„The mob is man voluntarily descending to the nature of the beast."
(Ralph Waldo Emerson, Philosoph und Schriftsteller)
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Verdammt gut gekleidete Schläger
Denn Auseinandersetzungen zwischen verfeindeten Fanlagern spielten sich nicht mehr nur im und ums Stadion ab, sondern überall dort, wo man sich auf „feindliches Territorium" begab (Diskotheken, Pubs usw.), wie Thomas König in „Fankultur: eine soziologische Studie am Beispiel des Fussballfans" beschreibt. Casuals agierten nicht alleine, sondern waren in Gruppierungen, sogenannten „Crews" oder „Firms", organisiert, die ihre Freizeit auch über den Fußball hinaus miteinander verbrachten. Diese Crews bestanden laut König zumeist aus einem harten Kern von rund 150 Mitgliedern und einer Mitläuferschaft von bis zu 500 Personen. Besonders hervorzuheben sind hierbei die „Headhunters" von Chelsea und die „Inter City Firm" von West Ham. Dass beide Crews aus London kommen, ist kein Zufall. Denn vor allem in Ballungszentren mit vielen Vereinen, wie eben London, gab es König zufolge ausgedehnte Rekrutierungsbereiche mit einer besonders ausgeprägten Rivalität untereinander.
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Doch zurück zum Modeaspekt innerhalb der „Casuals"-Subkultur: Einen besonders hohen Stellenwert hatten Turnschuhe, obwohl man wohl besser von „Sneakers" sprechen sollte. Was man nämlich gerade nicht am Fuß haben wollte, waren langweilige 0815-Treter. Besonders beliebt waren Adidas-Modelle (Stichwort: Samba), wobei man stets nach den neuesten und exklusivsten Modellen Ausschau hielt. Der ehemalige Frontman der Indie-Band „The Farm" Peter Hooton—der jahrelang selbst ein Casual war, sich aber stets von den Gewaltexzessen distanziert hat—hat gegenüber der schottischen Tageszeitung Herald Scotland eine nette Anekdote zum Besten gegeben:Man schrieb das Jahr 1981 und Liverpool stand mal wieder im Finale des Europapokals der Landesmeister (das man gegen Real Madrid gewinnen sollte, der dritte Triumph in fünf Jahren). Das Endspiel sollte in Paris unter der Woche stattfinden, doch Tausende Reds-Fans waren schon am Wochenende zuvor aufgebrochen. Auf der Fähre Richtung Frankreich machte dann das Gerücht die Runde, dass es in Paris einen Laden namens „The Adidas Centre" geben solle. Dort würden Modelle verkauft werden, die man nirgendwo sonst auf der ganzen Welt bekommen könnte. Auf der Suche nach dem Heiligen Gummisohlen-Gral zogen Hunderte Liverpool-Hooligans das ganze Wochenende von Sportgeschäft zu Sportgeschäft, ohne jedoch fündig zu werden. „Es war wohl bloß ein Mythos. Ich glaube, dass der Laden niemals existiert hat", so Hooton im Herald-Interview. „Ab Montagmorgen hatten dann alle Pariser Sportgeschäfte entweder dichtgemacht oder Security vor der Tür stehen".
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Neben Adidas wurde auch Stone Island immer wichtiger. Kein Wunder, war die Marke mit dem Kompass-Badge doch bekannt dafür, viel Geld in die Entwicklung von besonders robusten Materialien zu stecken. Und wenn man sich schon als Arbeiterkind einen feinen Zwirn zusammengespart hat, will man keinen, der nach der ersten Prügelei Löcher und offene Nähte hat. Wie beliebt die Marke unter Casuals war, wurde im Spielfilm The Football Factory deutlich.Übrigens sollte es nicht überraschen, dass sich Casuals über Mode definierten. Denn erstens ist das Streben nach „Dandy-tum" ein wiederkehrendes Motiv der britischen Jugendkultur. Was laut Phil Thornton—einem Ex-Casual, der über die Bewegung ein Buch geschrieben hat—auch für die Arbeiterschicht gilt. „Die britische Arbeiterklasse hat sich schon immer für das Thema Mode begeistert und sich so gekleidet, dass sie auffallen. Auch um zu signalisieren: Wir lassen uns nicht unterkriegen." Zweitens ist es absolut typisch für Jugendbewegungen, dass man sich über seine Kleidung vom Rest der Gesellschaft abzuheben versucht.
Wenig beachtet, viel verachtet
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Casuals als Exportschla(e)ger
Passenderweise feierte Aberdeen in den Jahren danach auch in Europa große Erfolge und konnte so seinen Fans besonders viele Auswärtsfahrten—und damit Shoppingtouren in den Modehochburgen des Kontinents—ermöglichen (1983 gewann man unter Trainer Alex Ferguson sogar den Europapokal der Pokalsieger). In der Folge entstanden auch in anderen Teilen Schottlands Casuals-Firms (etwa bei Hibernian und Motherwell). Dank des Öls hatten viele Schotten übrigens besonders tiefe Taschen und konnten beim Sneaker-Einkaufen aus dem Vollen schöpfen.Ende der 80er bewegten sich immer mehr Casuals weg von den Fußballstadien. Ein wichtiger Grund dafür waren zwei verheerende Stadiontragödien: die Heysel- und die Hillsborough-Katastrophe. Im Zuge des Heysel-Dramas—ausgelöst von ausschreitenden Liverpool-Fans—entschied die britische Regierung, knallhart gegen Hooliganismus vorzugehen und erließ eine Reihe von verschärften Gesetzen, die mit jahrelangen Gefängnisstrafen drohten. Außerdem wurde beschlossen, Stehplätze in den Stadien abzuschaffen. Die Casuals hatten ihr natürliches Habitat verloren.Da passte es perfekt, dass Anfang der 90er-Jahre elektronische Musik so richtig durchstartete—und mit ihr auch die neue Designerdroge Ecstasy. Immer mehr Casuals zog es in die Clubs—und das auch als Protagonisten. Denn wenn man nach einem Vermächtnis der „Casuals"-Subkultur sucht, dann nicht nur in den Fußballstadien der Insel. Erfolgreiche Bands wie Happy Mondays—die sich komplett aus Ex-Casuals zusammensetzte—brachten den typischen Casual-Look von den Stehplätzen in die Clubszene. Den Casual-Einfluss auf die Mode in der Musikszene kann man übrigens auch bei Mike Skinner sehen.Genau das sollte auch das Schlusswort sein. Natürlich sind die ursprünglichen Casuals-Haudegen längst in die Jahre gekommen und haben mit Stadiongewalt fast nichts mehr am Hut. Doch auch ohne die „echten" Casuals lebt die Subkultur in den modischen Entscheidungen vieler junger britischer Hooligans und Diskogänger fort—ob das nun der Modebranche passt oder nicht.