Was kommt heraus, wenn man linke Hausbesetzer, Polizisten mit Harndrang, verfeindete Politiker und die sozialen Medien vermischt? Ganz genau, der Große Bäckereiklo-Streit, den wir gerade in Echtzeit erleben dürfen.
Angefangen hat das Ganze, als die Hausverwaltung der besetzten Rigaer Straße 94 beschloss, das Erdgeschoss des Hauses unter Polizeischutz räumen zu lassen. Die Hausbesetzer wohnen zwar nicht im Erdgeschoss, betrieben dort aber eine Werkstatt und eine Bar, die der Besitzer jetzt abreißen und zu Wohnungen für Geflüchtete umbauen lassen möchte.
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Die Bewohner/Besetzer der Rigaer sind über die Aktion “scheiße wütend”, können aber bisher in den restlichen Stockwerken des Hauses wohnen bleiben. Damit sie aber keine Versuche unternehmen, die Bauarbeiten zu behindern, hält die Polizei zusammen mit einem privaten Sicherheitsdienst eine fast permanente Präsenz in und vor dem Haus aufrecht. Die Bewohner bezeichnen das als “Belagerungszustand”, der Pressesprecher der Polizei begründete die Maßnahme gegenüber VICE mit der “vergifteten Atmosphäre”, die aktuell dort herrsche. Tatsächlich gehen seit der Räumung am Mittwoch in ganz Berlin jede Nacht Autos in Flammen auf oder Schaufensterscheiben zu Bruch. Der Berliner Innensenator hat darauf mit der Einrichtung einer “Ermittlungsgruppe LinX” reagiert, die solche Straftaten gebündelt aufklären soll.
Wie dem auch sei, aktuell befinden sich fast dauernd Polizeibeamte um die Rigaer 94 im Einsatz. Weil die aber eben gelegentlich Hunger bekommen oder aufs Klo müssen, gingen sie immer wieder in die Bäckerei 2000, die sich direkt gegenüber vom besetzten Haus befindet. Ob aus politischen oder hygienischen Gründen, den Betreibern der Bäckerei ging das zunehmend auf die Nerven, sodass sie schließlich am Montag ein Schild in die Tür hingen, auf dem sie der “Polizei Berlin” Hausverbot erteilten. “Dies gilt für den Besuch der Toiletten wie den Einkauf in der Bäckerei 2000”, hieß es darauf.
Die entschlossene Ankündigung der Bäckerei hat seitdem für einigen Wirbel gesorgt. Die Gewerkschaft der Polizei reagierte tief beleidigt, nannte das Ganze eine “Diskriminierung” und rief die Kollegen dazu auf, das “unbedingt beim nächsten Notruf aus der Bäckerei 2000 zu beachten!” Die Polizei selbst kündigte ebenfalls eine juristische Prüfung an, ob es sich hier um Diskriminierung handele. Sofort ging auf linken Seiten das Gerücht um, Polizisten hätten gegen zwei Mitarbeiter der Bäckerei Strafanzeigen gestellt, und kurz darauf waren die ersten Solidaritätsaufrufe mit der Überschrift “Kein Bullenklo!” in Umlauf.
Tatsächlich wird es wohl nicht zu einer Anzeige kommen. Am Dienstagnachmittag räumte Polizei-Pressesprecher Winfrid Wenzel nämlich ein, dass die juristische Prüfung wohl zugunsten der Bäckerei ausgehen wird: “Anscheinend kann der Betreiber das machen”, erklärte er VICE. “Einen Rechtsanspruch der Polizei, dort Brötchen zu bekommen, gibt es tatsächlich nicht.”
Aber während die Polizei noch über den Rechtsbüchern hockte, hatte sich das Verbotsschild längst zum Politikum entwickelt. Als die grüne Berliner Abgeordnete Canan Bayram das oben eingebettete Foto sah, verbreitet sie es weiter—allerdings mit dem Kommentar, das könne “daran liegen”, dass die “Polizei Anwohner schikaniert”.
Damit brachte sie die Polizei-Gewerkschaft so richtig in Rage. “Es ist eine absolute Frechheit zu behaupten, die Polizei würde Schikane betreiben!”, schrieb die Gewerkschaft in einem weiteren aufgebrachten Facebook-Post, der mit einem pampigen “Frau Bayram, sollten Sie eines Tages die Polizei benötigen, hoffen wir die Kolleginnen / Kollegen sind trotzdem nett zu Ihnen, nachdem sie Sie erkannt haben!” endete.
Die Bäckerei selbst will sich zu dem Vorfall erstmal gar nicht mehr äußern und hat das Schild mittlerweile auch wieder entfernt. Die Frage ist natürlich, ob die gekränkten Polizisten dort jetzt überhaupt noch einkaufen oder aufs Klo gehen wollen. Wer will schon kacken, wo er nicht geliebt wird?