Dieser Instagram-Account stickt deine Mutter und die deutsche Rapszene noch dazu
Screenshot von Instagram/ichstickedeinemutter

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Interview

Dieser Instagram-Account stickt deine Mutter und die deutsche Rapszene noch dazu

Meistens will Deutschrap nicht süß und feminin sein. Die Deutschrap-Stickereien von ichstickedeinemutter beweisen jedoch, dass das durchaus großartig sein kann. Ein Gespräch mit Deutschraps erster Mutterstickerin.

Schon seit längerer Zeit kann man bei unserer Generation einen gewissen Trend hin zu Rentner-Stuff erkennen: Exzessives Essen von roter Beete, Guerilla-Häkeln an örtlichen Baumstämmen und Straßenlaternen und selbst die Haare werden grau gefärbt. Wo es doch allgemein heißt, man solle sich selbst als Erwachsener im Inneren ein Kind bewahren, haben wir in unserem Inneren einen kleinen alten Mann oder alte Frau, die nur darauf warten, Kippe qualmend im Jogginganzug morgens um acht Uhr die Leute in der Straßenbahn anzumotzen.

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Bis es soweit ist, hat der Instagram-Account ichstickedeinemutter einen Weg gefunden, das Beste aus beiden Welten—Jugend und Rentenalter—zu vereinen und fertigt wunderbare Stickereien mit Deutschrapmotiven und Punchlines an. Wie sollte man das nicht lieben? Wir haben also unsere Lesebrille aufgesetzt und ausschließlich die Zeigefinger in Zeitlupe benutzend eine Email an die Schöpferin aufgesetzt, um mehr über sie und ihr Werk zu erfahren. Also dieses Internet ist schon was Tolles!

Noisey: Wie lange stickst du schon und wie kam es dazu? 
Ichstickedeinemutter: Ich sticke etwa seit Sommer. Tatsächlich bin ich über Instagram (#contemporaryembroidery) inspiriert worden. Irgendwann hab ich am Hermannplatz bei Karstadt (nicht davor) spontan Stoff gekauft (pun intended) und losgelegt. Aber Blumen oder Sinnsprüche sticken, war mir zu langweilig.

Also lieber Punchlines. Wie intensiv hörst du Deutschrap?
Ich liebe Deutschrap in seinen vielen Facetten. Ich höre es nicht ausschließlich, aber ziemlich intensiv—vor allem, weil ich für meinen „richtigen" Beruf zwei Stunden pendeln muss.

Wie bist du auf die Idee gekommen, Beides zu verbinden?
Es fing als Witz mit meinen Brüdern an. Mein einer Bruder und ich sind große SSIO-Fans und da wir beide mit Riesenzinken gesegnet sind, war „Halb Mensch Halb Nase" mein erstes Projekt. Danach hat es sich verselbstständigt. Mir gefällt der Kontrast zwischen Sticken—also traditionell süß und feminin—und Deutschrap, der ja meistens genau das nicht sein will.

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Bestickst du auch andere Sachen? Kleidungsstücke zum Beispiel?
Noch nicht. Aber die Fotografin, die für die meisten meiner Bilder verantwortlich ist (s/o Tabea Mathern!) liegt mir seit längerem in den Ohren, dass ich ihr mal was besticken soll—Caps oder Jeansjacken zum Beispiel.

Wie entscheidest du, welche Line oder welchen Track du verwendest?
Meine Lieblingsrapper und die meines Freundeskreises sind natürlich überrepräsentiert. Aus der verballhornten Bushido-Line, „Sieh mir zu, wie ich die Szene sticke", von „POV" ist aber auch ein Anspruch geworden. Also versuche ich, viele verschiedene Stilrichtungen und Strömungen abzubilden—natürlich ohne Anspruch auf Vollständigkeit und rein subjektiv.

Dann muss es sich auch vom Format her eignen. Haftbefehl hat viele Textpassagen mit Wiedererkennungswert, genauso wie Money Boy, Fruchtmax oder Hugo Nameless. Kollegah zum Beispiel ist schwieriger: Sein Wortwitz kommt in Schriftform oft nicht rüber. Meine Lieblingstexte von Maeckes oder Dendemann sind oft zu lang und verschachtelt, um ihnen mit einer kurzen Stickerei gerecht zu werden, aber ich komme auch bei denen noch auf den Geistesblitz.

Meist ist erst die Idee für eine bestimmte Line da, die mir im Kopf rumschwirrt. Dann muss die Idee zur Visualisierung dazu kommen. Manchmal bleibe ich einfach im Thema oder orientiere mich z. B. am Artwork oder dem dazugehörigen Musikvideo wie z. B. bei Sadi Gent oder Yung Hurn.

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Was machst du mit deinen kleinen Kunstwerken? Sind sie käuflich?
Es geht um Musik und nicht um Profit. Die meisten Stücke sind Sonderanfertigungen, bei denen ich schon jemanden im Hinterkopf hatte, dem ich das Stück schenke. Auf manche hatte ich aber auch einfach so Bock und die sind zu erwerben. Aufträge sind gerade zeitlich für mich eher schwierig zu integrieren. Mir macht es mehr Spaß, selbst Musik zu hören und eigene Ideen zu entwickeln, als mich nach den Vorstellungen von anderen zu richten. So sehr bin ich dann doch nicht auf der Jagd nach dem Para.

Sind schon Rapper auf dich aufmerksam geworden? Wie waren die Reaktionen?
Ein paar Likes habe ich schon erhalten, von Audio88 & Yassin, Fatoni, Ufo361, Hugo Nameless. Das ist natürlich eine coole Bestätigung. Pünktlich zu Silvester hat Juju von SXTN auch die Stickerei mit ihrer Neukölln-Line vom Track mit Said geteilt.

Weihnachten und Silvester hattest du mit eingebunden in deine jüngsten Arbeiten. Welche aktuellen Bezüge könntest du dir noch vorstellen?
Ich hab vieles vor und wenig Zeit! Ich hätte mehrmals schon gerne was passend zu verschiedenen Album Releases gestickt. Eine weitere Überlegung von mir sind Serien zu bestimmten Themen, die im Deutschrap immer wieder vorkommen. Auch zur Splash-Zeit gibt es sonst sicher genug Anlässe.

Ihr könnt ichstickedeinemutter hier auf Instagram folgen! Schöne neue Welt! 

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