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Deutsche Cyber-Gangster erklären in Rapvideos, wie ihr Biz funktioniert

Zwischen HD, CC, und VPN: Willkommen in der Welt der Cybercrime-Battleraps!
Bild: Screenshot Youtube/ KiiNGDeZz

Meine Damen und Herren, so kurz vor dem Wochenende unternehmen wir gerne einen kurzen Exkurs Richtung echter authentischer Cyber-Banger-Musik—denn wie wir kürzlich erfahren durften, sind Internetkriminelle nicht nur mehr oder minder kreativ in der digitalen Ausführung ihrer Deals, sondern drücken sich auch anderweitig produktiv aus. Willkommen in der aufschlussreichen Welt der harten Cybercrime-Raps auf Youtube: „Es geht Boom-Schackalacka, und die Mastercard brennt."

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Geschlossene, aber auch öffentlich einsehbare Boards, auf denen illegale Dienstleistungen wie gestohlene Kreditkartendaten, Waren, Viren, Drogen oder Waffen und tonnenweise Gratis-Beleidigungen gehandelt werden, sind die Austausch- und Operationsbasis der Kriminellen. Die Szene ist auch in Deutschland eine lebendige, treue und relativ geschlossene Community, auch wenn sich die Betreiber von Boards auch durchaus schon mal sang- und klanglos komplett mit eventuell bereits bezahlten Mitgliedergebühren aus dem Staub machen. Das war zuletzt der Fall bei Bus1nezz.biz, einem der größeren und im Umgangston vergleichsweise gesitteten Foren, auf dem die gesamte Palette der der Internetkriminalität gehandelt wurde.

Nach dem Verschwinden des Forums (wir berichteten), bleibt als Requiem an Bus1nezz nur noch ein paar mittelschlechter Battleraps auf Youtube, hochgeladen von einem User, der sich wie der frühere, sehr beliebte Online-Medikamentenhändler und Moderator des Boards, OxyWhite, nennt:

Bus1nezz.biz-Requiem

Wie ein roter Faden zieht sich in diesem Stück die Abneigung gegenüber der Erwerbsarbeit durch die Erzählung („Mach dein' Drecksjob, ich knack den Jackpot (…) Ihr zahlt bei 600 Steuern? Ich krieg 10.000 netto rein").

Zudem werden dem unbedarften Hörer in der Szene wichtige Begriffe wie 31er (bezieht sich auf §31 BtmG, Strafminderung durch Verpfeifen der Kollegen), Filling (eine Form des Kreditkartenbetrugs) und Vic (Opfer des Betrugs) nahegebracht: „Das ist Anti-31er, Wir machen Business und keinen Kleinkram. Ich mache Plus und die Opfer sind danach nur noch panisch. Mache Geld mit Filling, drücke nicht mal einen Knopf". Tatsächlich verlangen Ermittler von deutschen Cyber-Kriminellen nach der Festnahme immer wieder Aussagen und Geständnisse zu ihren Netzwerken und Hintermännern—Händler kommen dem mehr oder weniger umfassend nach.

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Der Begriff des Noob, der im Sprachgebrauch versierter Cyber-Krimineller aber wohl schon fast als Mainstream-Sprech durchgehen könnte, fehlt in dem Disstrack von Bus1nezss ebenfalls nicht: „Mach weiter, Noob, ich schau zu, mach mein' Zug, ich zertrümmer deinen Briefkasten vor lauter Wut, was glaubst du denn bitte, wer du bist? In deinen Augen vielleicht ein Mensch, in meinen Augen bist du nur ein Vic."

Auch in ein weiteres wichtiges Stilmittel der Cybercrime-Kommunikation werden wir eingeführt, das Parallelen zur im HipHop üblichen Überhöhung aufweist: Den Burn des Gegenübers als technisch nicht versierter Trottel: „Wart einmal auf der CeBIT und denkt ihr seid krass".

Keine TANs—Fraudconnection

Im jüngsten dieser Scene-Videos stapelt ein gewisser KiiNGDeZz „Scheine vom Boden bis zum Kleiderschrank" (also noch nicht ganz so hoch) und schiebt die Schuld am Kreditkartenbetrug weit von sich und zurück zum Opfer: „Was kann ich dafür, wenn Leute sich nicht absichern? Keine TANs—geht es denn noch praktischer? Ey yo was Dicker, gibt es etwas auszucashen? Komm zu uns. Denn wir sind die Fraudconnection".

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Etwas Unklarheit scheint es über die korrekte Aussprache des Worts Fraud zu geben—keine Zweifel dagegen lässt der Erzähler an der großen Auswahl seiner Opferkonten, in deren Namen er sich Wertgegenstände beschafft: „Danach wird gecardet, ein TV auf die Karte vom Peter. Könnte auch ne Petra nehmen, doch die brauch ich noch für später". Bonuspunkt auch dafür, dass es tatsächlich ein Video, sogar mit blau blinkenden Cyber-Zahlen, zu dem Track gibt.

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Swissfaking 16 Bars

Selbst zu älteren, längst abgeschalteten und in gewissen Kreisen legendären Foren wie dem Board für Kreditkartenbetrug Swissfaking gibt es ein 16 Bars. Zu einem orientalisch angehauchten Billigbeat wird im Track „Ghettolive" einerseits etwas holprig beschrieben, was das Board für Vorteile bot („guck; hier gibt's alles was du brauchst. von CCM über Shops und Zigaretten, die du rauchst") und im gleichen Handstreich das wichtige, drängendste Problem der handelnden Abzock-Community angesprochen: Wem kann man trauen, wenn jeder jeden betrügen will („Der Rest der Szene bleibt für mich ein Haufen Gays")?

Crimenetwork.biz 16 Bars

Die Ode an das größte deutsche Kleingangsterforum spricht auch für Nicht-Mitglieder Bände über das Innenleben der Foren: „Du brauchst paar Waffen oder harten Scheiß? Komm auf cnw.biz, was darf's denn sein? Drogen, Waffen, Waren oder Dienste, Software, Hilfe, alles inklusive". In dieser Welt reimt sich Swimming Pool auf Skimming Tool (Gerät, mit dem man Bankautomaten manipuliert), und der „Benz unterm Arsch" kommt daher, dass man durch verschiedene Online-Betrugsszenarien bei der Sparkasse so viel Konten unter falschen Namen eröffnen konnte.

War das zu schnell? Für alle, die bei den ganzen Fachbegriffen nicht so schnell mitkommen, gibt es als kleine Serviceleistung einen weiteren Track mit Texteinblendungen, in dem die wichtigsten Termini farblich hervorgehoben sind:

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Bus1nezz.biz vs. CNW

Was manchen Rappern der Battle zwischen ihrer Heimatstadt und irgendeiner anderen deutlich wackeren Stadt ist, das ist den Cyber-Rappern der Diss eines konkurrierenden Boards. So auch in dieser Rap-Perle, die die Regeln des ehrenhaften Ganovenlebens auf dem Board Bus1nezz etwas mehr in der Tiefe beleuchtet und nebenbei mit ein paar guten Schüssen auf die Marktbegleiter aufwartet. Auch unser Protagonist macht „Geld mit Filling, denn die Scheiße ist ja gerade so im Trend—du dagegen hast einen Umsatz von zirka 30 Cent".

Die Regel Nummer eins für die Cyber-Realness lautet dabei: Anonym bleiben. Spricht der Erzähler hier von „VPN von BP, du verstehst schon was ich mein", ist wahrscheinlich ein Virtual Private Network gemeint, das über einen Bulletproof Hoster läuft.

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Regel Nummer zwei: Gesunde Paranoia ist auf jeden Fall beizubehalten („Vertraut nicht zu viel, denn die Ratten warten"), und der Polizei erzählt man gar nichts. Um sich noch ein paar mehr Feinde zu machen, gibt es im Refrain auch gleich einen Seitenhieb gegen den großen Konkurrenten: „Das ist Bus1nezz.biz; CNW ist ein Witz."

CNW Bankdrop #2

Um die folgende Perle zu genießen, sollte sich der geneigte Hörer stilecht ein authentisches Hilfsmittel zulegen, auf das auch viele Cyberkriminelle täglich angewiesen sind: Ein VPN, das die eigene IP-Adresse so verändert, als stünde der eigene Rechner irgendwo außerhalb Deutschlands. Grund: Stress mit der Gema, scheinbar ist da ein Beat geklaut worden—warum auch nicht, wenn man schon über gestohlene Markenware rappt? Der kleine Downloadaufwand lohnt sich aber doppelt, denn wir erfahren in BankDrop #2 in mehreren Track-Teilen nicht nur Interessantes über professionelle Ambitionen des Erzählers in Haus-Maus-Reimen („Das ist ein Spiel/Zeig dein Profil/Rauben mit Stil/Das ist mein Ziel"), sondern auch viel Privates („den Kopf gedopt mit Meds von OxyWhite").

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Es geht um Nerdbrillen, alte Damen, Wurstfinger.

Im zweiten Teil entfaltet sich gar ein Storytellingtalent zu voller Blüte, welches uns ein einmaliges Fenster in die Fraudszene öffnet. Es geht um alte Damen, Wurstfinger, Nerdbrillen und Yuppies, sowie um alltägliche Berufs-Komplikationen, die sich aus der Strafverfolgung ergeben („Alibaba-Drops gebustet, das kommt davon, wenn man so ner Hodenwebsite trustet"). Unser Protagonist (wir gehen selbstverständlich davon aus, dass es sich um ein lyrisches Ich handelt) klaut einem Yuppie „den Ausweis beim Feiern: Ich war gerade pissen und er war gerade reihern". Anschließend verkleidet er sich mit Nerd-Brille und angeklebtem Bart als sein Opfer. Dann eröffnet er dank raffinierter Flirt-Taktiken ein Konto auf dessen Namen bei der Sparkasse, wobei er eine Drop-Adresse angibt, auf die er ab sofort Markenartikel bei Ebay bestellen und nie bezahlen wird.

Im Refrain wechselt gar die Perspektive zu der des Opfers: „Such mal gründlich im Schrank, denn das Konto ist leer. Paypal funkt auch nicht mehr, ist für immer gesperrt. Ebay melden dich alle, die Bullen an der Tür. Anzeigen auf deinen Arsch, blickst nicht durch, was passiert."

Dramaturgisch meisterhaft umgesetzt, wird der Cyber-Gangster im letzten Teil der Trilogie ganz wehmütig, denn es ist nun Zeit für Reflexion. In einem melancholisch-balladesken Rap mit sanfter Synthie-Streicher-Untermalung und Pianogeklimper trauert der gebeutelte Gejagte der Vergangenheit vor der Einführung härterer Finanz-Überwachungsgesetze hinterher („Früher alles einfach—dann kam SEPA.").

Vor allem träumt der Serienbetrüger jedoch von einem neuen Leben in Bolivien oder Brasilien nach Auscashung der Bitcoins, zieht Bilanz („Der Betrug war massiv"), hinterfragt gar die eigenen Motive und berichtet von der quälenden Ambivalenz, die sein Doppelleben („Ich mach an einem Tag zwei Karten und bei Aldi 'n paar Cent") mit sich bringt: „Unter der Woche weiß, war ich Steuerklasse 1, bleibt Freizeit geheim, weil Cybercrime-Lifestyle."

Doch eins hat er in all den Jahren der harten Cybercrime-Schule nicht verlernt: Dankbarkeit für Gutgläubigkeit: „Weil ich dem Boss dank von der Postbank für die Nike-Treter und den Urlaub auf Kreta."