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Die Europäischen Makkabi-Spiele: Gemeinsame Vergangenheit und gemeinsame Zukunft

Zum ersten Mal fanden die Europäischen Makkabi-Spiele in Deutschland statt. Sie sind ein Fest für alle Juden. Basketballtrainer Felix beweist, dass es auch für Nichtjuden ein prägendes Ereignis sein kann.
Foto: imago/Sebastian Wells

„Als Jude gehört man eigentlich in jedem Land zu einer Minderheit, hier sind wir Teil eines großen Ganzen", erzählt Oren Osterer. Er ist Leiter des Organisationskomitees der 14. Makkabi-Games, die gestern in der Berliner Waldbühne ihre Abschlussveranstaltung feierten. Die Makkabi-Games sind eine internationale Sportveranstaltung, wo es ausschließlich jüdischen Sportlern erlaubt ist, an den 19 Wettkämpfen teilzunehmen.

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„Es ist echt etwas besonders, dass man soviele Juden aus anderen Ländern trifft, ich wusste auch nicht, dass es so viele von uns in der Türkei oder Mexiko gibt", erzählt Georg begeistert. Georg spielt Basketball und tritt bei den Junioren für das deutsche Team an. Er selbst bezeichnet sich als deutschen Juden. Zu Hause in Gronau, einem Dorf nahe der niederländischen Grenze, ist er der einzige Jude in seiner Klasse. Genau deswegen findet er die Makkabi-Spiele so besonders und ist stolz, ein Teil der deutschen Mannschaft zu sein.

Sein Trainer Felix, ist einer der wenigen, die keine jüdischen Wurzeln haben.

Coach Felix; erste Reihe 2 von Links

„Ich wurde von den meisten immer ganz schön komisch angesehen als ich denen erzählte, dass weder meine Eltern noch Großeltern jüdisch sind", erzählt Felix. Dennoch hatte er nie das Gefühl nicht willkommen zu sein. „Die fanden das eher noch cool." Einen Einblick in die jüdische Kultur bekam er von seinem Teammanager und seiner Mannschaft. „Ich wurde zum Essen eingeladen, tanzte mit ihnen und konnte als Einziger am Tisch zwar nicht mitsingen, aber ich habe dann eben mitgeklatscht", erzählt der Basketballtrainer. Ohne ein Wort Hebräisch zu verstehen, wurde ihm nach jedem Lied die Bedeutung erklärt. „Ich fand es spannend diese Kultur so intensiv und hautnah kennenzulernen."

Doch obwohl es diese Lockerheit innerhalb der Spiele gab und auch Nichtjuden in den Betreuerstäben und Ärzteteams zu finden waren, fand man vereinzelt immer wieder Kritiker aus der deutschen Bevölkerung, die eine Sportveranstaltung für rein jüdische Athleten nicht wirklich verstanden. „Uns wurde häufig die Frage gestellt, warum wir eine Veranstaltung ausschließlich für jüdische Athleten machen würden, denn das wäre ja auch eine Art von Exklusion", erklärt Organisator Osterer. „Als Antwort darauf habe ich immer auf die eigentlichen Gründe und auf die Entstehung der Makkabi-Bewegung verwiesen."

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Leiter des Organisationskomitees, Oren Osterer

Nach der Ausgrenzung von Juden aus Sportvereinen Mitte des 19. Jahrhunderts bildete sich die Makkabi-Bewegung. Makkabi war rein jüdisch und sollte der feindlichen Stimmung gegenüber der jüdischen Bevölkerung entgegenwirken. Diese Bewegung verbreitete sich weltweit und fand mit der ersten Makkabiade 1932 in Tel Aviv ihre eigenen Spiele. Aufgrund der Shoa—dem nationalsozialistischen Völkermord an den Juden in Europa—wurde die nächste Makkabiade erst wieder im Jahre 1953 veranstaltet. Seitdem findet sie alle vier Jahre in Israel statt und ihr europäisches Pendant, die European Makkabi Games, alle zwei Jahre.

Mit der Eröffnungsfeier vergangene Woche auf dem Berliner Olympiagelände nahmen über 2000 jüdische Athleten aus 36 Nationen an den ersten Spiele dieser Art auf deutschem Boden teil. Der Ort, der dafür gewählt wurde, hätte geschichtsträchtiger nicht sein können. Genau an dieser Stelle wurde jüdischen und nicht arischen Sportlern die Teilnahme an den Olympischen Spielen 1936 von den Nazis versagt. Nun zelebrierten und feierten hier die Sportler den Beginn ihrer Spiele. Im Vorfeld sprach sich Bundeskanzlerin Angela Merkel über die „starke politische und geschichtliche Wichtigkeit dieser Spiele" aus. Für die Sportler ging es aber vor allem darum, ihre jüdische Identität zu leben, ohne sich erklären zu müssen.

Team Israel bei der Eröffnungsfeier

Da die Spiele zum ersten Mal in Deutschland ausgetragen wurden, stand für die Veranstalter neben den sportlichen Wettkämpfen vor allem die Aufarbeitung der deutsch-jüdischen Geschichte im Vordergrund. Am Tag der Eröffnungsfeier besuchten alle Athleten das Konzentrationslager Sachsenhausen. Nicht nur die jüdischen Teilnehmer, sondern auch nichtjüdische Betreuer wie Basketballtrainer Felix nahmen an der Reise zur Gedenkstätte teil.

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„Es wurde von jetzt auf gleich unglaublich ruhig, als wir das Gelände betraten", erzählt Felix sichtlich berührt. Im Vorfeld wurde noch darüber diskutiert, ob den Jugendlichen diese Achterbahnfahrt der Emotionen zuzutrauen sei. Ein 95-jähriger Zeitzeuge erzählte von seinen Erfahrungen im KZ. „Jedes mal durchzog es meinen Körper als von „den Deutschen" oder „Uns Juden" die Rede war", verrät Felix. „Trotz der vielen Jahre, die es her ist, fühlte ich mich beobachtet und ein wenig schuldig."

Vor allem die Fragestunde nach der KZ-Führung wird Felix niemals vergessen. „Es gab eine emotionale Stille, die erst gebrochen wurde, als eine türkische Frau in Tränen ausbrach und den Zeitzeugen fragte, wei er mit solchen Schmerz sein restliches Leben auskommen konnte", erzählt Felix ergriffen. „Ich musste mich so zusammenreißen, nicht auch in Tränen auszubrechen." Diese Stunden, in denen er mit lauter jüdischen Sportlern, die gemeinsame deutsch-jüdische Vergangenheit erlebte, hinterließen bei Felix einen bleibenden Eindruck: „Bei keinem anderen Event, das ich je besucht hatte, spiegelte sich solch eine Gänsehaut, Respekt und Anerkennung in dem Applaus nach der Führung wieder."

Eine Veranstaltung, mit einer solchen geschichtlichen und gesellschaftlichen Relevanz, die das erste Mal auf deutschem Boden stattfinden, sollte Sponsoren mit offenen Armen empfangen können. Dem war nicht so. Die Sponsorensuche in der deutschen Wirtschaft war für die Veranstalter schwerer als gedacht. „Bis April hatten wir bis auf kleinere Partner keinen einzigen Sponsor gefunden", erzählt Veranstalter Oren Osterer. „Als dann aber bekannt wurde, welche Dimension diese Veranstaltung haben würde und welchen politischen Rückhalt wir hatten, hat sich das jedoch glücklicherweise ein wenig gebessert", so Osterer. Der Mangel an Sponsoren schränkte die teilnehmenden Mannschaften extrem ein. Kanadische Teammitglieder mussten 2500 Euro pro Person zahlen, um bei den Spielen überhaupt teilnehmen zu können. Es konnten nicht die besten Sportler nominiert werden, sondern nur die, die es sich wirklich leisten konnten. Auch im deutschen Team beliefen sich die Kosten auf 1300 Euro.

Ein Großteil des Budgets musste neben der Organisation der Veranstaltungen vor allem in die Sicherheitsvorkehrungen der Bustransfers, Athleten und Sportstätten gesteckt werden. Das Hotel für alle Sportler glich einem Hochsicherheitsgefängnis. „Die Anzahl an örtlicher Polizei, Leute von einer privaten Sicherheitsfirma und dann den Security-Leuten vor dem Hotel war beeindruckend", erzählt Felix. „Es ist schon komisch im eigenen Land vor einer potenziellen Gefahr ständig geschützt werden zu müssen." Die Fahrten zu den Sportstätten wurden von einem Polizeiwagen eskortiert. Auf diese Sicherheitsvorkehrungen hätten Organisatoren, Sportler und Freiwillige gern verzichtet.

Dass die Sicherheit an oberster Stelle stand, liegt vor allem am steigenden Antisemitismus und Fremdenhass in ganz Europa. Auch in Deutschland steigen die Übergriffe. Fast 200 antisemitische Straftaten hat alleine die Berliner Polizei Jahr 2014 in Berlin registriert. Auf dem Olympiagelände konnten sich Juden endlich frei und heimisch fühlen. In ganz Deutschland ist das scheinbar noch nicht möglich.

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