monat für Artikel aus dem Erotikbereich.

Dass das Konzept wirtschaftlich aufgeht, beweist Amorelie. Als Lea-Sophie Cramer 2013 Amorelie gründete war ihre Mission "unansehnliche Erotikläden und Produkte mit fragwürdiger Qualität" überflüssig zu machen. Das hat funktioniert. Bei Beate Uhse, der Pionierin der Ehehygiene, sinkt seit Jahren der Umsatz. Im ersten Halbjahr 2016 war er um ein Fünftel geringer als im Vorjahr, das Unternehmen musste Filialen schließen. Und so geht es nicht nur Beate Uhse. Von einst 1.800 Sexshops in Deutschland sind heute gerade einmal 400 übrig. Ihren Platz übernehmen jetzt Drogeriemärkte.

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