Was macht der VfL Bochum eigentlich richtig?
alle Fotos: Lisa Ziegler

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Was macht der VfL Bochum eigentlich richtig?

Der sympathische VfL hat sich als Talentschmiede etabliert. Doch immer wieder gibt man vergleichsweise günstig Hoffnungsträger ab–wie zuletzt Gökhan Gül. Wir haben Bochum-Fans gefragt, ob ihr Verein den richtigen Weg eingeschlagen hat.

Bochum, das ist Ruhrgebiet. Das ist malochen, ist eingeklemmt sein zwischen Schalke und Dortmund, ist grau und dennoch die Blume im Revier sein. Und Bochum ist der VfL. So regelmäßig wie die Schichtwechsel in den Kohlebergwerken pendelte der VfL zwischen 1. und 2. Bundesliga. Wer Bochum-Fan ist, hat einen Hang zum Masochismus und nimmt sich niemals für voll–nicht umsonst ist das Bochumer Maskottchen eine Maus. Wie viele Zweitligisten ereilt den VfL regelmäßig das Schicksal, seine besten Spieler an zahlungsstärkere Klubs abgeben zu müssen. Ilkay Gündogan, Leon Goretzka, Joel Matip oder Lukas Klostermann. Sie alle sammelten ihre ersten Profierfahrungen im blauen Trikot.

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Sportlich sorgt man aktuell nicht häufig für Schlagzeilen, dafür mal wieder mit dem Verkauf des vielversprechenden Eigengewächses Gökhan Gül und dem Beinahe-Wechsel von Sportchef Christian Hochstätter zum Hamburger SV. Wir haben uns mit Bochum-Anhängern getroffen, um ihre Expertenmeinung zu hören: Kann oder will man keine Talente halten? Und überhaupt: Was macht der VfL richtig und was falsch?

Alle Fotos von Lisa Zeigler.

Ricardo, 24, aus Würzburg (nach eigenen Angaben der einzige Bochum-Fan seiner Heimatstadt)

*VICE Sports: Sag mal, was macht Bochum gerade richtig und was falsch?*
Ricardo: Das mit der Jugend läuft momentan leider etwas falsch. Der Verkauf von Gökhan Gül nach Düsseldorf zum Beispiel macht ja sportlich wenig Sinn. Ich verstehe noch nicht ganz, was sich die Verantwortlichen dabei gedacht haben. Ich gebe ihnen aber gerne Zeit, um da eine Lösung zu präsentieren. Das ganze HSV-Getue um unseren Sportchef Christian Hochstätter hat mir jetzt nicht wahnsinnig gut gefallen. Es ist doch klar: Wenn er sich im Kopf mit einem anderen Betrieb auseinandersetzt, weiß ich nicht, ob er seine Arbeit dann noch wirklich gut machen kann. Und um ehrlich zu sein, hat mich die Transferpolitik auch nicht überzeugen können. Wir haben viele gute Leute abgegeben, aber geholt?

Daniel, 31 (hält gerne zu den Underdogs–inzwischen im Stadion, früher auf dem Schulhof)

VICE Sports: Wie siehst du momentan den VfL Bochum?
Daniel: Momentan tatsächlich sehr positiv. Wir hatten gestern Christian Hochstätter und den Scouting-Chef zu Gast bei uns im Fanclub. Ich finde, es gibt eine sehr positive Entwicklung. Durch die Geschichte mit dem HSV gab es vielleicht ein wenig Kritik, aber er hat das gestern wirklich gut erklärt. Jeder Arbeitnehmer, der ein höher dotiertes Angebot von einer anderen Firma vorgelegt bekommt, würde sich das zumindest einmal anhören. Das finde ich auch vollkommen in Ordnung. Die beiden Vereine haben sich nicht einigen können und Hochstätter wollte auf keinen Fall, dass der VfL der Verlierer ist. Deswegen hat er Hamburg abgesagt. Ich finde, damit ist die Sache gegessen.

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Macht er einen guten Job beim VfL?
Seitdem er hier ist, ist eine eigene Philosophie zu erkennen, ähnlich wie es vielleicht in Freiburg oder Mainz der Fall ist. Die setzen ja auch verstärkt auf die Jugend. Und das wird konsequent durchgezogen. Da entsteht momentan etwas und vielleicht hat man so die Chance, längerfristig wieder zu den 20 besten Mannschaften Deutschlands zu gehören.

Aber wird Bochum durch seine Verkaufsphilosophie überhaupt die Möglichkeit haben, oben anzugreifen?
Der VfL Bochum kann niemals ganz oben angreifen. Dazu haben wir überhaupt nicht die Mittel. Die Region wird wirtschaftlich immer schwächer. Außerdem sind wir zwischen Dortmund und Gelsenkirchen eingekesselt. Wir werden immer der Underdog sein, der versucht, sich irgendwie gegen die Großen zu behaupten. Von daher wäre es für den VfL Bochum schon ein sehr großer Erfolg, wenn man mal wieder längere Zeit in der 1. Bundesliga spielen würde.

Eva, 35 (kommt tatsächlich aus Bochum und hat sogar beim VfL gespielt–allerdings nicht Fußball)

VICE Sports: Wie siehst du den VfL Bochum momentan?
Eva: Ganz ehrlich? Ich finde die zweite Bundesliga ist inzwischen die interessantere. Es gibt deutlich mehr Wechsel und Wandel und eine Vielzahl an Traditionsvereinen. Die Klubs liegen wirtschaftlich und auch sportlich viel eher auf Augenhöhe.

Gehört Bochum in die 2. Bundesliga?
Kurz- bis mittelfristig auf jeden Fall. Allein, was die finanziellen Möglichkeiten betrifft. Aber für mich bedeutet das wie gesagt nichts Schlechtes.

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Moment: Ihr habt in der Saison 2004/05 noch die Quali zur Europa League gespielt. Trauert man dem nicht hinterher?
Klar gibt es nach einem guten Saisonstart immer wieder diese Phasen, in denen wir denken, uns einen Blick nach oben erlauben zu können. Das erledigt sich dann allerdings oft relativ schnell. Aber ich bin ja schon zufrieden, wenn der Abstieg aus der 2. Liga niemals ein Thema wird.

Wie siehst du den Bochumer Weg, Talente auszubilden und dann gewinnbringend zu verkaufen?
Das System im deutschen Profifußball läuft nun mal so. Dieses Schicksal teilen wir uns ja mit zahlreichen anderen kleinen Klubs. Den Verein zu wechseln, ist ein natürlicher Weg, deshalb darf man keinem Spieler böse sein, wenn er seine persönliche Karriere im Sinn hat. Selbst wenn er dann im Schalker Trikot ein Tor schießt, freue ich mich. Heimlich.

Passend dazu: Es gibt einfachere Dinge im Leben, als VfL-Bochum-Fan zu sein.

Matthias, 21, aus Bamberg (stolzer Besitzer einer VfL-Dauerkarte, trotz 450 km Entfernung)

VICE Sports: Matthias, warum verliert der VfL so viele Talente an die Konkurrenz?
Matthias: Größtenteils geht es den Spielern natürlich darum, in der Bundesliga zu spielen. Insofern kann ich Jungs wie Leon Goretzka schon verstehen–auch wenn es natürlich sympathischere Vereine als Schalke gibt. Aus Ex-Bochumer Talenten könnte man problemlos eine super Truppe basteln, die in der Bundesliga sicher vorne mitspielen würde. Bei Lukas Klostermann war es schon schade, weil er bei uns nur eine Handvoll Spiele gemacht hat. Aber er ist eben dem Ruf des Geldes nach Leipzig gefolgt. Der Abgang von Gökhan Gül hat mich persönlich jetzt nicht so getroffen. Ich fand ihn nie außergewöhnlich stark. Klar spielt er Junioren-Nationalmannschaft, aber wir haben da mit Maxim Leitsch (18) und Tom Baack (17) schon die nächsten vielversprechenden Innenverteidiger bereitstehen.

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Siehst du darin eine Strategie?
Die Vereinsführung hat sich eben darauf geeinigt, auf das Talent-Werk zu setzen, also Talente an die Profis heranzuführen, um sie dann zu verkaufen. Vom Prinzip her finde ich das super, auch wenn es natürlich immer schade ist, wenn diese Spieler dann früh und für vergleichsweise wenig Geld wechseln. Aber als kleiner Verein ist man nunmal das Sprungbrett.

Bei Simon Terodde war es ja auf gewisse Weise auch so. Den haben wir als abgeschriebenen Stürmer von Union Berlin geholt und wieder richtig nach vorne gebracht. Der verdient in Stuttgart jetzt das Vierfache. Wir Bochumer können da halt leider nicht mithalten. Deshalb wird auch über eine Ausgliederung diskutiert, damit man eventuell Investoren mit an Bord holen kann.

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Was muss passieren, damit Bochum wieder nach oben kommt?
Also den richtigen Trainer haben wir meiner Meinung nach. Verbeek lässt sehr offensiv spielen und hat zu allem eine eigene Meinung, das mag ich. Er geht auch gerne mal auf Konfrontationskurs. Aber mir gefällt, wie Verbeek aus einer Mannschaft, die zum größten Teil aus ausgemusterten Profis besteht, eine Einheit gebildet hat. Klar haben wir diese Saison auch viel Verletzungspech. Die Säulen stehen trotzdem. Eigentlich könnten wir mit dieser Truppe schon weiter oben angreifen.

Punkatom, 41 (heißt nicht wirklich so, wohl aber seine Lieblingsband)

VICE Sports: Wie siehst du den VfL momentan aufgestellt?
Punkatom: Tja, wie unser Trainer Gertjan Verbeek kürzlich schon auf einer Pressekonferenz gesagt hat: Nach der Winterpause Prognosen zu stellen, ist verdammt schwierig. Die Testspiele waren durchwachsen, sehr durchwachsen–und ob sie sich, wenn es drauf ankommt, zusammenreißen können, werden wir später am Abend wissen.

Sind die Fans in Gedanken vielleicht noch in der Bundesliga?
Die hohen Ansprüche sind auf jeden Fall da. Nur ist die Mannschaft denen in den letzten Jahren selten gerecht geworden. Dass wir unsere besten Spieler und zahlreichen Talente immer nach einer guten Saison verkaufen müssen, ist das Leid eines Klubs, der nicht viel Kohle hat. Durch die Umverteilung der Fernsehgelder wird das so schnell auch nicht wieder besser. Dieser Weg wird leider auch in Zukunft unser Weg sein.