Was die Kandidatur von Andreas Khol über Österreich aussagt

„Wer die Jugend hat, hat die Zukunft. Wer aber die Senioren hat, hat die Mehrheit.” Das, oder ähnliches, könnte sich die ÖVP überlegt haben, als sie vor der Aufgabe stand, einen neuen Bundespräsidentschaftskandidaten aus dem Ärmel zu schütteln. Und tatsächlich stammt dieses Zitat von eben jenem Herausgeschüttelten selbst.

Andreas Khol zeigt sich in einem YouTube-Video von seiner plötzlichen Kandidatur eher überrascht. Für den Rest von Österreich ist die ÖVP-Nominierung eines 74-Jährigen, der die Bezeichnung „Erzkonservativer” als Auszeichnung versteht, hingegen eher naheliegend.

Vieles davon ist ziemlich bezeichnend. Nicht unbedingt für Khol selbst, aber doch für seine Politik und noch mehr für die seiner Partei. Denn obwohl das Wahlverhalten von Pensionisten und Pensionistinnen traditionell stabil ist und man daher auch mit einem (politisch) jüngeren Kandidaten (oder vielleicht gar mal einer Kandidatin?) nicht unbedingt weniger Chancen haben muss—im Gegenteil—, setzt die ÖVP doch lieber auf ein bewehrtes Urgestein. Und damit auch auf Urpolitik—fernab der noch vor wenigen Monaten proklamierten Losung „jünger, weiblicher, moderner”.

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Obwohl dem Tiroler Bauernadel entstammend, ist Khol alles andere als ein reaktionärer Bauernschädel. Khol ist der Inbegriff einer konservativ-intellektuellen, tiefbürgerlichen Gesellschaft, in der die Leistung des Einzelnen zählt. Das zeigt etwa auch seine Hochachtung und teilweise ideologische Nähe zu Margaret Thatcher oder Ronald Reagan—auch, wenn er mit Reagans Kampf gegen die Sandinisten in Nicaragua alles andere als einverstanden war.

Andreas Khol ist jetzt schon der Präsident des Internets

Khol ist bereit für Diskussionen über Modernisierung, auch wenn er selbst kein Modernisierer ist. Seine Aussage, dass die Wahrheit eine Tochter der Zeit sei, war im damaligen Kontext (zur Bildung einer schwarz-blaue Koalition trotz Oppositionsansage der ÖVP) tatsächlich eine, die auf die Biegsamkeit des Politikers schließen ließ—und ist es noch heute. Sie ist aber auch mehr. Sie zeigt, dass vermeintlich ewige Allgemeinplätze—wie konservative Vorstellungen von Familie oder Sexualität—sehr wohl dem Wandel der Zeit unterliegen. Eine wesentliche Erkenntnis und Voraussetzung moderner Politik—und anscheinend etwas, das Khol verstanden hat.

Dennoch stellt sich die Frage, ob Khol wirklich seine „Kanten geschliffen” hat. Khols vermeintliche Wandlung vom dogmatischen Verfechter der konservativ-katholischen Linie, der Gott in der österreichischen Verfassung verankern will, hin zum moderaten Christdemokraten, der zumindest die eingetragene Partnerschaft für Homosexuelle befürwortet, macht ihn auf den ersten Blick zu einem bodenständigen Volkspräsidenten der „des Land und die Leit mog”.

Dass er aber zum Beispiel in der Debatte um eine Verfassung für Europa die klerikale Position Kardinal Schönborns unterstützte, der dem Neokatechumenat nahesteht und für eine evangelisierte, geistlich geprägte Welt eintritt, widerspricht der Abwende vom Klerikalismus ebenso, wie seine Aussagen über die postsäkulare Gesellschaft.

Auch seine Aussagen zum Flüchtlingsthema und zu muslimischen Migranten scheinen zunächst zeitgemäß und weltoffen. Denn für Khol gehört der Islam historisch, formal und kulturell zu Österreich. Außerdem sieht er in Österreich „natürlich ein Einwanderungsland” mit einer Multikulti-Gesellschaft—zumindest bis vor Kurzem. Denn mittlerweile fordert auch er eine Asyl-Obergrenze. Eine Forderung, die nicht nur verfassungsrechtlich schwierig, sondern realpolitisch sinnlos ist—zumindest, wenn er nicht als der Bundespräsident in die Geschichte eingehen möchte, der die Tür zur Begrenzung von Grundrechten aufgestoßen hat.

Gleichzeitig versichert Khol schon jetzt (als bisher einziger der offiziellen Kandidaten und Kandidatinnen), dass er Strache als Bundeskanzler angeloben würde, sollte die FPÖ stärkste Partei werden.

Diese Ankündigung kann natürlich als rein demokratiepolitisch verstanden werden. Als solche wäre sie aber nicht notwendig gewesen. Denn die Debatte, ob man Strache nun als Kanzler vereidigen würde oder nicht, ist längst auch eine ideologische, wie etwa auch die Aussagen von Van der Bellen dazu zeigen,—und damit alles andere als überparteilich. Khol hat sich mit seiner Ankündigung klar positioniert.

Auch wenn der Bundespräsident weder eine Nationalratswahl entscheidet, noch eine Regierung bildet, kann man die Aussage Khols doch als Zeichen verstehen, dass er mit einer schwarz-blauen Koalition in näherer Zukunft liebäugelt. Ein Thema, mit dem er als ehemaliger Architekt der katastrophalen schwarz-blauen Regierung vor 16 Jahren durchaus vertraut ist.

Die Kandidatur Khols—und auch die von Alexander Van der Bellen—zeigt aber vor allem eines deutlich: Österreich repräsentiert sich noch immer am liebsten über den intellektuellen, weißen Mann gehobenen Alters. Im Falle von Irmgard Griss ausnahmsweise auch über eine nationalkonservative Frau, aber ebenfalls von hohem Alter und Intellekt.

Argumentiert wird das mit den notwendigen Erfahrungswerten für das Amt des Bundespräsidenten. Und das, obwohl in den letzten Monaten die wesentlich schwierigere staatspolitische Aufgabe ganz sicher beim 29-jährigen Integrationsminister lag. Es scheint, als könnte sich keine der Parteien, die bereits einen Kandidaten ins Rennen geschickt haben, zu einem jungen Repräsentanten oder einer modernenRepräsentantin durchringen. Das könnte einmal mehr der FPÖ in die Hände spielen.

Paul auf Twitter: @gewitterland