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Darm hirn verbindung

Geht Liebe wirklich durch den Magen?

Manchmal hat man einfach so viele Schmetterlinge im Bauch, dass man kotzen muss. Oder sie verstopfen den Darm. Liebe und Verdauung sind eben nicht nur sprachlich eng miteinander verbunden.
Foto von unclefuz via Flickr

Bevor ich 30 war und eine Scheidung durchgemacht hatte, war mir nie ganz klar, warum Liebe und Essen, die Gelüste des Körpers und die des Tisches, eigentlich so eng miteinander verbunden sind. Solche Gedanken hab ich den Epikureern aus Das große Fressen überlassen. Oder Fans des nyotaimori, bei dem Sushi von einer nackten Frau gegessen wird. Oder Foodies, die sich danke ihrer geteilten Liebe zu Tofu oder Avocadotoast ineinander verlieben.

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Ich wusste nur, dass die leidenschaftlichen, überschwänglichen und manchmal schwankenden Emotionen, die ich für ein anderes menschliches Wesen hegte, Auswirkungen auf meinen Verdauungstrakt hatten.

Rückblickend ist der Zusammenhang zwischen Essen und Liebe gar nicht mal so doof. Ich bin sogar zu dem Schluss gekommen, dass der Schlüssel zu ewiger Liebe und glückseliger Zweisamkeit irgendwo in unserer Magengegend versteckt liegt, inmitten unserer Eingeweide, irgendwo auf dem sieben Meter langen Weg durch unseren Darm. Und wenn es irgendwann in der Beziehung nicht so läuft und irgendwo zwischen Mund und Anus was verquer liegt, dann muss man seinem Verdauungstrakt mal trauen. Das zeigt dir nur, dass es mit dieser Person einfach nicht klappt. Doch gibt es einen wissenschaftlichen Zusammenhang zwischen der Liebe und dem Magen? Noch ist diese Theorie nicht bestätigt und noch hat sich kein semi-seriöser TV-Arzt dran versucht. Allerdings gibt es viele Anzeichen dafür, dass Liebe sehr wohl durch den Magen geht und eine gesunde Beziehung sich über Essen, Verdauung und Ausscheidungen zeigt.

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Wir alle kennen das: unerträgliche Kaugeräusche, Essensreste zwischen den Zähnen und Mundgeruch—da gibt's kein nächstes Date. Aber bei dem einem Kerl ertragen wir die Furzfanfare, die noch beim vorherigen Typen zum Wegrennen war. Und wenn man sich bei jemandem so wohl fühlt, dass man beim ersten Urlaub nicht sofort einen Darmverschluss erleidet, ist das ein ziemlich gutes Zeichen. Haben Datingportale für Food-Pedanten so viel Erfolg, weil der Seelenverwandte den gleichen Geschmack haben muss? Hat jemand, der auf gesundes Essen achtet, überhaupt eine Chance, mit einem Gute-Nacht-Döner-Fan zusammenzukommen? Da muss der Sex schon echt gut sein. Hätte mein Ex-Mann fünfeinhalb Jahre lang nicht jede Mahlzeit, die ich ihm gekocht habe, mit Ketchup gewürzt, ja fast massakriert, dann hätten wir vielleicht ein zweites Kind bekommen.

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Photo via flickr user : deliciousblur.

Foto von deliciousblur via Flickr.

Schmetterlinge im Bauch

Erst kürzlich veröffentlichte Wissenschaftlerin Giulia Enders ihr Buch Darm mit Charme, eine dedizierte, urkomische und zugleich tiefernste Untersuchung eines unterschätzten Organs, das Ursache für viele psychosomatische Erkrankungen und—vor allem in einer Beziehung—Tabus ist: der Darm. Die Autorin sagt, und stützt sich dabei auf wissenschaftliche Erkenntnisse, dass man seine Gedärme auch mal verwöhnen muss, regelmäßig zur Darmspülung gehen und sich probiotisch ernähren sollte, wie Hollywoodstars. Wie Hellseher die Zukunft im Kaffeesatz oder in Teeblättern lesen können, kann man die Vorgänge in Körper und Seele viel besser verstehen, wenn man lernt, das Aussehen der eigenen Häufchen zu analysieren, sagt Giulia. Unsere Eingeweide sind wie ein zweites Gehirn. Da das Verdauungssystem in direkter Verbindung mit unserem Kopf steht, beeinflusst es auch unsere Stimmung und unser Verhalten. Diese wissenschaftlich bewiesene Tatsache erklärt, warum wir auch mal auf unser Bauchgefühl hören müssen, wenn wir jemanden—auch online—kennenlernen. Schmetterlinge im Bauch ist kein Ausdruck, den man sich nur in Datingportalen ums Maul schmiert. Die sind wirklich da und ein Zeichen unseres Körpers, dass die Liebe gerade vor der Tür steht.

Nichts ist antörnender, als wenn deine bessere Hälfte köstliche Gerichte zaubert, die deine Sinne überraschen. Das ist das beste Zeichen dafür, dass eure Beziehung halten kann.

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„Indem Adrenalin ausgeschüttet wird, strömt das Blut zum Magen und in die Muskeln. In den ersten leidenschaftlich-erotischen Momenten einer Beziehung fühlt der Körper das Gleiche wie unter Kokain. Man schwebt förmlich, hat Schmetterlinge im Bauch. Wir werden überschüttet mit Hormomen wie Dopamin oder Serotonin und auf einmal haben wir keinen Appetit mehr", erklärt Yvon Dallaire, Psychotherapeut und Sexologe. Eine Freundin von mir, Marine, hat mir erzählt, dass sie in der ersten Nacht mit ihrem Freund so erregt und gleichzeitig gestresst war, dass die Armada von Schmetterlingen in ihrem Bauch der Leidenschaft ein jähes Ende bereitet hat. „Ich bin an diesem Abend immer wieder zum Kotzen aufs Klo gerannt, so verliebt war ich. Das war eine komische Mischung zwischen Anziehung und ängstlicher Abneigung und ein Zeichen, dass es ernst war."

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Frauen wollen ihrem Gegenüber beim ersten Date gefallen und oft essen sie dann nur kleine Happen—vielleicht um der Vorstellung zu entsprechen, dass eine Frau wie ein Spatz essen sollte, obwohl Umfragen gezeigt haben, dass Männer Frauen sexy finden, die ordentlich zulangen. „In der ersten Woche hab ich drei Kilo abgenommen, das war beunruhigend. Ich habe nicht mehr geschlafen, hatte tiefschwarze Augenringe und gleichzeitig ein glückseliges Lächeln auf den Lippen. Die Leute hielten mich für Christiane F., obwohl ich eigentlich superglücklich war, nur mein Magen rebellierte. Um zu überleben, hab ich mich von Smoothies ernährt. Sobald ich eine Nachricht von ihm bekam, musste ich mich übergeben. Nach den leidenschaftlichen Anfängen unserer Beziehung habe ich mit meinem Freund mehr gemeinsam gegessen und in nur einem Monat wieder zugenommen", erzählt mir Nathalie, eine weitere Freundin.

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Photo via flickr user : exalthim.

Foto von exalthim via Flickr.

Gemeinsam dick werden, alleine kacken gehen

Nichts ist antörnender, als wenn deine bessere Hälfte köstliche Gerichte zaubert, die deine Sinne überraschen. Das ist das beste Zeichen dafür, dass eure Beziehung halten kann. Oder wenn ihr auf das gleiche Essen steht. Oder wenn ihr eure kulinarischen Gelüste und Eigenheiten gegenseitig akzeptiert und sie gar niedlich findet. Denn davon gibt es viele: einige essen nur Glutenfreies, andere sind allergisch auf bestimmte Zusatzstoffe, wiederum andere sind beim Mindesthaltbarkeitsdatum neurotisch, haben ein unbestimmtes Verlangen nach Algenblättern oder essen zum Abendbrot gerne Cornflakes …

Mit meinem Freund ist es so: Trotz aller Meinungsverschiedenheiten—die akzeptieren wir, sonst würden wir uns jeden zweiten Tag zoffen oder gar unser Zusammenleben infrage stellen müssen—gibt es zwei Bereiche, bei denen wir sofort einer Meinung sind: Sex, klar, aber auch—zu meiner Überraschung—Essen. Er ist ein außergewöhnlicher Koch und steht gern am Herd. Für ihn ist Kochen ein Liebesbeweis. Essen ist das Salz in der Suppe der Liebe, wenn man nicht die ganze Zeit vögeln will.

Das Problem: Dabei wird man schnell dick. Zugegebenermaßen, die alte Geschichte, dass man in der Liebe zunimmt, ist rätselhaft. Das liegt vor allem am Abfall des Dopaminspiegels nach den leidenschaftlichen Anfängen. Wenn Verliebtsein einem Kokainrausch gleichkommt, was passiert, wenn man die ganze Zeit auf Wolke 7 schwebt? Dann landet man wahrscheinlich noch unter 50 im Grab. Single zu bleiben, ist aber auch nicht die Lösung, denn Studien zeigen, dass Pärchen länger und glücklicher leben.

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Wegen meiner letzten Freundin ist mein Bauch förmlich geplatzt. Da das Klo aber direkt neben dem Schlafzimmer war, mit papierdünnen Wänden, hab ich mich nicht getraut, kacken zu gehen.

Doch warum rennen wir in einer Beziehung in einen hoffnungslosen Teufelskreis aus Liebe, Oxytocin und Eintöpfen? Wenn man mit jemandem zusammenlebt, dann isst man vor dem Fernseher, verbringt seine Freizeit auf der Couch, geht oft ins Restaurant, trinkt Wein, isst kalorienreich … Frauen sind dabei die großen Verliererinnen, denn sie essen auf einmal die gleiche Portion wie Männer, die im Durchschnitt 500 Kalorien mehr benötigen als Frauen. 2013 gaben in einer britischen Studie 60 Prozent aller befragten Pärchen an, dass sie in ihrer Beziehung zugenommen hatten. Im Durchschnitt betrug die Gewichtszunahme bei glücklichen und stabilen Beziehungen sechs Kilo. Eine andere Studie aus Deutschland hat gezeigt, dass Vergebene durchschnittlich zwei Kilo schwerer waren als Singles.

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Foto von rocketboom via Flickr.

Ein anderes Extrem der gemeinsamen Liebe zum Essen als Zeichen einer glücklichen Beziehung entsteht, wenn die grundlegende Erotik beim Sex (Vorspiel, Reiterstellung, Missionarsstellung, Doggystyle, Orgasmus, Nickerchen) von der Lust ersetzt wird, seinem Partner beim Fressen zuzusehen. Dieser Sexfetisch heißt Feederism. Patty Sanchez ist dabei nur knapp dem Tod entkommen: Anfangs Größe 36, dann 321 kg—das fand ihr Kerl unglaublich geil. Er genoss es regelrecht, wie sie sich täglich 13.000 Kalorien reinstopfte und stand dann drauf, wenn Patty ihn mit ihrem Gewicht erdrückte.

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Doch nach jedem Fressgelage stellt sich auch die leidige Frage nach der Darmentleerung.

Am Anfang einer Beziehung ist es normal, dass man nicht kacken kann, wenn der andere da ist, auch wenn er oder sie am anderen Ende der Wohnung ist. Alice, eine weitere Freundin, hatte aber mal eine Geschichte mit einem ganz anderen Typen laufen: „Nach drei Dates furzte er nur herum. Ich dachte mir, da geht eh nix, und vergaß ihn. „Wir alle wissen, wie wir andere am besten glauben lassen, wir seien Roboterwesen, die—wie es der Hygienewahn unserer Gesellschaft erfordert—nie zum Scheißen aufs Klo gehen. Man tut so, als ob man schnell was besorgen müsste, geht aber kurz runter in die Eckkneipe, um sich zu erleichtern. Man dreht die Musik auf, man stopft genug Klopapier ins Klo, um das verräterische Plumpsgeräusch zu unterdrücken, man betätigt die ganze Zeit die Spülung, um Geräusche zu übertönen, man stellt sich mitten in der Nacht den Wecker, um in Ruhe kacken gehen zu können… „Über viele Themen spricht man in einer frischen Beziehung oft nicht: Treue, Geld und Verdauung", stellt Yvon Dallaire fest. „Aber wenn man sich liebt, dann muss man auch mal spontan und locker sein können."

„Wegen meiner letzten Freundin ist mein Bauch förmlich geplatzt: Ich hab sie nur am Wochenende gesehen und wir haben die meiste Zeit im Bett verbracht und uns unserer Leidenschaft hingegeben. Da das Klo aber direkt neben dem Schlafzimmer war, mit papierdünnen Wänden, hab ich mich nicht getraut, kacken zu gehen. Ich hatte Verstopfung. Unter Woche hatte ich auf der Arbeit Magenkrämpfe, immerhin steckten 600 Gramm Scheiße in mir fest. Ich habe sie dafür gehasst, auch wenn es nicht ihre Schuld war. Ich fand sie echt toll und wollte sie nicht anwidern. In unserer Zeit, wo man sich mehr und mehr online kennenlernt, vergisst man schnell, dass wir alle Menschen aus Fleisch und Blut sind und dass man, wie jeder, auch mal kacken gehen muss", erzählt Sébastien.

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Foto von meliah via Flickr.

Von der anfänglichen Leidenschaft zurück in die anale Phase

Pinkeln geht eigentlich meistens, weil man es nicht hört und nicht riecht. Das große Geschäft aber, eine der Grundfunktionen unseres Körpers, bleibt ein hartnäckiges Tabuthema in unserer Gesellschaft: „Wir fürchten uns, unsere intimsten Darmgeheimnisse preiszugeben, wenn wir uns dem Drang hingeben, uns zu entleeren. Das erklärt möglicherweise, warum wir uns diesem Bedürfnis so sehr widersetzen, was sich meist durch Beklemmung und Rückzug äußert. In den sogenannten zivilisierten Ländern ist das große Geschäft zusammen mit Sex die einzige menschliche Körpertätigkeit geworden, über die aufgrund gesellschaftlicher Einschränkungen nicht gesprochen wird. Es ist wie eine Straftat, ein Verbrechen. Unfein und anrüchig. Es entspricht nicht den guten Manieren oder dem Anstand. […] Scheißen ist die Wurzel aller Schuldgefühle und folglich auch etwas, wofür man sich entschuldigt", schreibt Bob O'Neill in seinem Buch Variations Scatalogiques. Frédéric Saldmann, Arzt und Autor von Le Grand Ménage, hat herausgefunden, dass 30 Prozent aller Franzosen unter Verstopfung leiden, weil sie ihren Stuhlgang unterdrücken und sagt, dass es schlecht ist, sich diesem natürlichen Drang zu widersetzen: „Es ist wichtig, regelmäßig seinen Darm und seine Blase zu entleeren, damit die Schleimhäute nicht ständig in Kontakt mit Urin oder Kot sind. Wenn man das unterdrückt, ist man die ganze Zeit nur gestresst. Und Stress ist auch ein Risikofaktor für Herzkreislauferkrankungen."

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Ich versuche, meinen Furz an meinem Slip vorbeizulenken. Wenn ich mich unbemerkt etwas verrenke, bekommt das keiner mit.

Unterhält man sich mit dem Partner das erste Mal übers Kacken, ist das der symbolische Beginn einer dauerhaften Liebe und der Beweis dafür, dass Liebe und die dazugehörigen intimen Momente, die uns mehr oder weniger peinlich sind, doch eigentlich ganz normal sind. Der Darm eures Schwarms ist dann nichts Erschreckendes mehr und je mehr ihr das akzeptiert, desto mehr wollt ihr das auch von eurem Partner: „Mein Freund gestand mir seine Liebe über seine Scheiße, was mich irritiert, aber irgendwie auch berührt hat: ,Ich liebe dich so sehr, ich könnte deine Kackehäufchen trocknen und essen"', erzählt Virgine. Doch Yvon Dallaire warnt davor, sich zu sehr gehen zu lassen: „Dabei können gegenseitiger Respekt und Bewunderung verlorengehen." Gleichzeitig sagt er aber auch, dass ein Furz „nach Leben und Liebe duftet".

„Für mich war es trotzdem total komisch, als ich das erste Mal meine Ex furzen hörte", erinnert sich Franck. „Sie ließ sich gerade ein Bad ein, ließ einen fahren und ihr Furz machte einen Höllenlärm—ich hab mich total erschrocken, ich dachte, sie wäre umgefallen. Dann erinnerte ich mich, dass mich meine Kumpels gewarnt hatten: ,Ach, Delphine also, die kleine Furzkönigin…' Und doch war das meine intensivste Beziehung."

Für andere ist es aber eine Frage der Ehre, ihre Gase zu unterdrücken und Teil ihrer Angst, verlassen zu werden: Sie sterben lieber als unangenehme Gerüche zu verbreiten. Katia ist so zu einer wahren Furzkünstlerin mutiert. Und sie pupst viel, denn sie liebt Junkfood: „Ich versuche, meinen Furz an meinem Slip vorbeizulenken. Wenn ich mich unbemerkt etwas verrenke, bekommt das keiner mit." Das bringt mich zu einer weiteren Theorie: Wenn man einen fahren lässt, heißt das, dass man richtig verliebt ist oder im Gegenteil, dass einem alles so scheißegal ist und man eine Art umgekehrte Verführung betreibt, also den anderen Stück für Stück anekelt, vielleicht sogar unbewusst?

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Foto von littlelovemonster via Flickr.

Kotzen, fressen, kotzen—auch nach der Beziehung

„Das leise Gluggern im Bauch, Verdauungsgeräusche, oder einfach mal zu sagen: ,Schatz, ich muss mal kacken.'—all das kann niedlich sein. Man macht zusammen Witze darüber. Aber wenn man gerade vor Lust explodiert, dann wird das schnell ziemlich unerträglich und unpassend und einfach nur schrecklich", erzählt Marine. „Als Julien und ich uns getrennt haben, hat er mir vorgeworfen, ich sei zu locker, weil ich bei offener Tür auf Klo saß oder kacken ging, während er die Zähne putzte. Für ihn war das einfach nur widerwärtig, während es für mich der ultimative Ausdruck unserer Liebe war, solche Momente zu teilen", berichtet Alice.

Und auch der Trennungsschmerz legt sich auf den Darm.

Ich erinnere mich noch genau, wie ich erkannte, dass ich meinen Ex-Mann nicht mehr liebte. Zu den unleugbaren Zeichen gehört seine Art zu kauen, wie ein Tier. Auf einmal konnte ich alles ganz genau hören—ein bisschen wie bei Jeff Goldblum in Die Fliege, bei dem sich alle Sinne veränderten und der sich langsam in eine Fliege verwandelte. Irgendwann bedauerte ich sogar die armen Lebensmittel, die er geräuschvoll zermalmte und die durch seinen tiefen Schlund in seinen ekelhaften Magen hinabrutschten und dann zu Durchfall wurden—denn er ging nur einmal am Tag aufs Klo, morgens, und hatte immer Spritzpups. Kurz nachdem sich diese akustische Phobie entwickelt hatte, haben wir uns getrennt. Vielleicht entdeckt man eines Tages einen Zusammenhang zwischen der Verbundenheit im Geiste und der Verbundenheit im Darme. Ein gemeinsamer Rückschritt zur analen Phase, in der, wie Freud es bei Kindern beschreibt, das Ausscheiden von Exkrementen und sexuelle Befriedigung noch sehr eng miteinander verbunden sind—erst später trennen sich ihre Wege.

Und dass sich ihr gemeinsamer Weg trennt, ist sicher Grund für unsere Hemmungen auf dem Klo, die uns daran hindern, ganz wir selbst zu sein. Schon 1671 schreibt Antoine d'Aquin, Arzt am Hof Ludwig XIV.: „Die beste Medizin für das Gehirn ist es, den Unterleib regelmäßig zu entleeren." Und auch der Trennungsschmerz legt sich auf den Darm: „Bei Liebeskummer treten ähnliche Symptome im Magen-Darm-Bereich auf, wie bei Drogenentzug. Unsere Gedärme winden sich vor Schmerz. Wenn der oder die Ex auf Facebook den Beziehungsstatus ändert, kotzt man auf die Tastatur. Man ist appetitlos, bekommt nichts hinunter… Das ist die erste Phase, danach folgt Fresssucht, Alkohol in rauen Mengen, eine Bulimie à la Bridget Jones. Der Bauch fährt Achterbahn. Und irgendwann genießt man wieder das Singleleben mit den guten, alten Instant-Nudeln, einem Becher Glück nach drei Minuten in der Mikrowelle. Und dann kommen die Schmetterlinge wieder… und das in guten wie in schlechten Zeiten.