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Das Parfumduo Erase & Replace verwischt DNA-Spuren und macht dich anonym

Wie riecht Paranoia?
​Bild: Thomas Dexter,​transmediale | Mit freundlicher Genehmigung

Wir hinterlassen überall Spuren, die Schlüsse auf unsere Individualität zulassen.

Mit jedem Lippenabdruck am Glas und jedem verloren Haar drücken wir dem öffentlichen Raum unsere eine einzigartige Unterschrift auf, die zur Phänotypisierung und biologischen Überwachung benutzt werden kann. Wir zahlen mit unserem Fingerabdruck, der uns eindeutig identifiziert, während unsere biologischen Daten von Dritten ohne unser Wissen gespeichert und analysiert werden.

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In dieser kontrollfixierten Gegenwart zwischen weiträumigem Tracking, Gang- und Gesichtsanalyse kann man schon mal ein wenig paranoid werden, nicht aus Versehen in das ​Visier von Ermittlern zu geraten. Was ist also zu tun, wenn du dich nicht mit eindeutigem Profil in einer DNA-Datenbank zwischen anderen potentiellen Kriminellen identifiziert sehen möchtest? Die zeitgemäße Antwort lautet:

Radiere deine DNA aus und werde mit dem Gen-Tarnungsset Invisible einfach unsichtbar.

Erase beseitigt 99,5% deiner DNA-Spuren, Replace übertüncht das letzte halbe Prozent mit zufälliger DNA-White Noise.

Erase beseitigt 99,5% deiner DNA-Spuren, Replace übertüncht das letzte halbe Prozent mit zufälliger DNA-White Noise. Alle Bilder: ​Heather Dewey-Hagborg

Die Künstlerin Heather Dewey-Hagborg hat dazu zwei Produkte entwickelt, die die DNA-Spuren seines Trägers komplett verwischen und durch White Noise aus anderen Geninfomationen ersetzen.

Das Parfum Erase löscht 99,5 Prozent deines genetischen Materials von jeder Oberfläche (schlaue Füchse werden messerscharf kombinieren, dass das mit einem herkömmlichen Desinfektionsmittel wie Chlorbleiche auch funktioniert). Der komplementierende Duft Replace überlagert die verbleibenden 0,5 Prozent mit wahllosem Genmüll zur perfekten Tarnung.

Anlässlich des gerade stattgefundenen Festivals für Medienkunst transmediale in Berlin hat die Künstlerin nun die Rezepte für die Flüssigkeiten veröffentlicht, mit denen jeder seine eigene DNA auswerten, löschen und übertünchen kann. In einfachen, kostenlos erhältichen PDF-Guides zur Extraktion der eigenen DNA kann jeder von uns zuhause im Badezimmerlabor mit ein paar kleinen Hilfsmitteln und Schüsselchen die genetischen Informationen seiner Freunde in ein Fläschchen füllen und dann mit sich herumtragen, um sie bei Bedarf unauffällig auf einer Oberfläche zu hinterlassen.

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„Du würdest ja auch nicht deine Krankenakte offen in der U-Bahn liegen lassen", schreibt die Künstlerin auf ihrer Forschungsplattform für genetische Privatsphäre, biogenfutur.es. „Du solltest eine Wahl haben. Du solltest die Kontrolle darüber haben, wie du Informationen mit wem teilst: deine E-mails, deine Telefongespräche und ganz sicher deine Gene. Invisible ist der Schutz gegen neuartige Formen der biologischen Überwachung."

Denn selbst anonyme DNA-Datenbanken haben sich bereits als anfällig für Manipulation und Identifikation herausgestellt. Das Genlabor von Yaniv Ehrlich am MIT enthüllte die Identität der anonymen Spender schnell und eindeutig, indem es deren genetische Daten mit öffentlich verfügbaren Informationen anderer Gendatenbanken abglich.

Aus dem Guide zur Verwischung deiner DNA-Spuren: So erstellst du dir eine genetische Tarnung.

Aus dem Guide zur Verwischung deiner DNA-Spuren: So erstellst du dir eine genetische Tarnung. Bild: ​biononymous.me

Mit dieser Produktlinie hat Dewey-Hagborg vielleicht keinen Douglas-Kassenschlager, aber immerhin einen wichtigen Kommentar zum Ausmaß der behördlichen Überwachung geschaffen—und der beweist, dass Menschen nicht nur gegen die Verletzung ihrer Privatsphäre protestieren, sondern auch zur Ergreifung von Gegenmaßnahmen zum Schutz dieser bereit sind.

Die Invisible-Website schlägt folgerichtig auch einen leicht angespannten Panik-Tonfall an— Dewey-Hagborgs Projekt, so ist dort zu lesen, biete ein „taktisches Set" für die „Verteidigung gegen Gendiebstahl" und ähnliche Kampfrhetorik. „In Zeiten, in denen die DNA von Babies routinemäßig analysiert wird und auch bei Bagatell-Verbrechen DNA-Spuren vom Tatort gesichtert werden, führen diese Praktiken zu einer massenhaften Speicherung der Profile von Menschen, die sich nie eines Verbrechens schuldig gemacht haben", schreibt die Künstlerin, die sich im vergangenen Dezember bereits mit dem Problem von DNA-Analyse von Genom-Spuren im öffentlichen Raum auseinandergesetzt hat:

Im Projekt „Stranger Visions" sammelte sie Haare, Kaugummi und Zigarettenstummel von den Straßen New Yorks, analysierte das daran klebende Genmarial und stellte sich vor, wie die Menschen aussehen, die dahintersteckten. Auf der Basis dieser DNA-Daten entwickelte sie fotorealistische Portrait-Büsten, die sie wie Jagdtrophäen an Wände hing.

Ihre Produkte „Erase & Replace" aus der Invisible-Serie stellt die Künstlerin dagegen ganz provokant ins Regal einer gewöhnlichen Drogerie: „In fünf Jahren erwarte ich, dass genetische Privatsphären-Produkte so allgegenwärtig wie Handdesinfektionsmittel sein werden."