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David gegen Goliath

Wie der Provinzklub SV Wilhemshaven die FIFA schlug

Weil der SVW keine Ausbildungsentschädigung zahlen wollte, ordnete die Fifa den Zwangsabstieg an. Der Bezirksligist wehrte sich und bekam vor dem Bundesgerichtshof recht. Das ändert einiges.

Kennt ihr Sergio Sagarzazu? Wir bis vor kurzem auch nicht, doch der Argentinier könnte bald jedem Fußball-Fan ein Begriff sein. Sagarzazu heuerte 2007 beim damaligen Regionalligisten SV Wilhemshaven an. Dieser Transfer handelte dem niedersächsische Provinzklub soviel Ärger ein, dass er 2012 auf Druck des Fußball-Weltverbands Fifa zwangsabsteigen musste. Nach jahrelangem Rechtsstreit konnte der SVW nun die Fifa vor dem Bundesgerichtshof (BGH) schlagen, der den Zwangsabstieg für unwirksam erklärte. Der Verein spricht selbst vom Sieg von David über Goliath—und das Urteil könnte Folgen für einige Verbände haben.

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Gewonnen— SV Wilhelmshaven (@SVWhv)20. September 2016

Alles begann mit Sergio Sagarzazu. Der Zwangsabstieg war damals vollstreckt worden, weil der SVW sich geweigert hatte, für seinen früheren Spieler Sergio Sagarzazu eine nach den Fifa-Regularien fällige Ausbildungsentschädigung zu zahlen. Laut derer haben bei einem Transfer eines Spielers unter 23 Jahren dessen Jugendvereine das Anrecht auf eine Entschädigung. Diese soll Vereine für ihre gute Jugendarbeit belohnen. Bei Sagarzazu handelte es sich um die beiden argentinischen Klubs Atlético River Plate und Atlético Excursionistas, die 157.500 Euro für die Ausbildung ihres ehemaligen Jugendspielers wollten. Der SVW wollte die aber nicht zahlen. Die Fifa ordnete 2012 den Zwangsabstieg an, obwohl der SVW kein Mitglied des Weltverbandes oder des DFB ist. Ein von 2011 geleaktes Fifa-Papier soll sogar zeigen, dass der Weltverband erwog, den DFB von der WM auszuschließen, wenn er den SVW nicht absteigen lässt. Die Verbände hielten diesem Druck nicht stand. Der Norddeutschen Fußball-Verband (NFV) vollstreckte den Zwangsabstieg und der SVW spielt mittlerweile im Nirgendwo der Bezirksliga.

Doch der Wilhelmshaven ging den Weg durch die Instanzen, um das Urteil anzufechten. Der Klub scheiterte vor dem Internationalen Sportgerichtshof „Cas" sowie vor den Verbandsgerichten und dem Landgericht Bremen. Das Oberlandesgericht erklärte den Zwangsabstieg dann für unwirksam—genau wie nun auch der Bundesgerichtshof. Der Grund: Laut BGH habe die Satzung des Norddeutschen Fußball-Verbands, der den Abstieg vollstreckt hatte, keine ausreichende Grundlage dafür geboten. Im Kern ging es um die Frage, ob der Verein den Abstieg hinnehmen musste, obwohl er kein Mitglied der Fifa war und somit nicht deren Regeln unterliegt. Allein die Satzung des NFV sei maßgeblich, aber nach Ansicht des BGH fehlen in der NFV-Satzung eindeutige Regelungen zu Disziplinarstrafen im Falle einer Verweigerung von Ausbildungsentschädigung. Fifa-Recht gilt also nicht für das NFV-Mitglied SVW .

Sergio Sagarzazu war wohl nur der erste Stein im Fußball-Domino: Das Urteil könnte nun einige Verbände zwingen, ihre Satzungen zu verändern. Der Bezirksligaverein will derweil für die Wiedereingliederung in die Regionalliga kämpfen und fordert eine Entschädigung für den finanziellen Schaden.