Fische züchten und Salat anbauen – in der Sahara
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Ägypten

Fische züchten und Salat anbauen – in der Sahara

Man könnte meinen, es ist eine Fata Morgana: Mitten in der ägyptischen Wüste grüne Pflanzen und Fische, die sich im Wasser tummeln. Möglich wird das durch Aquaponik, einem nachhaltigeren Anbauverfahren.

Im Westen von Kairo liegt die Satellitenstadt Sheikh Zayed. Inmitten der Wüste wurde sie in den letzten 20 Jahren aus dem Nichts erbaut; mittlerweile ist daraus ein teurer Vorort für wohlhabendere Ägypter geworden, die dem Chaos der Hauptstadt entfliehen wollen. Hier vermutet man wohl am wenigsten einen landwirtschaftlichen Betrieb, geschweige denn eine Fischzucht.

Das sieht Farris Farrag anders. Als ehemaliger Investmentbanker mit einem Abschluss in Wirtschaft hat er die meiste Zeit seines Lebens außerhalb von Ägypten verbracht, in Großbritannien und den USA. 2011, als die Menschen auf die Straße gingen, um den 82-jährigen Präsidenten Hosni Mubarak zu stürzen, ist er in seine Heimat zurückgekehrt. Wie viele damals wollte auch Farris Farrag seinem Land helfen und hat seine Karriere als Banker aufgegeben, um zurück nach Kairo zu gehen.

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Bustan, Farris Farrags Aquaponik-Farm. Alle Fotos vom Autor

„Ich wollte etwas tun, das ich liebe", erinnert er sich. „Und ich liebe nunmal Fisch und alles was mit Pflanzen zu tun hat." Allerdings ist es schwierig, in einem Land, das zu 95 Prozent aus Wüste besteht, diesen Leidenschaften nachzugehen.

Einst nannte man Ägypten auch „die Kornkammer Roms", heute importiert das Land mehr Lebensmittel, als es exportiert und kommt mit der Nahrungsmittelproduktion bei rasant steigender Bevölkerung nur schwer hinterher. Das Hauptproblem sind die fehlenden Anbauflächen und auch die Wasserknappheit. Der Nil allein deckt über 80 Prozent des Wasserbedarfs des Landes, davon gehen 85 Prozent für die Landwirtschaft drauf. Aber der Fluss wird nicht größer und Ägypten kann nicht noch mehr Wasser aus dem Fluss nehmen.

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Farris Farrag im Inneren der Farm

Trotz der drohenden Wasserkrise hat sich Farrag nicht von seinem Traum von nachhaltiger Landwirtschaft abbringen lassen. Im Gegenteil: Er ist entschlossener als zuvor.

„Das Thema Aquaponik hat mich schon in den Staaten gereizt", erzählt er. Bei diesem Verfahren werden Fische und Nutzpflanzen gleichzeitig gezüchtet. Salat und Gemüse werden in einem Substrat herangezogen, das mit dem Wasser geflutet wird, in dem auch die Fische aufgezüchtet werden. Das Wasser der Fische wird mit der Zeit stickstoffhaltiger, was für Wassertiere tödlich ist. Aber es eignet sich perfekt als Närstofflieferant für die Pflanzen. Diese nehmen den Stickstoff über ihre Wurzeln auf, sodass das Wasser dann wieder zurück zu den Fischen gepumpt werden kann.

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Fischbecken mit Nil-Tilapien

Das hat nichts mit den sonst in Ägypten üblichen Anbaumethoden zu tun. Die meisten Betriebe nutzen zur Bewässerung ihrer Felder systematisch die Fluten des Nils. Dabei werden die Anbauflächen unkontrolliert geflutet, wobei durch Abfließen und Verdampfen unglaubliche Wassermengen verloren gehen. Wenn das Wasser dann wieder zurück in den Fluss kommt, ist es meist mit Düngemitteln kontaminiert. Für Farris Farrag war klar: Das wasserarme Ägypten braucht effizientere Bewässerungssysteme. Er wollte den ersten Aquaponik-Betrieb Ägyptens gründen und das auch noch mitten in der Wüste.

„Dafür braucht man kein fruchtbares Kulturland", meint er. „Wenn ich neue Flächen aussuche, dann nehme ich meist einen Flecken Land, den sonst keiner will." Und so entschied er sich für ein Gelände in Sheikh Zayed, direkt neben einem großen Einkaufszentrum. Ein gottverlassenes Stück Land, außer ein paar Olivenbäumen wächst hier nichts. Er baute seine Fischtanks und die Pflanzenbehälter auf und so begann 2012 sein Abenteuer. Bustan, so der Name seines neuen Projekts, heißt auf Arabisch „Obstgarten". Vier Jahre später wachsen hier verschiedene Salatsorten, Gemüse und Schwärme von Nil-Tilapien schwimmen durch die Becken.

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Bustan, Arabisch für Obstgarten, befindet sich inmitten des Nirgendwos, nur umgeben von ein paar Olivenbäumen

„Wir arbeiten mit dem Grundwasser", sagt er und meint damit das riesige Wassernetzwerk, das sich unterirdisch zwischen Ägypten, Libyen, Tschad und dem Sudan erstreckt. Er pumpt so viel Wasser herauf, wie er für die Befüllung seiner Becken braucht und sorgt für einen ständigen Wasserkreislauf. Nur ein bisschen mehr fördert er nach oben, weil bei der Produktion etwas Wasser verloren geht. Dieses Projekt steht ganz unter dem Stern der Nachhaltigkeit. „Bei unserem System wird keinerlei Abfall produziert. Alles was wir brauchen, kaufen wir in Ägypten, nichts wird importiert." Farrag hat viel Geld in High-End-Geräte investiert, um so wenig Wasserlust wie nur möglich und gleichzeitig einen guten Ertrag zu haben.

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Seine Produkte sind beliebt bei den Restaurants in Kairo undNaturkostläden. Aber für ihn ist sein Projekt vor allem Teil der gesamten Entwicklung in Ägypten. „Es gibt einen starken Wissensaustausch", erklärt er. „Wir haben enge Kooperationen mit Hochschulen und Forschungseinrichtungen." Außerdem ist er offen für andere Unternehmer aus Ägypten, die ein ähnliches Geschäft gründen wollen: „Die Technik und die wissenschaftlichen Grundlagen kennen einfach noch nicht genug Leute. Außerdem steckt alles noch ein wenig in den Kinderschuhen." Er will effizientere Bewässerungstechnologien auch für den Mainstream zugänglich machen.

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Allerdings stößt auch er an seine Grenzen. So bewundernswert sein Engagement für die Nachhaltigkeit auch ist, das heißt auch, dass seine Fixkosten höher sind als die der Konkurrenz. Auf den Märkten Kairos bekommt man einen Salat schon für ein ägyptisches Pfund, umgerechnet nicht einmal 10 Cent. Der Salat aus aquaponischer Produktion kostet zwischen fünf und sieben ägyptische Pfund. In Ägypten müssen mehr als die Hälfte der Einwohner mit nicht einmal zwei Euro am Tag auskommenund dementsprechend können die meisten Ägypter sich seine Produkte nicht leisten.Sein Markt ist eher die anspruchsvollere Oberschicht, die Geld ausgeben kann. Die hohen Anfangskosten und die Risiken schrecken außerdem viele davon ab, selbst in solche Systeme zu investieren.

Außerdem ist man die ganze Zeit vom Grundwasser abhängig: „Das Wasser ist kostenlos", meint Farrag, „Es ist nicht verboten, das zu nutzen". Doch dieses Wasser ist ein Überbleibsel aus der Urzeit, sobald es aufgebraucht ist, gibt es nichts mehr, auch keine Wüstenoasen oder Dörfer, die davon abhängig sind. Farris Farrag versucht natürlich, so wenig Wasser wie nur möglich zu verwenden, irgendwann aber wird es aufgebraucht sein. Es gibt also keine Anreize für andere, seinem Beispiel zu folgen.

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Das Projekt beeindruckt zwar, aber es ist nicht die einzige Antwort auf die Wasserprobleme des Landes. Das weiß Farris Farrag. „Zur Zeit ist das nur ein kleiner Bereich", meint er und fügt hinzu: „Aber das ist nicht die ultimative Lösung." Trotzdem ist er überzeugt, dass er einen Beitrag für Ägypten und die Umwelt leistet. „Wenn ich auch ein bisschen verändern kann, ist das ein erster Schritt."